Künftig will der Bund etliche Autobahn- und Schienenprojekte zum „überragenden öffentlichen Interesse“ erklären und so deutlich beschleunigen. Doch: Wie viel schneller wird es überhaupt werden? Erreichen die Projekte die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte „Deutschland-Geschwindigkeit“, mit der Planungs- und Genehmigungsverfahren nur noch die Hälfte der Zeit in Anspruch nehmen sollen?
Sieben bayerische Abgeordnete der CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben im Bundesverkehrsministerium nachgefragt. Sie wollten für ihren Wahlkreis wissen, „um wie viele Jahre“ die dortigen Autobahnprojekte schneller fertiggestellt werden – und wann genau.
Die Antwort des Ministeriums fiel jedes Mal gleich aus: „Wie hoch der konkrete Zeitgewinn ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab und kann im Vorfeld nicht beziffert werden.“ Grundsätzlich gelte, dass die unter die Regelung fallenden Vorhaben ein besonderes Gewicht erhielten, „sodass die jeweiligen Prüfungen und Entscheidungen einfacher und schneller werden“.
Das Ministerium verwies auch auf die geänderte Verwaltungsgerichtsordnung, nach der die Gerichte wichtige Projekte bevorzugt behandeln können. Doch auch da gelte: „Genaue Zeitangaben zu einzelnen Projekten sind nicht möglich, da diese nach wie vor von den spezifischen Rahmenbedingungen der Projekte abhängen.“
Kritik aus der Opposition an Ampel-Vorgehen
Die Kritik der Opposition folgte prompt: „Mit solch einem unseriösen und handwerklich mangelhaften Gesetz wird die Ampel nicht schneller, sondern fährt gegen die Wand“, sagte Unionsfraktionsvize Ulrich Lange (CSU) dem Handelsblatt.
An der bisherigen Systematik ändere sich nichts. Das „Label“ vom überragenden öffentlichen Interesse sei ein unbestimmter Rechtsbegriff und laufe daher ins Leere. „Rechtliche Vorfahrt für Verkehrsprojekte ist damit Fehlanzeige.“
>> Lesen Sie hier: So will Verkehrsminister Wissing Großprojekte vorantreiben
Auch Verwaltungsjuristinnen wie Christiane Kappes von CMS Hasche Sigle dämpfen die Hoffnung auf schnellere Verfahren. Zwar helfe der Hinweis auf das öffentliche Interesse, wenn Behörden im Verfahren abwägen und Ausnahmen prüfen. „Das Beschleunigungspotenzial ist dennoch begrenzt“, sagte die Expertin, die bereits Großprojekte wie die Fehmarnbeltquerung oder den Bau von Flüssiggasterminals begleitet hat.
Maßgebend für die Dauer einer Planung seien in erster Linie die Anforderungen an die umweltfachlichen Untersuchungen. Und bei der Suche nach möglichen Ausnahmen kosteten vor allem die aufwendigen Alternativprüfungen Zeit. Ebenso seien die gesetzlich nun vorgesehenen Genehmigungsfristen „ein stumpfes Schwert“.
Hohe inhaltliche Anforderungen an das Umweltrecht
Schließlich bleibe es folgenlos, wenn eine Behörde Fristen verfehle. Und die hohen inhaltlichen Anforderungen an das Umweltrecht müssten dennoch eingehalten werden. „Wenn eine zur Fristeinhaltung erteilte Zulassungsentscheidung anschließend von den Verwaltungsgerichten kassiert wird, ist nichts gewonnen“, warnte Kappes.
Wohl auch deshalb sehe der Entwurf vor, dass Fristen mehrfach verlängert werden können. „Gerade bei komplexen Großvorhaben in umweltfachlich sensiblen Bereichen wird davon Gebrauch gemacht werden müssen“, berichtete Kappes aus Erfahrung.
Kritik an den Gesetzesplänen kommt auch aus einer ganz anderen Richtung: von den Binnenschiffern. Sie bemängeln, dass die Wasserwege nicht wie die Straße und die Schiene auch bevorzugt behandelt werden sollen. Bisher sieht das Gesetz nur vor, dass bestimmte Projekte künftig direkt vorm Bundesverwaltungsgericht beraten werden sollen, um so den Rechtsweg zu verkürzen.
Weitere Verzögerungen drohen
Änderungen sind im parlamentarischen Verfahren noch möglich, bei dem auch die Bundesländer zustimmen müssen. Doch da könnte es bereits eine weitere Verzögerung geben: So droht die Unionsfraktion damit, dass die Länder das Gesetz ablehnen und ein Vermittlungsverfahren anstrengen könnten.
„Die Länder müssen sich ihrer geringen Einflussmöglichkeiten bei der Festlegung der Beschleunigungsprojekte im Klaren sein, wenn sie dieses Gesetz ohne Anrufung des Vermittlungsausschusses passieren lassen würden“, sagte Fraktionsvize Lange.
Und es gibt noch eine weitere Bremse: Die Haushaltspolitiker von SPD, Grünen und FDP wollen am Mittwoch beschließen, dass das Ministerium Verkehrsprojekte künftig alle fünf Jahre auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüfen muss.
Sie reagieren damit auf einen Bericht des Bundesrechnungshofs, der das bisherige Monitoring als unzureichend bemängelt hat und fordert, jedes Projekt regelmäßig zu prüfen. Der Haushaltspolitiker der Linken, Victor Perli, erklärte, es sei „ein Unding, dass sich das Ministerium so viel Zeit lässt und keine Einzelprojekte auf ihr Nutzen-Kosten-Verhältnis prüft“.
Mehr: „Fast schon ein Treppenwitz“ – Scholz enttäuscht die Ministerpräsidenten beim Planungsverfahren
<< Den vollständigen Artikel: Verkehrswege: Mehr Tempo für Straßen und Schienen – aber wie viel genau? >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.