Kapstadt, Berlin Wenn die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in der Nacht zu Dienstag nach mehr als zehn Stunden Flug für einen Kurzbesuch in Südafrika landet, erwarten sie schwierige Gespräche. Denn die südafrikanische Regierung hat im Ukrainekrieg eine prorussische Haltung eingenommen. Das gibt sie zwar nicht klar zu – bei UN-Resolutionen gegen die russische Invasion enthält sich Südafrika –, doch die Anzeichen dafür sind sehr deutlich. So wird das Land verdächtigt, sogar Waffen nach Russland zu liefern.
Baerbock will wie auch schon Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im vergangenen Jahr Südafrika davon überzeugen, dass diese Haltung nicht im Interesse Südafrikas ist. Seit Monaten reisen Scholz und Baerbock, aber auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rund um den Globus. Das Ziel: den Süden für sich zu gewinnen.
Angesichts des Aufstands der Wagner-Söldnergruppe am Wochenende hat Baerbock nun ein weiteres Argument auf ihrer Seite. Experten sehen die absolute Macht von Russlands Präsident Wladimir Putin in seinem Land geschwächt. Die Rebellion der Wagner-Gruppe könnte auch den Verlauf des Krieges in der Ukraine beeinflussen.
Kurz vor ihrer Abreise appellierte Baerbock daher an die südafrikanische Regierung: „Wenn das Land Nelson Mandelas und Desmond Tutus seine Stimme gegen Unrecht erhebt, hört die Welt hin“, sagte sie. Deswegen wolle sie in Pretoria auch darüber sprechen, „wie Südafrika sein Gewicht für ein Ende der russischen Aggression und die Wahrung der UN-Charta in die Waagschale werfen kann“.
Erst Ende Februar hatte Südafrika gemeinsam mit China und Russland ein mehrtätiges Militärmanöver abgehalten – ausgerechnet am Jahrestag der russischen Invasion. Noch brisanter ist jedoch der Verdacht der USA, dass Südafrika Moskau Waffen geliefert haben könnte.
Drei Viertel der Befragten gegen Russlands Vorgehen
Reuben Brigety, US-Botschafter in der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria, sagte vor wenigen Wochen, er sei sich sicher, dass ein südafrikanisches Schiff im Dezember 2022 mit Waffen für Russland beladen worden sei. Baerbock hatte sich daraufhin „sehr besorgt“ geäußert. Inzwischen beschäftigt sich eine südafrikanische Untersuchungskommission mit den Vorwürfen.
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Die prorussische Haltung Südafrikas führt nicht nur zu diplomatischen Verstimmungen mit dem Westen. Auch innerhalb des Landes sind viele Menschen unzufrieden. In Meinungsumfragen sprachen sich zuletzt fast drei Viertel der Befragten gegen Russlands Vorgehen in der Ukraine aus.
Baerbock wollte auf ihrer Südafrika-Reise neben Gesprächen mit der Regierung daher auch die Zivilgesellschaft treffen. Doch wegen des Putschversuchs in Russland verschob sie den eigentlich geplanten Besuch in Kapstadt. Die Grünen-Politikerin fand es wichtiger, bei einem für Montag geplanten Treffen der EU-Außenminister in Brüssel dabei zu sein, um sich über die Situation auszutauschen.
Am Dienstag trifft sie in Pretoria dann ihre südafrikanische Amtskollegin Naledi Pandor zu einer Sitzung der deutsch-südafrikanischen binationalen Kommission. Bei den Gesprächen soll es nach Angaben des deutschen Außenministeriums auch um die konkrete Zusammenarbeit bei Themen wie der Entwicklung von grünem Wasserstoff und der dualen Ausbildung von Fachkräften gehen.
