Brüssel Die Europäische Union (EU) hält sich mit Bewertungen nach dem Aufstandsversuch der Wagner-Söldner gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin zurück. Bei ihrem Treffen in Luxemburg am Montag betonten mehrere EU-Außenminister, dass es noch zu früh für Schlussfolgerungen sei und man die Lage weiter genau beobachten müsse.
„Wir mischen uns nicht ein“, sagte auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). „Es ist nach wie vor unklar, was dort geschieht.“
Baerbock geht jedoch offenbar davon aus, dass der Machtkampf in Russland noch nicht beendet ist. Die Ereignisse vom Wochenende seien „nur ein Akt in diesem russischen Schauspiel“, sagte sie. Klar sei aber bereits, dass der russische Angriffskrieg auf das Land zurückschlage. „Wir sehen massive Risse in der russischen Propaganda.“
Die Risiken, die sich daraus für die Ukraine und Europa ergäben, könne man noch nicht abschätzen, betonte Baerbock. Die EU könne die Ukraine nur weiter unterstützen. Deshalb stocke die Europäische Union den EU-Friedensfonds um 3,5 Milliarden Euro auf. Die Bundesregierung werde zudem bis zum Jahresende 45 weitere Gepard-Panzer in die Ukraine schicken.
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warnte vor einer „großen Destabilisierung“ in Russland. „Es wäre gefährlich für Europa, wenn das größte Land der Welt mit den meisten Atomwaffen in Europa zerbröckelt“, sagte er. Putin habe seine „Omnipotenz“ verloren. Das könne negative Folgen für die Ukraine haben. Der Ukrainekrieg sei die einzige Daseinsberechtigung Putins, und es könne nun passieren, dass er den Krieg noch brutaler führe, sagte der Luxemburger.
Der dänische Außenminister Lars Lökke Rasmussen sagte, die Ereignisse vom Wochenende könnten den Verlauf des Kriegs beeinflussen. Aber ob sie ein „Gamechanger“ seien, wisse er nicht. Zumindest sei Putin geschwächt. Die Vertreter der baltischen Länder appellierten an die Kollegen, die Unterstützung für die Ukraine und andere Nachbarn Russlands nun zu erhöhen. „Wir müssen den Druck auf Russland aufrechterhalten und den Krieg gewinnen“, sagte der estnische Außenminister Margus Tsahkna.
Litauen: Die Russen schaffen den Regimewechsel allein
Sein litauischer Kollege Gabrielius Landsbergis forderte die Stationierung weiterer europäischer Truppen in seinem Land. Man habe am Wochenende gesehen, wie schnell russische Truppen vor Moskau sein könnten, sagte er. Ebenso schnell könnten sie durch Belarus bis an die EU-Grenzen vorrücken. Russland sei unberechenbar, wie die Ereignisse vom Wochenende zeigten. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erklärte sich am Montag bereit, eine Brigade mit 4000 Soldaten der Bundeswehr dauerhaft in Litauen zu stationieren.
Landsbergis erwartet weitere Rebellionen in Russland. Der Wagner-Aufstand unterstreiche, dass es in Russland Zweifel am Krieg gegen die Ukraine gebe. „Die Geschichte zeigt: Wann immer Russland in einem auswärtigen Krieg überdehnt ist, gibt es Ärger in Russland“, sagte er.
Für Landsbergis ist die wichtigste Lehre der Meuterei, dass man nicht von außen einen Regimewechsel in Moskau betreiben müsse. „Das schaffen die Russen schon selbst.“ Beide baltischen Minister sprachen sich dafür aus, die eingefrorenen Reserven der russischen Zentralbank zu beschlagnahmen und für den Wiederaufbau der Ukraine zu nutzen. Estland werde einen juristisch sauberen Vorschlag vorlegen, kündigte Tsahkna an. Daran könne die EU sich orientieren.
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Die EU-Kommission will noch vor der Sommerpause einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegen. Der Zugriff auf die russischen Reserven ist unter den Mitgliedstaaten jedoch hochumstritten. Während Polen und die baltischen Länder dafür sind, warnen die meisten anderen vor einem Rechtsbruch.
Grundsätzlich sei man dafür, der Ukraine so viel zu helfen wie möglich, sagte der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra. Es gebe jedoch eine klare Grenze: „Wir werden nie gegen das Gesetz verstoßen.“ Ähnlich sieht es die Bundesregierung, auch wenn Baerbock sich dazu am Montag nicht äußerte. Das Thema soll beim EU-Gipfel der Regierungschefs am Donnerstag besprochen werden.
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