Jun 26, 2023
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Förderprogramm: Neue Wohngemeinnützigkeit: Ökonomen halten Regierungspläne für „gefährlich“

Written by Heike Anger


Bauministerin Klara Geywitz (SPD) hat nun ein Eckpunktepapier für eine Neue Wohngemeinnützigkeit (NWG) vorgelegt. Die Idee dahinter: Verpflichten sich Wohnungsunternehmen zu dauerhaft günstigen Mieten und verzichten dafür auf Rendite, erhalten sie steuerliche Förderung und Investitionszulagen.

Im Papier werden nun drei Optionen vorgestellt, denn das Vorhaben könne „durch verschiedene Konzepte und mit unterschiedlichen Wirkungen umgesetzt werden“. Doch Ökonomen sind kritisch: Die Pläne seien sehr teuer, ineffektiv oder sogar gefährlich.

Nach den Plänen der Bauministerin würden Wohnungsunternehmen als Ganzes in die NWG überführt oder gleich als NWG-Unternehmen gegründet. Damit einher ginge die dauerhafte Verpflichtung zur „deutlich preisgedämpften Vermietung“. Angenommen werden Preise 20 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichsmiete. 

Da den Unternehmen dadurch finanzielle Nachteile entstehen, sollten diese durch Steuererleichterungen und Zulagen ausgeglichen werden. Dafür könnten die Unternehmen von Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit werden und eine Erleichterung bei der Grundsteuer bekommen. Außerdem erwägt das Ministerium eine Eintrittszulage als Anreiz, damit Wohnungsunternehmen Bestände überhaupt in die NWG einbringen. Zusätzlich soll eine Neubau- und Investitionszulage als finanzieller Anreiz für die Erweiterung des Bestands in der NWG dienen. 

Wohnblock in Berlin

Die Neue Wohngemeinnützigkeit soll mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen.

(Foto: IMAGO/photothek)

Laut Michael Voigtländer, Immobilienexperte am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln bedeutet diese Option, dass bisherige kommunale, private und genossenschaftliche Unternehmen mit erheblichen Fördersummen gelockt werden müssten. Seien private Unternehmen nicht anderweitig in finanzieller Schieflage, käme die NWG für sie kaum infrage, ist der Ökonom überzeugt. 

Allein um Mieten dauerhaft unter die ortsübliche Vergleichsmiete zu bringen, seien erhebliche Kompensationen nötig. Schließlich diene der Anstieg im Neuvertrag auch bei kommunalen und genossenschaftlichen Unternehmen der Ertragssicherung, gerade auch angesichts steigender Kosten für Personal und Instandsetzung.

Der IW-Experte verweist darauf, dass die Stadt Wien für die Gemeinnützigkeit jährlich etwa 600 bis 800 Millionen Euro ausgibt. Österreichs Hauptstadt ist bekannt für eine hohe Zahl an vergleichsweise günstigen Wohnungen. Die Summe beziehe sich aber nur auf den laufenden Betrieb, zu Anfang müssten deutlich mehr finanzielle Ressourcen aufgewendet werden. „Allein für die drei Städte Hamburg, München und Berlin wäre man schnell bei jährlichen Kosten von drei Milliarden Euro“, rechnet Voigtländer vor. 

Tobias Just, Professor für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg und Geschäftsführer der IREBS-Immobilienakademie, moniert ein „Schweigen im Konkreten“: Details zu konkreten Beträgen, Grenzwerten, Zeitplänen und Prüfmechanismen gebe es bislang nicht. Dazu gebe auch das Papier keine Antworten.  

Option 2: Steuerliche Erleichterung 

Dieser Ansatz wäre für Unternehmen mit „akzentuierter sozialer Ausrichtung“ gedacht, heißt es in dem Papier des Ministeriums. Die NWG ließe sich dabei innerhalb des bestehenden Steuerrechts umsetzen. Dafür würde der Katalog der steuerbegünstigten Zwecke in der Abgabenordnung (AO) ausgeweitet. Dann fände sich dort ein spezieller „wohngemeinnütziger“ Zweck.

