Berlin Jobängste? Neue Heilmittel? Sonderkonjunktur? Das Handelsblatt hat ungezählte Studien gesichtet und mit Deutschlands führenden Ökonomen über die Frage gesprochen, wie KI die Bereiche Arbeitswelt, Forschung und Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren und Jahrzehnten verändern wird.
Ob in Banken, Anwaltskanzleien oder Kreativbüros: Die jüngsten Fortschritte im Bereich KI lösen in Branchen Jobängste aus, die sich bislang nicht betroffen fühlten. Die sogenannten „white collar worker“ – Arbeiter mit weißen Kragen – fragen sich, ob sie noch gebraucht werden, wenn Algorithmen auch intellektuelle Arbeit übernehmen können. Tatsächlich aber ist diese Frage noch weitestgehend unerforscht. Belastbare Zahlen sind rar.
Expertinnen und Experten sprechen meist von einem Nullsummenspiel: Jobs gingen verloren, gleichzeitig aber entstehen neue – wie bei allen technologischen Revolutionen der vergangenen Jahrzehnte auch.
So prognostizierte das World Economic Forum (WEF) zuletzt, dass etwas mehr als jeder zehnte Job weltweit innerhalb von fünf Jahren von einer KI übernommen werden könnte. Die meisten befragten Arbeitgeber erwarten jedoch, dass durch den KI-Einsatz mehr Stellen entstehen als wegfallen werden.
Und in Deutschland? Laut dem kürzlich Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) übergebenen Arbeitswelt-Bericht gehen durch die Digitalisierung hierzulande zwar 3,6 Millionen Jobs bis 2040 verloren. Ebenso viele, sagen die 13 Expertinnen und Experten des Gremiums, würden aber auch neu entstehen.
Ökonomen blicken deswegen optimistisch bis euphorisch auf die Chancen, die KI für den Arbeitsmarkt bietet. „Durch KI können viele Routinetätigkeiten ersetzt werden“, sagt die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer. So könne beispielsweise das Erstellen von Schriftstücken bei Strafverfahren wie Verkehrsdelikten durch KI erleichtert und könnten dadurch die Verfahren erheblich beschleunigt werden.
KI könnte Wegfall von Arbeitskräften teilweise auffangen
Die Herausforderung: Gerade kleineren Unternehmen und den öffentlichen Verwaltungen fällt es nach wie vor schwer, auf digitalisierte Prozesse umzustellen. Von daher sei in diesen Bereichen fraglich, ob sie zeitnah KI-Methoden anwenden würden, meint die Chefin des Sachverständigenrats.
Wenn das allerdings gelingt, habe KI für den Arbeitsmarkt großes Potenzial. „Ich halte es für durchaus möglich, dass durch KI der Wegfall von Arbeitskräften durch den demografischen Wandel teilweise kompensiert werden kann“, erklärt sie. Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gehen dem deutschen Arbeitsmarkt bis 2035 allein durch die älter werdende Bevölkerung immerhin sieben Millionen Menschen verloren.
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Die Folgen könnten vor allem dann am besten aufgefangen werden, wenn KI auch für komplexere Aufgaben eingesetzt werden kann. Vor allem das Sprachprogramm ChatGPT speist bei Ökonomen diese Hoffnung. Die KI kann Texte in Sekundenschnelle analysieren und schreiben. „Solche Technologien können vielleicht auch bei Nicht-Routinetätigkeiten eingesetzt werden“, sagt Simon Jäger, Chef des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA).
Ob ein Einsatz in der Breite gelingt, hängt nicht nur von technischen, sondern auch von gesellschaftlichen Fragen ab. „Bisher haben wir wenig Leitplanken gesetzt und so dafür gesorgt, dass technologischer Fortschritt mit dazu beigetragen hat, dass sich der Niedriglohnsektor mit vielen einfachen Tätigkeiten, die häufig standardisiert sind, vergrößert hat“, erklärt Jäger.
