Jun 20, 2023
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Geopolitik: EU stellt Anti-China-Pläne vor

Written by Carsten Volkery


Ursula von der Leyen

Die EU-Kommissionspräsidentin warnt: Die Welt habe sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert.

(Foto: AP)

Brüssel Die EU hat erstmals eine Strategie zur Wirtschaftssicherheit veröffentlicht. Das 15-seitige Papier der EU-Kommission richtet sich vor allem gegen China, auch wenn das Land nicht explizit erwähnt wird. Der Leitgedanke ist simpel: Europa darf nicht dazu beitragen, die Volksrepublik militärisch zu stärken – und soll im Krisenfall nicht erpressbar sein.

Die Welt habe sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) am Dienstag in Brüssel. Die neuen geopolitischen Entwicklungen hätten Verwundbarkeiten der europäischen Volkswirtschaften aufgedeckt.

Deshalb hält die Kommission nun ein „Derisking“ der Lieferketten für notwendig. Auf drei Feldern will die Behörde Europas Abhängigkeit von China verringern:

  • Ausländische Investitionen in Europa sollen stärker kontrolliert werden. Seit Oktober 2020 wurden bereits mehr als tausend Transaktionen überprüft. Allerdings machen bislang nur 19 der 27 Mitgliedstaaten dabei mit. Die Kommission ruft den Rest der Regierungen auf, ebenfalls tätig zu werden. Auch will sie die Regeln bis Jahresende noch einmal überarbeiten.
  • Mehr Exportkontrollen für „Dual-Use-Güter“, also Güter, die zivil und militärisch verwendet werden können. Die Kommission will gemeinsam mit den Mitgliedstaaten bis September eine schwarze Liste erstellen, auf der neben Halbleitern beispielsweise auch Technologien für Quantencomputer und Künstliche Intelligenz stehen sollen. Als zentrale Lektion des Ukrainekriegs gilt in Brüssel, dass Rivalen wie Russland und China keinen Zugang zu fortgeschrittener westlicher Technologie haben dürfen.
  • Outbound Investment Screening: Sicherheitskritische EU-Investitionen im Ausland könnten künftig verboten werden. Die Kommission will zunächst eine Diskussion mit den Regierungen anstoßen und zum Jahresende eine erste „Initiative“ vorlegen. Ein Gesetzesentwurf dürfte noch länger auf sich warten lassen.

Von der Leyen betonte, dass die EU nicht den Freihandel grundsätzlich infrage stelle. Es gehe nur darum, zu verhindern, dass bestimmte Schlüsseltechnologien von Rivalen militärisch genutzt würden. Die EU brauche eine strategische Vision, wie man mit diesen Risiken umgehe. Und sie müsse die bestehenden Handelsinstrumente selbstbewusster einsetzen.

Kommission muss skeptische Hauptstädte überzeugen

In dem Papier wird deutlich, dass die Kommission noch erhebliche Überzeugungsarbeit in den Hauptstädten leisten muss. Denn etliche Regierungen haben Vorbehalte gegen Einschränkungen des Handels mit einem ihrer wichtigsten Handelspartner, nicht zuletzt Deutschland. Sie wollen verhindern, dass die EU zu stark auf den schärferen Chinakurs der USA einschwenkt.

Insbesondere die angedachte Kontrolle europäischer Investitionen im Ausland stößt auf Widerstand. Deshalb wird auch in der Kommission betont, dass man noch ganz am Anfang der Diskussion sei. Das Thema sei „knifflig“, weil europäische Unternehmen zu den größten Investoren weltweit zählten, hatte Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager kürzlich dem Handelsblatt gesagt.

Bisher entscheidet jeder Mitgliedstaat selbst, welche Güter exportiert werden dürfen und welche Investitionen er zulässt. Mit der EU-Strategie will die Kommission nun zu einer gemeinsamen Risikobewertung gelangen. Dabei betont sie, dass es nicht darum gehe, Zuständigkeiten von den Hauptstädten nach Brüssel zu übertragen. Vielmehr gehe es um eine gemeinsame Analyse und bessere Koordinierung der Handelsinstrumente. 

Bei den Exportkontrollen beispielsweise sei eine stärkere Koordinierung auf EU-Ebene dringend notwendig, weil unterschiedliche nationale Herangehensweisen Schlupflöcher schafften und die Wirksamkeit der Exportkontrollen untergrüben, heißt es in dem Papier.

Bütikofer fordert Institution für Wirtschaftssicherheit

Experten sind skeptisch, was die Wirksamkeit der Strategie betrifft. Tobias Gehrke vom European Council on Foreign Relations (ECFR) sagte, die Derisking-Strategie der Kommission sei unzureichend, um eines der Hauptprobleme zu adressieren: den Kampf um die technologisch-industrielle Dominanz zwischen China und den USA. 

Die EU müsse die Bereiche identifizieren, in denen sie einen technologischen Vorteil habe, und dann ihre Handels- und Sicherheitspolitik darauf ausrichten, diesen zu verteidigen. Die Aufgabenteilung zwischen der EU-Kommission, die für den Handel zuständig sei, und den Mitgliedstaaten, die für die Sicherheit verantwortlich sind, sei zunehmend „inadäquat“.

Der Grünen-Außenpolitiker Reinhard Bütikofer forderte eine neue Institution, die für die Umsetzung der Wirtschaftssicherheitsstrategie verantwortlich ist. Als Vorbild nannte der Europaabgeordnete das Ministerium für Wirtschaftssicherheit in Japan. Man brauche auch eine konkrete Agenda für die nächste Kommission, die nach der Europawahl 2024 eingesetzt wird, sagte er.

Bütikofers Parteikollegin Anna Cavazzini, die den Binnenmarktausschuss im Europaparlament leitet, sagte, defensive Instrumente wie die vorgeschlagenen seien wichtig. „Aber wir müssen uns genauso auf aktive Vorschläge konzentrieren, um die Widerstandsfähigkeit der EU zu erhöhen“, sagte sie. So müsse der Aufbau einer europäischen Kreislaufwirtschaft ein zentrales Element der zukünftigen Wirtschaftssicherheitspolitik sein.

Mehr: Von der Leyen rückt vom Freihandel ab



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Politik

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