Jun 19, 2023
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China: Diese Manager beeinflussen die deutsche China-Politik am stärksten

Written by Martin Greive

Berlin Am Montagnachmittag tagte in Berlin ein handverlesener Kreis. Gut ein Dutzend Chefs der namhaftesten deutschen Konzerne trafen den chinesischen Premier Li Qiang zu einem „Teegespräch“.

Kurz vor Beginn der siebten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen an diesem Dienstag tauschten sich die CEOs von Allianz, BASF, Mercedes, BMW, Infineon, SAP, Merck, Siemens oder VW mit Li über mögliche Investitionen und  Kooperationsmöglichkeiten aus. Am Ende wurden „Memorandums of Understanding“ zwischen Peking und Airbus, VW, Mercedes und Volkswagen unterzeichnet.

Die Runde war ein Abbild der mächtigsten China-Manager Deutschlands. Alle beim „Teegespräch“ mit Li anwesenden CEOs nehmen seit Jahren großen Einfluss auf die China-Politik Deutschlands.

Sie begleiteten Angela Merkel und heute Olaf Scholz (SPD) auf ihren Reisen nach Peking. Sie stellen in internen Runden dem Kanzler oder Vizekanzler ihre Sicht auf China dar, verdeutlichen, wie wichtig der Riesenmarkt in Fernost für ihre Unternehmen ist und skizziere ihre Strategien, wie Politik und Wirtschaft mit China in Zukunft umgehen sollten.

Bislang ist die Stoßrichtung klar: Während die Bundesregierung immer eindringlicher die deutsche Wirtschaft vor einer zu großen Abhängigkeit von China warnt, investieren die Konzernlenker unbeeindruckt weiter im Riesenreich. Zuletzt sind die deutschen Investitionen dort auf einen neuen Rekordstand gestiegen.

Das Handelsblatt stellt die Köpfe aus der Wirtschaft vor, die die deutsche China-Politik am stärksten beeinflussen. Und wie sie versuchen, Geschäft und Risikoreduzierung unter einen Hut zu bekommen.

Martin Brudermüller (BASF): Der China-Freund

Als Kanzler Scholz vergangenen November zum Antrittsbesuch nach Peking flog, durfte dieser Manager in der Kanzlermaschine natürlich nicht fehlen: BASF-Chef Martin Brudermüller.

Martin Brudermueller

Brudermüller hat selbst lange in China gelebt und gearbeitet, er kennt Land und die Politik, hat gute Kontakte, auch auf lokaler Ebene.

(Foto: Bloomberg)

Brudermüller hat selbst lange in China gelebt und gearbeitet, er kennt Land und die Politik, hat gute Kontakte, auch auf lokaler Ebene. Unter seiner Führung baut BASF in Zhanjiang einen neuen Hightech-Verbundstandort mit einem Investitionsvolumen von zehn Milliarden Euro. 

Das Werk soll ausschließlich für die chinesische Industrie Kunststoffe und Spezialchemie produzieren. Der umstrittenste Produktionsstandort ist jedoch in Korla in der westchinesischen Provinz Xinjiang. In der Region werden der chinesischen Staatsführung massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. 

Nur zehn Autominuten entfernt von dem Werk stehen laut einer international viel beachteten Studie des renommierten australischen Thinktanks Australian Strategic Policy Institute (ASPI) zufolge mehrere Gefängnisanstalten, in denen unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung Angehörige muslimischer Minderheiten wegen trivialster „Vergehen“ wie einen Bart tragen inhaftiert sind.

„Als größtes Chemieunternehmen der Welt können wir uns nicht vom größten Chemiemarkt der Welt verabschieden“, sagt Brudermüller. In wenigen Jahren wird China nahezu zwei Drittel des globalen Chemiemarkts auf sich vereinen.

Man habe mit vielen Experten das Engagement tiefgehend analysiert, sagt Brudermüller. „Im Ergebnis bewerten wir die Chancen für BASF deutlich höher als die Risiken.“

Aktuell kommen 15 Prozent des BASF-Umsatzes aus China, der Anteil soll steigen. Brudermüller sieht China als Ausgleich für das schleppende Geschäft in der Heimat. In einem gemeinsamen Brief forderte er zusammen mit anderen Managern wie Siemens-Chef Roland Busch und Merck-Chefin Belén Garijo im vergangenen Jahr eine „Fortsetzung des Dialogs“ mit China.

Allerdings sorgen sich mittlerweile auch Investoren, ob BASF mit seinem China-Fokus angesichts der Geopolitik ein zu großes Risiko eingeht.