Wohnungsbau in Köln

Ökonomen sind bislang noch nicht von den Vorschlägen der Ministerin überzeugt.


(Foto: dpa)

Zulagen gäbe es für die Wohnungsunternehmen bei dieser Variante keine. Sie würden von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit und erhielten Erleichterungen bei der Grundsteuer. Bei Zuwendungen an das gemeinnützige Unternehmen würden eine Befreiung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie eine steuerliche Abzugsfähigkeit greifen. Das Geywitz-Papier erwägt auch weitere Erleichterungen, so bei der Bildung von Gewinnrücklagen, um Mittel für größere Investitionen für Neubau und Sanierung anzusparen. 

IW-Ökonom Voigtländer hält indes die Gruppe, an die sich dieses Modell richtet, für „sehr überschaubar“. Gemeint seien Stiftungen, Kirchen und andere, die auch bislang keinerlei Gewinnabsichten hätten. „Hier könnten die Regeln aber sinnvoll sein, zumal keine zusätzlichen Subventionen in Aussicht gestellt werden“, sagt der Experte. 

Grafik

Immobilienexperte Just hält das Modell für den „möglicherweise einfachsten Weg“, da innerhalb der bestehenden Abgabenordnung nur eine Anpassung erforderlich wäre. Er warnt: „Doch Vorsicht, die eigentlichen Fragen sind dann immer noch dieselben: Wann ist dies konkret förderungswürdig und in welcher Höhe?“ 

Option 3: Flexibler Ansatz für Unternehmen 

Bei der dritten Variante würde sich nicht das Wohnungsunternehmen als Ganzes dauerhaft und verbindlich auf die preisreduzierte Vermietung konzentrieren. Es ginge nur um einen bestimmten Unternehmensteil oder bestimmte Wohnungen. So könnte sich das Unternehmen per Satzung verpflichten, zum Beispiel mindestes fünf bis zehn Prozent seines Bestandes gemeinnützig zu vermieten. Nur dafür gäbe es dann Vergünstigungen. Gezielte Fördermaßnahmen seien ebenfalls denkbar, um einen „wirtschaftlichen Teilnahmeanreiz zu generieren“, heißt es im Papier. 

IW-Immobilienexperte Voigtländer hält diesen Vorschlag für „besonders gefährlich“, denn es drohe, „dass Unternehmen unverkäufliche Teile ihres Unternehmens in die Gemeinnützigkeit schieben und die Verantwortung für unterbewirtschaftete Bestände an die Gemeinschaft abwälzen“.

Ähnlich sieht das auch Professor Just: Wie solle verhindert werden, dass Unternehmen ihre „Zitronen“ in ein NWG-Portfolio auslagerten und sich mit staatlichen Zulagen eines zum Beispiel sanierungsbedingten Problems entledigten?

Das Fazit der Ökonomen: 

IW-Ökonom Voigtländer ist „sehr kritisch“, was die NWG angeht. Die vorgeschlagenen Wege seien entweder „sehr teuer oder ineffektiv“. Mit viel Geld lasse sich zwar vieles regeln, „doch da auch im Bundeshaushalt Geld knapp ist, kann es sicherlich besser verwendet werden“.

Für Immobilienwirtschaftler Just gibt es zwei entscheidende Vorbehalte: die Finanzierungsfrage und ob das EU-Beihilferecht gegen eine Option spräche. Beides sei noch nicht geprüft worden. „Bei der Finanzierung bleiben Zweifel, ob das FDP-geführte Finanzministerium hier Schubgeber sein würde – wohl eher nicht“, meint der Professor. 

Für ihn stellt sich daher die Frage, ob es nicht einfacher wäre, das Wohngeld anzupassen. Auch das wäre mit mehr Ausgaben verbunden, ließe sich aber einfacher im bestehenden System regeln.

Mehr: Wohnungswirtschaft erwartet Notstand bei Sozialwohnungen



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