Berlin Bei der Konfrontation zwischen dem russischen Militär und der Söldnertruppe Wagner ist die Nationalgarde in den Fokus gerückt. Präsident Wladimir Putin hatte die Streitkraft im Jahr 2016 eigens für den Fall gegründet, um Aufstände im Inneren des Landes zu bekämpfen. Rein von den Zahlen her ist die Nationalgarde den Einheiten von Wagner-Gründer Jewgeni Prigoschin weit überlegen.
Bei der Gründung vor ziemlich genau sieben Jahren hatte Putin eine Zielgröße von 350.000 bis 400.000 Gardisten angesetzt. Aus Sicht von Militärbeobachtern dürften die tatsächliche Stärke bei rund der Hälfte des avisierten Personals liegen. Dies wären aber noch immer deutlich mehr als die rund 25.000 Wagner-Söldner, die Prigoschin aus der Ukraine Richtung Russland geführt hat.
Der britische Geheimdienst veröffentlichte am Samstagmorgen eine Einschätzung der Lage, aus der hervorgeht, dass die Loyalität der russischen Sicherheitsdienste und vor allem der Nationalgarde in den kommenden Stunden entscheidend dafür sein werden, welchen Verlauf die Krise nehme. Dies stelle „die bedeutendste Herausforderung für den russischen Staat in jüngster Zeit“ dar.
An der Loyalität der Nationalgarde haben Experten keine Zweifel. Mit der Führung der direkt ihm unterstellten Einheit betraute Putin General Viktor Zolotov. Dieser sei einer seiner engsten Vertrauten, schrieb Margarete Klein in einer Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). „Im Falle eines Konflikts mit Teilen der Elite hat Putin damit unmittelbaren Zugriff auf eine ihm loyale paramilitärische Organisation.“
Offiziell wurde die Garde gegründet, um unerlaubte Demonstrationen zu unterdrücken sowie Terrorismus und Aufstände zu bekämpfen. Neben Spezialeinheiten aus Polizei und Grenzschutz dienen in ihr einige zehntausend Soldaten, die mit Hubschraubern, Panzern und Raketenwerfern ausgestattet sind.
Die militärische Ausrüstung dürfte aus Sicht von westlichen Beobachtern auch den Hintergrund haben, dass Putin ein Gegengewicht zur regulären Armee schaffen wollte. Verteidigungsminister Sergei Schoigu sei wenig erfreut über die Gründung der Nationalgarde gewesen, sagte ein Beobachter, der mit dem Machtgefüge im russischen Militärapparat vertraut ist. Er habe dies als Misstrauen gegen sich auffassen müssen. „Mit Recht.“
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Auch wenn der Verteidigungsminister treu war, so nimmt er doch eine starke Position in der Regierung ein, die Putin aus Sicht westlicher Beobachter als Risiko werten könnte. In dem nun eskalierenden Konflikt dürfte Schoigu zu den Verlierern zählen, greift Wagner-Chef Prigoschin doch den Minister persönlich an.
Ihm schreibt er die Schuld zu, dass den Söldnern Munition und militärisches Gerät angeblich versagt wurden. Zudem hätten nach dem jüngsten Erlass der russischen Regierung irreguläre Verbände wie Wagner in die Armee eingegliedert und damit dem Kommando von Schoigu unterstellt werden müssen.
Stoppt nun die Nationalgarde die revolutionierenden Wagner-Söldner, dann dürfte damit die Position von Putin gestärkt werden. Schließlich würde die ihm unterstellte Streitkraft Prigoschin aufhalten – und nicht die reguläre Armee von Schoigu. Putin würde damit demonstrieren, dass er die Macht in Russland in den Händen hält.
An dem Krieg in der Ukraine hat sich die Nationalgarde nach Erkenntnissen westlicher Experten nur anfänglich beteiligt. Ihr war die Rolle zugedacht, in Kiew für Ruhe zu sorgen und an der Verhaftung von Regierungsmitgliedern mitzuwirken. Nachdem Russland die Pläne für die Eroberung der ukrainischen Hauptstadt fallen lassen musste, zog sich die Nationalgarde zurück. An den Kampfhandlungen beteiligt sich diese seitdem nicht mehr.
Prigoschin spricht über seine Pläne und den Grund des Aufstands
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