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Ein Beispiel seien Taxifahrer: „Mit Apps für Navigationshilfen oder Übersetzungen ist die Einstiegsschwelle für Fahrdienstleistungen inzwischen viel niedriger, deswegen gibt es so was wie Uber.“ Gleichzeitig seien dort aber prekäre Arbeitsbedingungen entstanden.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht deswegen in der Weiterbildung der Arbeitskräfte die wichtigste Aufgabe von Unternehmen, um ihre Beschäftigten auf die Umwälzungen vorzubereiten. Es gehe darum, Beschäftigte in den Betrieben mitzunehmen und nicht den Menschen, sondern Prozesse zu optimieren, sagte DGB-Chefin Yasmin Fahimi vor Kurzem dem Handelsblatt.
Wissenschaft wird produktiver
In der Wissenschaft vermelden Forscher beinahe im Wochentakt Durchbrüche, die ohne KI undenkbar gewesen wären. Im Oktober gelang es der Google-Tochterfirma Deepmind, nach mehr als 50 Jahren einen schnelleren Weg für die Multiplikation von Matrizen zu finden. Der kürzere Rechenweg könnte künftig Zeit und Energie sparen. Deepmind half auch dabei, die bislang größte Datenbank an menschlichen Proteinen zu erstellen.
Weltweit hoffen Forscher, Mediziner und Regierungen deswegen darauf, mithilfe von KI Antworten auf die großen Probleme der Menschheit zu finden. Es geht um die Erforschung neuer Modelle, Materialien und Medikamente – mit teils gewaltigen Ressourcen.
US-Präsident Joe Biden etwa setzt mit einer zwölf Milliarden Dollar schweren „Moonshot”-Initiative auf KI in der Medizin. Sie soll die Todesfälle durch Krebs binnen 25 Jahren um mindestens 50 Prozent senken. Andere wiederum warnen vor Risiken – etwa die Weltgesundheitsorganisation WHO, die vor Ausbrüchen von künstlichen, durch KI hergestellten Erregern warnt.
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„KI wird auch die Wissenschaft umkrempeln“, sagt Jens Südekum, Mitglied im unabhängigen Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium. Einfache Datenauswertungen, Programmierarbeiten oder Visualisierungen könnten automatisiert werden. KI könne Wissenschaftlern in allen Forschungsbereichen Teile ihrer Arbeit abnehmen und sie dadurch „viel produktiver“ machen. Wissenschaftler würden deshalb aber nicht überflüssig.
Das sieht auch die Wirtschaftsweisen-Vorsitzende Schnitzer so. Durch maschinelles Lernen könnten Zusammenhänge in großen Datenmengen analysiert werden. „Man lernt aber nicht, was der Grund für diese Zusammenhänge ist“, sagt Schnitzer.
Chance für mehr Wachstum
Ökonomen erhoffen sich durch KI einen gewaltigen Schub beim Wirtschaftswachstum. Smarte Auswertungen von Energiesystemen können die Verbräuche reduzieren, Leitsysteme für Straße und Schiene können den Verkehr schneller fließen lassen, die Industrie kann Ressourcen genauer einsetzen. Der gleiche Einsatz kann zu höheren Outputs führen.
In der Summe rechnen Wirtschaftswissenschaftler damit, dass KI großes Potenzial hat, die Produktivität der Volkswirtschaften weltweit zu erhöhen. „Erste Projektionen deuten darauf hin, dass KI zu massivem Produktivitätswachstum führen wird“, sagt Ökonom Südekum. Er hält langfristig einen Zuwachs der globalen Wirtschaftsleistung durch KI um sieben Prozent für denkbar. „Das ist ein riesiges Potenzial.“
Gerade für Deutschland ist das eine große Chance. „Denn demografiebedingt schrumpft das deutsche Wachstumspotenzial in den kommenden Jahren erheblich, einfach, weil an allen Ecken und Enden Arbeitskräfte fehlen“, sagt Südekum. Wo immer es möglich sei, sollten diese Lücken auch durch KI geschlossen werden.
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