Jun 26, 2023
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Bezahlung : 41 Cent mehr im Jahr 2024: Wie es zum Beschluss der Mindestlohn-Kommission kam

Written by Jürgen Klöckner


Berlin Nach über 13 Stunden stand der Beschluss der Mindestlohnkommission: Der gesetzliche Mindestlohn soll von aktuell zwölf Euro pro Stunde im Jahr 2024 auf 12,41 Euro und ein Jahr später auf 12,82 Euro angehoben werden. Von der Erhöhung dürften knapp sechs Millionen Beschäftigte profitieren.

Die Sitzung der Kommission war historisch, weil es erstmals keinen einstimmigen Beschluss gab. Am frühen Montagmorgen stimmten die Arbeitnehmervertreter gegen den Kompromissvorschlag, den die Kommissionsvorsitzende Christiane Schönefeld gemacht hatte. „Die Positionen lagen sehr weit auseinander“, sagte sie am Montagvormittag in Berlin.

Die Arbeitnehmerseite übte offene Kritik an der Entscheidung. Stefan Körzell, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), nannte den Vorschlag „beschämend“ und „vollkommen aberwitzig“. Trotz hoher Inflation werde bei den „finanziell Schwächsten“ gespart. Die Gewerkschaften hatten eine Erhöhung auf 13,50 Euro gefordert.

Aus Verhandlungskreisen hieß es, Schönefeld habe in der Nacht zuerst ein für die Gewerkschaftsseite besseres Angebot gemacht: Erhöhung in zwei Schritten auf 12,94 Euro. Der DGB habe aber auf 13,50 Euro beharrt. Letztlich stimmten die übrigen Mitglieder gegen den DGB und kamen auf 12,82 Euro. Die Gewerkschaften hätten sich verzockt, verlautete aus Verhandlungskreisen.

Mindestlohn: Wie geht es jetzt weiter?

Die Empfehlung muss noch per Verordnung von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) umgesetzt werden, die dieser bereits am Montag ankündigte.

Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte den Mindestlohn zum 1. Oktober 2022 ausnahmsweise per Gesetz von 10,45 Euro auf 12 Euro angehoben. Der Ökonom Lars Feld, beratendes Mitglieder der Mindestlohnkommission, äußerte gegenüber dem Handelsblatt die Erwartung, dass die Gewerkschaften aufgrund ihrer Unzufriedenheit nun zeitnah erneut politisches Eingreifen fordern.

Warum fällt die Erhöhung so gering aus?

Dass die Positionen der Gewerkschaften und der anderen Mitglieder der Kommission so weit auseinanderliegen, hängt vor allem mit unterschiedlichen Perspektiven zusammen. Die Erhöhung sei lediglich ein Plus von 3,4 und dann 3,3 Prozent, erklärte DGB-Funktionär Körzell. Das bedeute zwei Jahre mit Reallohnverlusten. Zum Vergleich: Das Ifo-Institut rechnet für das laufende Jahr mit 5,8 Prozent Inflation, für das kommende Jahr mit 2,1 Prozent.

Mindestlohn soll bis 2025 auf 12,82 Euro pro Stunde steigen

„Mindestlohnempfänger sind aufgrund ihres speziellen Warenkorbs in den vergangenen Jahren wesentlich stärker von der Teuerung betroffen gewesen als der Durchschnitt der Haushalte“, sagt Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). „Während die Löhne in anderen Einkommensgruppen absehbar in den nächsten anderthalb Jahren einen spürbaren Anteil der verlorenen Kaufkraft wettmachen werden, hinken nun die Einkünfte der Mindestlohnempfänger hinterher.“

Die Befürworter einer geringeren Erhöhung sehen das anders. Der Grund: Sie beziehen die gesetzliche Anhebung auf zwölf Euro mit ein. Die Politik hatte die Mindestlohnkommission damals kurzzeitig entmachtet. Hätte man die Entscheidung seinerzeit in der Kommission belassen, wäre der Anstieg bedeutend geringer ausgefallen.

Die Frage ist nun, ob die politische Erhöhung in die neuerliche Entscheidung der Kommission einbezogen werden musste. Dafür plädiert hatte unter anderem das beratende Kommissionsmitglied Feld. „Der Kaufkraftverlust wird mehr als ausgeglichen, denn der Gesetzgeber hatte ja schon die deutliche Erhöhung auf zwölf Euro beschlossen.“

Die zwölf Euro fußten zwar aus der Forderung der SPD im Wahlkampf 2021, als die Inflation noch deutlich geringer war. „Trotzdem müssen wir diese umfangreiche gesetzliche Erhöhung als Kaufkraft sichernd ansehen“, erklärte Feld.

Wie reagiert die Wirtschaft?

Die Arbeitgeber sprachen von einem schwierigen Umfeld durch steigende Preise. „Wir haben sehr hart um eine Lösung gerungen“, sagte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.

Stefan Körzell, Christiane Schönefeld, Steffen Kampeter (von links)

Die Spitzen der Mindestlohnkommission bei der Vorstellung des aktuellen Mindestlohnberichts.


(Foto: dpa)

Der Hauptgeschäftsführer der Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth, sagte dem Handelsblatt, dass „jede Form der Kostensteigerung“ in dem jetzigen Umfeld schwer zu verkraften sei. Dennoch handele es sich um ein „Signal der Vernunft“, da man sich maßgeblich an den Tarifsteigerungen orientiert habe.

Das Hotel- und Gaststättengewerbe hatte darauf gedrungen, den Mindestlohn erst im Oktober 2024 anzuheben. „Das hätte den Betrieben etwas Luft verschafft“, sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges dem Handelsblatt. Die Betriebe hätten in den vergangenen Monaten Personalkostensteigerungen von durchschnittlich 21,5 Prozent hinnehmen müssen.

Was bedeutet die Entscheidung für das Lohnabstandsgebot?

Mit einem höheren Mindestlohn steigt in der Theorie auch der Anreiz, zu arbeiten. Denn der Abstand zwischen Niedriglohn und Arbeitslosengeld steigt. Festgehalten wird dieser Anreiz im Lohnabstandsgebot. Es war einst Teil der Sozialgesetzgebung und legte einen festen Abstand zwischen Arbeitslosengeld und Einkommen in unteren Lohngruppen fest.

Doch weil der Mindestlohn nun nur vergleichsweise wenig angehoben wurde, könnte der Arbeitsanreiz theoretisch sogar verringert werden, weil das neue Bürgergeld deutlich höhere Sätze als die vorher geltende Grundsicherung umfasst. Weitere Steigerungen dürfte es in der nächsten Zeit geben. Über die Höhe des Bürgergelds wird politisch entschieden.

Gleichzeitig stellte sich in der Mindestlohnkommission die Frage, welche Auswirkungen es nach oben gibt, also auf bestehende Tarifverträge. „Wir mussten darauf achten, das Tarifgefüge nicht zu sehr nach oben zu verschieben“, sagte Kommissionsmitglied Feld. Er verteidigte den Beschluss des Gremiums auch damit, dass schon bei einer Erhöhung auf 13 Euro „viele Tarifverträge“ hätten angehoben werden müssen.

Was bedeutet die Entscheidung für die Inflation?

Angesichts der moderaten Anhebung des Mindestlohns dürfte kein zusätzlicher Inflationsdruck von der Erhöhung ausgehen. „Das ist im aktuellen, schwierigen Umfeld eine gute Nachricht“, sagte der Wirtschaftsweise Martin Werding.

Mehr: Das Wirtschaftswachstum kommt langsamer zurück als erhofft

Erstpublikation: 26.06.2023, 10:03 Uhr.



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