Jun 19, 2023
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Deutsch-chinesische Konsultationen: Wirtschaft hat hohe Erwartungen an die Regierungsgespräche

Written by pinmin

Peking, Berlin Gleich zu Beginn des Besuchs von Li Qiang in Berlin hat ihm Deutschland eine besondere Ehre erwiesen: Kein geringerer als der erste Mann des Staates, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, empfing ihn am Montagmorgen im Schloss Bellevue – dabei ist Li selbst nur der chinesische Regierungschef, steht protokollarisch also unter Steinmeier, dessen Pendant Chinas Staatschef Xi Jinping ist. Am Dienstag, zu Beginn der siebten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, wird Li dann mit militärischen Ehren begrüßt.

Nach Informationen des Handelsblatts aus Regierungskreisen wollte die Bundesregierung die Konsultationen eigentlich deutlich kleiner halten als beim letzten Treffen 2018. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wollte angesichts der zunehmenden Spannungen mit China ein Zeichen setzen, dass nicht mehr „business as usual“ gilt. Die Bundesregierung appelliert seit Monaten an die deutschen Unternehmen, sich mit Blick auf China breiter aufzustellen.

Zeitgleich mit den Regierungskonsultationen stellt auch die EU-Kommission am Dienstag ihre Strategie zur Wirtschaftssicherheit vor – China steht dabei im Zentrum.

Deutschland setze auf Derisking, aber nicht auf Decoupling, betonte Scholz am Montag beim Tag der Industrie. „Diese Formel gilt ausdrücklich auf für China.“

Doch in vielen Punkten gab die Bundesregierung dem Druck aus China am Ende nach. Das Format jedenfalls ist fast so üppig wie in alten Zeiten: Neben Premierminister Li Qiang nehmen neun weitere chinesische Minister an den Konsultationen teil – 2018 waren es zwölf. Von deutscher Seite nehmen sich acht Minister für die Gespräche Zeit.

Angespanntes Verhältnis zu China

Angela Merkel hatte 2011 die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen ins Leben gerufen. Das nun siebte Treffen unter dem Motto „Gemeinsam nachhaltig handeln“ ist aber das wohl schwierigste. Das Verhältnis des Westens zu China ist angespannt.

Die Sorge ist groß, China könnte die wirtschaftlichen Abhängigkeiten westlicher Staaten von der Volksrepublik missbrauchen – auch die deutsche. Zugleich wächst die Sorge vor einem chinesischen Angriff auf Taiwan. Die prorussische Haltung Pekings im Ukrainekrieg hatte auch zu Irritationen in Berlin geführt. Eine Absage der Regierungskonsultationen kam für die Bundesregierung aber nie infrage. Zu groß wäre der Affront gegenüber China gewesen.

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Am Montagabend trifft Scholz Li zu einem gemeinsamen Essen. Zuvor hatte der chinesische Premier bereits Vertreter der deutschen Wirtschaft zu einem „Teegespräch“ eingeladen. Nach Information des Handelsblatts aus Regierungskreisen waren die Vorstandschefs von zwölf Dax-Konzernen bei dem Treffen anwesend. Vorsitzender der Wirtschaftsvertreter war Siemens-Chef Roland Busch, der auch Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft ist. Ebenfalls dabei: die CEOs von mehreren Dax-Konzernen wie der Allianz, BASF, Mercedes, BMW, Infineon, SAP, Schaeffler, Merck, VW und Wacker.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

Die deutsche Wirtschaft hat hohe Erwartungen an Scholz und die Regierungskonsultationen.

(Foto: dpa)

Beide Seiten tauschten sich über mögliche Investitionen und über eine Kooperation mit China über den Klimawandel aus. Am Ende stand die Unterzeichnung von allgemein gehaltenen „Memorandums of Understanding“, also Absichtserklärungen, zwischen Peking und Airbus, Mercedes und Volkswagen auf dem Programm. Bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen selbst werden hingegen keine Unterzeichnungen erwartet, auch bei dem am Dienstag geplanten deutsch-chinesischen Wirtschaftsforum nicht.

„Es ist gut, dass die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen stattfinden“, sagte Karl Haeusgen, Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), dem Handelsblatt. Er forderte jedoch auch, dabei kein Blatt vor den Mund zu nehmen: „Man kann mit China Klartext reden – das tun sie umgekehrt auch.“

Deutsche Unternehmen haben hohe Erwartungen an Scholz

Wie schwierig es ist, einen Kurs gegenüber China zu finden, der auf Risikoreduzierung setzt, aber nicht zu Abschottung führt, zeigen Äußerungen anderer Wirtschaftsvertreter wie des Präsidenten des Außenhandelsverbands Dirk Jandura. Er sagt: „Ich betrachte den außenpolitischen und außenwirtschaftlichen Kurs Chinas mit Sorge. Dennoch wünsche ich mir einen ausgewogenen Umgang mit China.“

Beim Tag der Industrie betonte Siegfried Russwurm, Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie: „Wir brauchen den Dialog mit China zum Klimaschutz und auch zu Handels- und Investitionsbeziehungen.“

Vor allem die in China tätigen deutschen Unternehmen haben große Erwartungen an die Bundesregierung. Sie fordern, die Regierung müsse sich für mehr Rechtssicherheit einsetzen, wie eine Umfrage der deutschen Auslandshandelskammer bei ihren Mitgliedsunternehmen zeigt. „Die größte Gefahr für die Geschäfte deutscher Unternehmen in China ist die nationalisierende Industriepolitik dort“, sagt VDMA-Chef Haeusgen. Viele Unternehmen betreiben deshalb in Teilen schon aus eigenem Interesse heraus eine Risikostreuung.

Die deutsche Wirtschaft wünscht sich auch weniger politische Einflussnahme auf Geschäftsentscheidungen, einen besseren Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen und eine schnelle Lösung für den Bearbeitungsstau bei Geschäftsvisa für ihre chinesischen Mitarbeiter. Jens Hildebrandt, Geschäftsführer der AHK in China, erwartet bei den Regierungskonsultationen zwar keine Durchbrüche, dennoch seien die Gespräche dringend notwendig. Die Diskussion um China als Kooperationspartner sei zuletzt zu kurz gekommen.

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Anders als in der Vergangenheit soll es dieses Mal keine gemeinsame Erklärung der deutschen und chinesischen Regierung geben – zu groß sind die Differenzen zwischen Peking und Berlin. Eine zentrale Rolle soll allerdings der Klimaschutz spielen. Zudem dürfte Chinas Rolle im Ukrainekrieg Thema sein.

Für die chinesische Staatsführung ist das Treffen in jedem Fall ein Gewinn. Allein die Fotos von den Gesprächen werden ein Propagandaerfolg. Und auch danach ist nicht Schuss, denn Li reist nach Frankreich. Peking will der Welt zeigen, dass es zu Kooperationen fähig ist – und einen Gegenpol setzen zu seinem zerrütteten Verhältnis zu den USA. Zudem versucht China Deutschland und Frankreich als die wichtigsten EU-Staaten stärker auf seine Seite ziehen.

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