Beobachter rätseln derweil, warum Südafrika so sehr mit Moskau sympathisiert. „Südafrika war einst ein erbitterter Gegner der von Amerika angeführten Intervention im Irak“, schreiben Experten wie Greg Mills und Ray Hartley von der Johannesburger Brenthurst Foundation, „umso merkwürdiger, dass es nun Russlands einseitige Intervention in der Ukraine unterstützt“.
Südafrikas neu erblühte Freundschaft zu Russland
Auf den ersten Blick liegt die neu erblühte Freundschaft zu Russland in der gemeinsamen Geschichte der beiden Länder. Viele von Südafrikas gegenwärtigen politischen Entscheidungsträgern haben im Kalten Krieg in der Sowjetunion studiert und hegen aus dieser Zeit nostalgische Gefühle. Sie erinnern sich dabei vor allem an die üppige Militärhilfe, die Moskau damals vielen Widerstandsbewegungen im südlichen Afrika bei ihrem Kampf gegen die Apartheid gewährte. Wie in vielen anderen Staaten Afrikas können sich sowohl Russland als auch China in Südafrika zudem ein latent antiwestliches Ressentiment zunutze machen.
Allerdings war die Haltung der südafrikanischen Regierung gegenüber Russland trotz der gemeinsamen Geschichte insbesondere zu Beginn des Krieges mitnichten so eindeutig. Außenministerin Pandor hatte im Februar 2022 die russische Invasion noch scharf kritisiert und einen Rückzug der russischen Truppen gefordert.
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Doch dann vollzog sie eine radikale Kehrwende. Zu Jahresbeginn äußerte sich Pandor bei einem Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow in Südafrika regelrecht begeistert. Sie sei stolz darauf, so Pandor, solch exzellente diplomatische Beziehungen zu Russland zu pflegen.
Beobachter glauben, dass die anfängliche Kritik an Russland nicht im Sinne der seit 1994 regierenden Partei Afrikanischer Nationalkongress (ANC) war – und auch nicht im Sinne des südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa. Die Experten der Brenthurst Foundation vermuten vor allem parteipolitische Interessen des ANC – auf Kosten des Landes. Ein mögliches Motiv: die Hoffnung auf eine Unterstützung durch Russland bei den für das kommende Jahr anstehenden Wahlen.
Sorgenvoller Blick auf die nächsten Wahlen
So will Russia Today (RT), das Propaganda-Sprachrohr des Kremls, schon bald in der Wirtschaftsmetropole Johannesburg sein erstes großes englischsprachiges Büro auf dem Kontinent eröffnen. Die Südafrika-Experten Mills und Hartley befürchten, dass Russland damit die Wahlen in dem Land manipulieren könnte – möglicherweise im Sinne der ANC.
Die Partei hat allen Grund, mit Sorge auf die nächsten Wahlen zu blicken. Denn für südafrikanische Verhältnisse könnte es für sie gefährlich werden: Immer mehr Umfragen deuten darauf hin, dass der ANC erstmals seit 30 Jahren unter die Marke von 50 Prozent der Stimmen fallen könnte.
„Für einen stark unter Druck geratenen ANC, der gegen den Verlust seiner Macht kämpft, ist das Putin-Model durchaus attraktiv“, glauben Mills und Hartley. Schließlich sitze auch Putin mit einer kleinen, materiell stark begünstigten Elite an der Spitze eines Staates, ohne dabei durch Wahlen vom Verlust der Macht bedroht zu sein.
Schon im August wird Südafrikas prorussische Haltung auf eine harte Probe gestellt. Dann steht der BRICS-Gipfel an, bei dem die Staats- und Regierungschefs von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika in Kapstadt erwartet werden, darunter auch der russische Staatspräsident Wladimir Putin.
Der wird allerdings mit internationalem Haftbefehl gesucht. Sollte bis dahin keine andere Lösung gefunden werden – derzeit laufen Debatten darüber, ob Südafrika ihn mit einer Immunität schützen könnte –, müssten die südafrikanischen Behörden Putin verhaften.
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