Berlin. Sie verfolge eine „Mission impossible“, sagen die einen. Die anderen reden von einem „Wind of Change“, den Susanne Henckel in die verfahrene Beziehung zwischen der Deutschen Bahn AG und dem Bund bringt.
Die Staatssekretärin von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat seit gut einem Jahr einen klaren Auftrag: Sie soll die marode Bahn auf Vordermann bringen und das Bundesunternehmen so aufstellen, dass es künftig das Schienennetz „gemeinwohlorientiert“ führt. Die Infrastruktursparten sollen fusionieren; deren Gewinne nicht mehr in die Konzernkasse fließen. Das alles soll ab 2024 unter dem Dach der Aktiengesellschaft funktionieren – wirksame Kontrolle des Bundes inklusive.
Angesichts der Erfahrungen, die der Bund mit der Bahn seit der Privatisierung 1994 gemacht hat, scheint das Vorhaben mehr als ambitioniert. Die Bahn fährt so unpünktlich wie nie, Güterzüge fallen reihenweise aus. Das Netz ist marode, was für Chaos im Fahrplan sorgt. Vom Klimaretter, der doppelt so viele Menschen und zwei Drittel mehr Güter als bisher transportiert, ist das System weit entfernt.
Der Zustand des Schienennetzes ist das Ergebnis einer gescheiterten Beziehung, in der sich beide Seiten Versagen vorgeworfen haben, anstatt gemeinsam am Erfolg zu arbeiten. Henckel soll ein „Wirgefühl“ schaffen. Erste Konturen ihres Konzeptes zeichnen sich ab.
Vielleicht hilft der 58-Jährigen, dass sie in einer Patchworkfamilie lebt: Ihr Partner brachte drei Kindern und sie ihre Tochter ins neue Zusammenleben ein. In der Beziehung des Ministeriums zum Eisenbahnwesen ist es so ähnlich: Viele Beteiligte aus unterschiedlichen Bereichen müssen neu denken. Henckels Werbung lautet: „Wir wollen gemeinsam das Beste für die Schiene erreichen.“
Branchenkenntnis und eine Portion Optimismus helfen
Ganz gewiss hilft der gebürtigen Iserlohnerin, dass sie die Branche kennt: Schon als junge Ingenieurin stellte sie dem Controller der damaligen Bundesbahn ihre Vision von modernen Bahnhöfen vor.
Sie leitete viele Jahre den Verkehrsverbund in Nordhessen wie auch in Berlin-Brandenburg und stand dem Bundesverband Schienennahverkehr vor. Immer ging es bei der Verkehrs- und Stadtplanerin darum, Interessen auszugleichen – vor allem auch mit der Bahn AG.
Henckel gilt in der Branche als mutig und pflegt ihr eigenes Frauennetzwerk. Ausgerechnet im eigenen Haus aber stößt sie auf Widerstand: Zu viele Jahre schon schauen die Fachbeamten der Bahn von außen zu und fühlen sich als Verlierer eines Hase-und-Igel-Spiels.
„Wir wollen die Steuerungsmöglichkeiten des Bundes stärken“, gibt sich Henckel zuversichtlich. „Das Know-how über das Netz liege bei der Bahn. Hier müssen wir im Haus wieder mehr eigenes Know-how aufbauen und für eine effektive Kontrolle einen digitalen Zwilling schaffen.“
Wissen und Kontrolle sind das eine. „Wichtig ist, dass alle Beteiligten dennoch partnerschaftlich miteinander umgehen“, sagt die Parteilose. In der Schweiz besuchte sie erst kürzlich ihren Kollegen, um sich dies als Teil des Erfolgsrezepts des Bahnlandes erklären zu lassen.
Die Botschaft des Amtsleiters: Der Rahmen für den Schienennetzbetreiber muss so klar sein, dass er gar nicht mehr anders kann, als für ein gutes Netz mit möglichst viel Verkehr zu sorgen. Ob Henckel der Kulturwandel per Gesetz gelingen wird?
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Von der Bahn zumindest kommt schon Lob: „Wir haben in den letzten sechs Monaten schon mehr bewegt als in den letzten 15 Jahren“, sagt der Generalbevollmächtigte Jörg Sandvoß. Er konnte kaum glauben, dass sich die Koalition grundsätzlich bereit erklärt hat, die von der Bahn für nötig erachteten 45 Milliarden extra – allein bis 2027 – zur Verfügung stellen zu wollen. Auch wenn die Haushälter das letzte Wort haben: „Der Bund finanziert den Aufwand und nicht nur Investitionen“, freut sich Infrastrukturvorstand Berthold Huber über den beschlossenen Paradigmenwechsel.
Nach dem 1. Januar 2024 geht die Arbeit erst los
Die Eisenbahnergewerkschaft EVG freut sich auch, da sich an der Struktur der beiden Infrastruktursparten nichts ändern wird. Allein die Vorstände und Aufsichtsräte werden eins.
Die Wettbewerber indes pochen zumindest auf einen Beirat, über den sie bei Investitionen mitentscheiden können. Die Güterbahnen warten noch auf ihr Gespräch mit der Staatssekretärin. Dabei fordern sie schon gar nicht mehr, das Netz aus dem Bahn-Konzern herauszulösen. „Wir müssen die Tür zum 1. Januar 2024 zumachen“, mahnt Bahn-Infrastrukturvorstand Huber angesichts der Diskussion.
Bis dahin soll die Gesellschaft mit dem Arbeitstitel: „InfraGo“ gegründet sein. Doch geht die Arbeit dann erst los: Infra-Go muss sich so organisieren, dass es das Netz zügig sanieren kann und nicht nur „Hochleistungskorridore“ und „Zukunftsbahnhöfe“ ankündigt. Der Bund muss ausreichend Geld bereitstellen und klären, wie er endlich kontrolliert.
„Allein mit einer Änderung der Konzernstruktur ist es nicht getan“, sagt Henckel. Bahn-Lobbyist Sandvoß beugt Fehlschlüssen bereits vor: „Wir bleiben ein Wirtschaftsunternehmen.“
Gemeinwohlorientiert bedeute nicht gemeinnützig. Allerdings werde die Bahn ihre Ziele nicht mehr danach ausrichten, „eine hohe Kapitalverzinsung zu erzielen“. Menge und Qualität stünden im Vordergrund wie auch die „Anmutung, damit es Spaß macht, Bahn zu fahren“.
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Henckel will die Spielregeln so ändern, dass „der bestmögliche Effekt fürs Geld“ entsteht. „In den Vorgaben für die neue Gesellschaft steckt viel Musik. Wir wollen ein wohlklingendes Stück spielen.“
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<< Den vollständigen Artikel: Susanne Henckel: Das ist die Frau, die die Bahn umkrempeln soll >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.