Tokio Der japanische Premierminister Fumio Kishida hat erst dem Militär und nun den Familien viel Geld versprochen. Nach einer Verdoppelung des Rüstungsetats kündigte er Mitte Juni auch eine Verdoppelung des Bildungsetats an. Die Mehrausgaben belaufen sich auf etwa 40 Milliarden Euro pro Jahr.
Unklar ist aber, wie die Regierung angesichts dieser neuen Ausgaben eine Schuldenkrise vermeiden will. Schon jetzt ist Japan das am höchsten verschuldete Industrieland der Welt. Der Schuldenstand steht bei rund 250 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Ursprünglich hatte Kishida Steuererhöhungen ins Spiel gebracht. Doch seine Liberaldemokratische Partei (LDP) blockiert. Mitte Juni verabschiedete die Regierung nun einen Plan, in dem es heißt, sie werde die Frage der Finanzierung „flexibel“ entscheiden. Die Diskussion über Steuererhöhungen wurde von „2024 oder später“ auf „2025 oder später“ verschoben.
Stattdessen will die Regierung die geplanten Mehrausgaben zunächst durch Ausgabenumschichtungen, Rückgriff auf Reserven und Sonderanleihen für die Kindererziehung finanzieren, die später durch höhere Sozialabgaben gedeckt werden sollen.
Geholfen hat Japan bisher eine ungewöhnliche Geldpolitik. Die Bank of Japan hatte 1999 als erste Notenbank den Leitzins auf null und 2016 sogar auf minus 0,1 Prozent gesetzt und immer mehr japanische Staatsanleihen (JGB) aufgekauft. Damit gelang es ihr, den Staatshaushalt zu stabilisieren, obwohl die Schuldenquote in dieser Zeit um mehr als 100 Prozentpunkte anstieg.
Zentralbank will Zinsen anheben
Doch damit könnte es bald vorbei sein. Die Bank of Japan hält schon jetzt mehr als 50 Prozent der Staatsanleihen. Die Märkte erwarten, dass der neue Notenbankchef Kazuo Ueda früher oder später mit Zinserhöhungen beginnen wird. Weitere Schulden anzuhäufen wird damit immer riskanter.
Die Japaner sind wegen der hohen Schulden in Sorge, meint Koichi Nakano, Politikwissenschaftler an der Sophia-Universität in Tokio. „Früher oder später muss die Regierung entscheiden, wie sie ihre Versprechen finanzieren will.“
Spielraum für Steuererhöhungen gäbe es. Eine Erhöhung der Körperschaftsteuer mag schwierig sein, weil die Regierung gleichzeitig die Arbeitgeber zu kräftigen Lohnerhöhungen ermuntert, um die Inflation auszugleichen. Aber die Mehrwertsteuer ist im internationalen Vergleich immer noch recht niedrig.
Die Japaner sahen das aber anders. Laut einer Meinungsumfrage vom April sind 80 Prozent gegen Steuererhöhungen und nur 18 Prozent dafür.
Offiziell will die Regierung bis 2025 einen ausgeglichenen Primärhaushalt vorlegen. Doch die Experten der Ratingagentur Fitch vermissen einen konkreten Plan dafür. „Wir glauben, dass die Regierung noch kein Maßnahmenpaket vorgelegt hat, um dieses Ziel zu erreichen.“
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In Japan geht man davon aus, dass Kishida den Kampf noch nicht aufgegeben hat. James Brady, Japan-Experte beim Risikoberater Teneo Intelligence, ist überzeugt: „Kishida ist in fiskalischen Fragen restriktiv und hofft immer noch, bereits im Fiskaljahr 2026 einen primären Haushaltsüberschuss zu erzielen.“
Neuwahlen sind wahrscheinlich
Um den Widerstand in seiner eigenen Partei zu brechen, könnte er auf Neuwahlen setzen. Das Unterhaus müsste eigentlich erst 2025 neu gewählt werden, ein Vorziehen der Wahl ist in Japan aber üblich, um günstige Umfragewerte für eine Amtszeitverlängerung zu nutzen.
Ende Mai gab es schon einmal Spekulationen über Blitzwahlen. Doch dann brachen die Umfragewerte wegen eines Skandals ein. Kishida sagte, er plane derzeit keine Neuwahlen. Gemeint sind damit nur die Sommermonate. „Die Aufmerksamkeit wird sich nun darauf richten, ob Kishida im Herbst vorgezogene Neuwahlen ausruft“, erklärt Japan-Experte Tobias Harris vom German Marshall Fund.
Sollte es Kishida schaffen, eine Wahl noch in diesem Jahr zu gewinnen, hätte er mehr Zeit für eine Steuerreform. Gelingt dies nicht, befürchten einige Notenbanker weiter steigende Schulden. Die Bank of Japan könnte dann gegen ihren Willen gezwungen sein, die Zinsen deutlich unter der Inflationsrate zu halten.
Die Folgen könnten eine weitere Abwertung des Yens und eine höhere Inflation sein. Dies würde zwar helfen, die Schulden abzubauen. Für die Einkommen der Japaner wäre es aber eine schlechte Nachricht.
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