Jun 20, 2023
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Deutsch-chinesische Beziehungen: „Größte Bedrohung in Bezug auf Wirtschaftsspionage“ – Verfassungsschutz warnt vor China

Written by Dana Heide

Berlin Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) warnt so deutlich wie noch nie vor Gefahren für deutsche Unternehmen durch chinesische Spionage. Wegen seines „umfassenden Vorgehens zur Informationsgewinnung ist China die größte Bedrohung in Bezug auf Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage sowie ausländische Direktinvestitionen in Deutschland“, heißt es im Verfassungsschutzbericht für 2022, den Behördenchef Thomas Haldenwang gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) an diesem Dienstag in Berlin vorgestellt hat.

Das Vorgehen der chinesischen Dienste steht im Zusammenhang mit den globalen Ambitionen Chinas, konstatieren die Geheimdienstler in ihrem Jahresbericht. Dahinter stehe das von der Staats- und Parteiführung ausgegebene Ziel, „bis 2049 Weltmacht mindestens auf Augenhöhe mit den USA zu werden und den globalen Führungsanspruch der Volksrepublik durchzusetzen“.

Dies lasse „eine weitere Intensivierung der Spionageaktivitäten wie auch der Einflussnahmeaktivitäten durch staatliche Akteure erwarten“. Innenministerin Faeser nennt im Vorwort des Berichts neben China auch Staaten wie Russland, Iran, Türkei oder Nordkorea, die in Deutschland „massiv geheimdienstlich tätig“ seien.

Der Zeitpunkt für die Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts ist brisant. Denn an diesem Dienstag finden in Berlin die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen statt. Neben dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang nehmen daran auch zahlreiche weitere chinesische Minister teil. Bereits am Montag hatte sich Li mit Vertretern der deutschen Wirtschaft getroffen.

Die deutsch-chinesischen Handelsbeziehungen spielen in der Risikoanalyse des Verfassungsschutzes eine besondere Rolle. Vor allem chinesische Investitionen in Deutschland werden zum Teil kritisch gesehen, weil sie „den Zugriff auf Technologien, Know-how oder geistiges Eigentum ermöglichen“, heißt es im Bericht des Bundesamtes.

Chinesische Direktinvestitionen als Einfallstor für politische Einflussnahme, Spionage und Sabotage

Für die Umsetzung seiner ambitionierten Industriepolitik versuche China ganz oder teilweise deutsche Unternehmen mit Spitzentechnologie zu kaufen. „Direktinvestitionen bieten China nicht nur die Möglichkeit, Innovationsrückstände auszugleichen und einen technologischen Vorsprung zu erzielen, sondern eröffnen auch das Tor zu politischer Einflussnahme, Spionage und Sabotage“, heißt es in dem Jahresbericht.

Thomas Haldenwang und Nancy Faeser (Foto aus dem Jahr 2022)

Der Bericht des Verfassungsschutzes legt in diesem Jahr einen besonderen Fokus auf China.

(Foto: IMAGO/Future Image)

Der Verfassungsschutz sieht zudem Risiken für die öffentliche Sicherheit in Deutschland, sollten Direktinvestitionen in Bereichen sensibler Technologien oder kritischer Infrastrukturen erfolgen. Konkrete Bereiche nennen die Geheimdienstler nicht.

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Es wird erwartet, dass die chinesische Führung die Gespräche mit den Mitgliedern der Bundesregierung auch dazu nutzen wird, sich stärkeren Restriktionen für chinesische Unternehmen in Deutschland entgegenzustellen. Auch die erwarteten Beschränkungen für den chinesischen IT-Konzern Huawei beim Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes dürften von den Chinesen angesprochen werden.

Olaf Scholz empfängt Chinas Ministerpräsidenten Li Qiang in Berlin

Die Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts gerade während der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen ist brisant.

(Foto: AP)

Für politische Diskussionen sorgte zuletzt der Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco bei einem Hamburger Container-Terminal, das als kritische Infrastruktur gilt. Nachrichtendienste und mehrere Bundesministerien hatten vor dem Verkauf von Anteilen an Cosco gewarnt. Letztlich wurde dann eine Minderheitsbeteiligung bewilligt. Entsprechende Verträge unterzeichneten Cosco und die Betreibergesellschaft am Montag.

In zwei anderen Fällen, bei der bayerischen Firma ERS Electronic und dem Dortmunder Halbleiterherstellers Elmos, war der angestrebte Erwerb durch chinesische Investoren vom Bundeswirtschaftsministerium untersagt worden.

Sorge um Wettbewerbsfähigkeit des Industrie- und Technologiestandorts Deutschland

Nach Auffassung des Verfassungsschutzes geht von China ein Risiko für das deutsche Wirtschaftsmodell aus – daher fällt die Warnung der Behörde so eindringlich aus. „Das Ausmaß dieser Aktivitäten kann (…) zu einer Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit des Industrie- und Technologiestandorts Deutschland und zur Aushebelung marktwirtschaftlicher Gesetzmäßigkeiten führen“, fürchten die Verfassungsschützer. „Letztlich drohen daraus Wohlstandsverluste und in der Konsequenz Risiken für die Demokratie, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Unabhängigkeit Deutschlands zu erwachsen.“

Es sind nicht nur die chinesischen Investitionen, die dem Geheimdienst Sorge bereiten. Das Regime in Peking verfolge einen „ganzheitlichen Ansatz des staatlich gesteuerten Transfers von Know-how und Technologien“, zu dem auch Forschungskooperationen und Talentprogramme zählten. „China versteht es, für Personen aus Wissenschaft und Wirtschaft Anreize zu setzen, um Informationen zu beschaffen“, konstatiert der Verfassungsschutz.

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Zu den Spionagezielen Chinas gehören auch Politik und Verwaltung. Hier würden Informationen zu Positionen Deutschlands mit Bezug zur Volksrepublik gewonnen – gesteuert über sogenannte chinesische Legalresidenturen. Dem Verfassungsschutz zufolge sind das Geheimdienststützpunkte, die „abgetarnt“ aus einer offiziellen Vertretung heraus agieren, zum Beispiel in einer Botschaft. Auf diese Weise bemühe sich die chinesische Seite, „gut vernetzte deutsche (aktive und ehemalige) Angehörige der Politik als Lobbyisten für chinesische Interessen zu gewinnen“.

Mehr Cyberspionage durch China

Der Verfassungsschutz registriert zudem mehr Cyberspionage. „Hier sollen Informationen über politische Meinungsbildung, Entscheidungsprozesse sowie Positionen der deutschen Regierung zu Fragen der deutschen und europäischen Außenpolitik mit Auswirkungen auf den chinesischen Staat erlangt werden“, heißt es in dem Bericht.

Der Inlandsgeheimdienst habe im Jahr 2022 „anhaltende Angriffskampagnen“ wahrscheinlich chinesischer staatlicher Cyberakteure insbesondere gegen politische Ziele in Europa – auch in Deutschland – und weiteren westlichen Staaten beobachtet.

Mithilfe von Cyberspionage sollen vor allem auch sensible Informationen aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Technik beschafft werden. Intensives Interesse besteht laut Verfassungsschutz an relevanten Zukunftstechnologien wie Biomedizin, Luft- und Raumfahrttechnik, neuen Werkstoffen und Materialien, Robotertechnologie und Künstlicher Intelligenz, maritimen Technologien, E-Mobilität, Informationstechnologie und Halbleitern.

Mehr: Wirtschaft hat hohe Erwartungen an die Regierungsgespräche.



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