>> Lesen Sie hier: Lahme Konjunktur, Enttäuschung in China: Chemiefirmen schockieren Anleger mit Gewinnwarnungen

Und auch in Berlin macht Brudermüller sich damit nicht nur Freunde. Hinter vorgehaltener Hand heißt es von etlichen Politikern, Brudermüller treibe BASF sehenden Auges in eine verheerende Abhängigkeit.

Roland Busch (Siemens): Alte Liebe rostet nicht

Seit 1872 ist Siemens in China tätig. Trotz aller geopolitischen Unsicherheiten will Konzernchef Roland Busch die Geschäfte weiter ausbauen – und gleichzeitig die Abhängigkeiten verringern.

Roland Busch

Seit 1872 ist Siemens in China tätig.

(Foto: REUTERS)

„Der chinesische Markt ist stark und wird weiter wachsen“, sagte Busch dem Handelsblatt am Rande einer China-Reise. Keiner könne sich erlauben, die Chancen liegen zu lassen. Der Markt sei sehr anspruchsvoll und treibe Innovationen voran – da sei es wichtig, dabei zu sein. Eine kriegerische Eskalation des Taiwan-Konflikts halte er für unwahrscheinlich, da daran niemand ein Interesse habe.

In der vergangenen Woche kündigte Busch an, die Kapazitäten des Siemens-Automatisierungswerks in Chengdu um 40 Prozent aufzustocken. Busch hatte intern das Projekt „Marco Polo“ aufgesetzt. Ziel ist es unter anderem, die Umsätze der Vorzeigesparte „digitale Industrien“ in China zu verdoppeln.

Doch hat sich die China-Euphorie des Managers nach Einschätzung in Aufsichtsratskreisen in den vergangenen anderthalb Jahren gelegt. In China soll vor allem für China produziert werden. Pläne für die Verlagerung von Produktion, die nach Informationen des Handelsblatts durchgespielt wurden, sind vom Tisch.

Stattdessen betont Busch immer wieder, wie wichtig eine Resilienz des Fertigungsnetzwerks sei. „Wenn es einmal – aus welchen Gründen auch immer – in einer Region einen Shutdown gibt, ist es gut, wenn man eine zweite und womöglich dritte Fertigungsstätte in anderen Ländern hat.“

Deshalb verkündete Busch in der vergangenen Woche den Bau eines neuen Automatisierungswerks in Singapur. Von hier aus sollen aufstrebende neue Märkte wie Indien und Vietnam beliefert werden. Früher, meint ein Insider, hätte man das wohl aus China heraus gemacht.

>> Lesen Sie hier: Wirtschaft hat hohe Erwartungen an die Regierungsgespräche

Busch übt noch über eine weitere Funktion großen Einfluss auf die deutsche China-Politik aus: Er ist Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft (APA).

Belén Garijo (Merck): Investieren statt Abschottung

Auch der Pharmakonzern Merck will weiter in China investieren. „Wir haben keine Gründe zu glauben, dass China keine Chance mehr für uns ist”, bekräftigte Merck-Chefin Belén Garijo erst kürzlich. Eine Abkopplung Deutschlands von China würde 20 Jahre dauern, „aber für was?”, sagte Garijo. Dennoch sei Merck „auf das Schlimmste vorbereitet, auch wenn es unwahrscheinlich ist”. 

Mehr als 14 Prozent des Umsatzes in Höhe von 22,3 Milliarden Euro erwirtschaftet das Unternehmen in China.

Im April 2022 gab Merck bekannt, über einen Zeitraum von sechs Jahren rund 100 Millionen Euro in den Ausbau seines Produktionsstandorts in Wuxi in der Provinz Jiangsu zu stecken. Außerdem eröffnete Merck im September ein neues Labor in seinem „China Biologics Testing Center” in Shanghai, in das Merck 29 Millionen Euro investiert.

Daneben sind weitere Investitionen geplant, etwa in einen neuen Halbleiterstandort in Zhangjiagang. Außerdem kooperiert Merck seit November mit einem chinesischen Biotech-Unternehmen.

Oliver Zipse (BMW): Der China-Optimist

Auch BMW ist stark in China investiert. Die Münchener verkaufen fast ein Drittel ihrer Produktion in China und bauen ihr Engagement kräftig aus. Konzernchef Oliver Zipse pflegt einen sehr engen Austausch mit der chinesischen Führung und begleitete Kanzler Scholz auf seinem Staatsbesuch nach China. Regelmäßig bespricht sich Zipse auch mit Chen Jining, dem Bürgermeister von Peking, dessen technologische Expertise er sehr schätzt.

Oliver Zipse

Auch BMW ist stark in China investiert.

(Foto: REUTERS)

Erst im vergangenen Jahr übernahm BMW als erster westlicher Autohersteller die Mehrheit an seinem Produktions-Joint-Venture mit Brilliance und darf – anders als Mercedes oder VW – die Beteiligung voll konsolidieren und entsprechend frei agieren.

Björn Gulden (Adidas): Das gebrannte Kind

Welche Konsequenzen eine große Abhängigkeit von China haben kann, musste Adidas erleben. Ex-Chef Kasper Rorsted hatte große Wachstumspläne für das Land. Doch als die Läden wegen Corona geschlossen waren und China einen Boykott westlicher Marken initiierte, brachen die Umsätze der Marke mit den drei Streifen auf dem wichtigen Markt drastisch ein. Am Ende räumte Rorsted ein: „Natürlich haben wir Fehler in China gemacht“ – und musste gehen.

Björn Gulden

Gulden weiß, dass der Konzern nur wieder auf Kurs kommt, wenn es in China wieder besser läuft. 

(Foto: dpa)

Nachfolger Björn Gulden weiß, dass der Konzern nur wieder auf Kurs kommt, wenn es in China wieder besser läuft. Er setzt unter anderem auf mehr regionale Produkte mit einem chinesischen Touch.

Dazu gibt es in China Teams, die Produkte für den dortigen Markt entwickeln. Bei der Hauptversammlung vor einigen Wochen saß Personalchefin Amanda Rajkumar in einem Trainingsanzug mit chinesischen Schriftzeichen auf dem Rücken auf dem Podium. Im ersten Quartal allerdings sanken die Adidas-Erlöse in China nochmals um neun Prozent, während Puma die China-Erlöse erstmals seit Langem wieder steigern konnte.

Oliver Blume (VW): Ende eines Höhenflugs

Kein anderer deutscher Autobauer ist so abhängig von China wie VW, derzeit verkauft der Konzern mit seinen Marken VW, Audi und Porsche fast 40 Prozent seiner Jahresproduktion in dem asiatischen Land. Wie angewiesen der Konzern auf den Markt ist, zeigt sich auch daran, dass der Autobauer nach Jahren immer noch an einem betriebswirtschaftlich nicht profitablen Werk in Xinjiang festhält. 

Die Wolfsburger sind nicht nur von Menschenrechtlern seit Jahren massiv in der Kritik für das Werk, wollen es aber aus Furcht vor politischen Repressionen nicht schließen. Die chinesische Führung braucht Konzerne wie VW in der Region, um zu zeigen, dass die Provinz wirtschaftlich prosperiert.

Oliver Blume

Die chinesische Führung braucht Konzerne wie VW in der Region, um zu zeigen, dass die Provinz wirtschaftlich prosperiert.

(Foto: dpa)

Die goldenen Zeiten für VW scheinen in China jedoch ohnehin vorbei. Nach mehreren Jahrzehnten verlor VW im Frühjahr die Marktführerschaft in China an den noch jungen BYD-Konzern, weil in der Volksrepublik inzwischen mehr Elektroautos verkauft werden.

Trotz der jüngsten Schlappe geht VW davon aus, dass sein wichtigster Einzelmarkt weiterhin wachsen wird: von heute etwa 22 Millionen Fahrzeugen auf 28 bis 30 Millionen im Jahr 2030.

Konzernchef Blume will weiter in China wachsen, dabei aber dem „Derisking“-Kurs der Bundesregierung folgen: „Unsere Strategie ist es, jetzt deutlich mehr in China für China zu entwickeln.“

So will Blume die Marktanteile in Amerika und der Asean-Region erhöhen. Das Chinageschäft soll aber weiter stark bleiben.

>> Lesen Sie hier: Experten skeptisch gegenüber KI-Boom

Um die Verkäufe im Elektrobereich anzukurbeln, will VW unter dem Projektnamen „100%TechCo“ Fahrzeug- und Komponentenentwicklung sowie Beschaffung zusammenführen und so bei den Entwicklungszeiten neuer Autos um knapp ein Drittel schneller werden. Hinzu kommen Partnerschaften mit lokalen Tech-Unternehmen wie dem KI-Anbieter Horizon Robotics oder der Softwarefirma Thundersoft.

L. Backovic, M. Fasse, B. Fröndhoff, M. Greive, D. Heide, A. Höpner, Theresa Rauffmann

Mehr: Was einer der weltweit mächtigsten Private-Equity-Manager über den Standort Deutschland denkt



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