Bangkok Der Kölner Kunststoffspezialist Igus braucht in Indien mehr Platz. Weil die Geschäfte in der global fünftgrößten Volkswirtschaft so gut laufen, sind größere Produktionskapazitäten nötig. „Wir investieren aktuell in die Vervierfachung unseres Standorts in Bangalore“, sagt Artur Peplinski, der das internationale Geschäft des Mittelständlers leitet. Seit Jahren verzeichne man in dem Land zweistellige Wachstumsraten. „Wir erwarten auch in Zukunft einen deutlichen Anstieg“, sagt Peplinski.
Der Industriezulieferer ist mit seiner Zuversicht nicht allein: Die überwiegende Mehrheit der deutschen Unternehmen mit Indiengeschäft sieht ihre Geschäftsaussichten in dem Land optimistisch und plant, die Investitionen zum Teil kräftig auszuweiten. Das zeigt eine Umfrage der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG und der Deutsch-Indischen Handelskammer unter 120 Firmen, die am Dienstag veröffentlicht werden soll und dem Handelsblatt vorab vorlag.
Demnach rechnen 83 Prozent der befragten Managerinnen und Manager bis 2028 mit steigenden Umsätzen in Indien. 73 Prozent erwarten bis dahin auch ein Wachstum der Gewinne in dem Land. Für das laufende Jahr gehen 71 Prozent von einem höheren Umsatz als im Vorjahr aus. Rund jede zweite Firma erwartet steigende Gewinne.
Dass die Geschäfte mit Indien gerade besonders gut laufen, zeigt auch ein Blick in die Außenhandelsstatistik: In den ersten vier Monaten dieses Jahres stieg der Wert der deutschen Warenausfuhren nach Indien um mehr als 24 Prozent. Bereits im Vorjahr hatte das Exportgeschäft mit Indien mit einem Volumen von rund 15 Milliarden Euro einen neuen Rekord erreicht.
Die gute Entwicklung rückt Indien auch in den Fokus von Unternehmen, die bisher kaum Kontakt mit dem Land hatten. Stefan Halusa, Chef der Deutsch-Indischen Handelskammer, berichtet von einem deutlich größeren Interesse an einem Einstieg in Indien. „Unser Team in Düsseldorf bekommt jetzt deutlich mehr Anfragen als vor der Coronakrise“, sagt er.
Lufthansa plant Fluglinien nach Indien aus
Auch aus den Chefetagen von Konzernen sind inzwischen mitunter regelrecht euphorische Töne zu hören. Lufthansa-Chef Carsten Spohr bezeichnete Indien Anfang des Monats im Gespräch mit Journalisten als das „neue Lieblingsland“ seines Konzerns. Die Lufthansa profitiert unter anderem von einer Zunahme der Geschäftsreisen nach Indien und baut ihr Angebot in die Wirtschaftsmetropolen des Landes aus.
Wie der Luftfahrtkonzern hat der Großteil der in Indien tätigen deutschen Firmen vor, das Engagement in dem Land zu verstärken: Laut der KPMG-Umfrage wollen allein in diesem Jahr 53 Prozent ihre Investitionen ausbauen. Die Investitionsbereitschaft ist damit deutlich gestiegen. In der vorigen Ausgabe des „German-Indian Business Outlook“, die 2021 veröffentlicht wurde, gaben lediglich 36 Prozent an, ihre Investitionen in Indien erhöhen zu wollen.
Die Wetten auf einen anhaltenden Boom Indiens, dessen Wirtschaft in diesem Jahr Prognosen zufolge mit mehr als sechs Prozent so stark zulegen dürfte wie keine andere große Volkswirtschaft, gehen mit wachsender Skepsis gegenüber China einher. „Es geht den Unternehmen nicht darum, China zu verlassen“, sagt Andreas Glunz, Bereichsvorstand International Business von KPMG in Deutschland. „Aber für neue Investitionen suchen sie nach einer Alternative – und da bietet sich Indien an.“ Laut der in der Studie befragten Unternehmen sprechen vor allem die politische Stabilität, die Verfügbarkeit von Fachkräften sowie die relativ niedrigen Lohnkosten für den Standort.
>> Lesen Sie hier: Indien treibt das Wachstum
Der Wunsch von Indiens Premierminister Narendra Modi, sein Land zur neuen Werkbank der Welt zu machen, dürfte sich durch die deutschen Investoren aber nur zum Teil erfüllen: Sie arbeiten primär an neuen Fertigungsstätten, um von Indien aus den lokalen Markt zu bedienen.
Das macht laut „Business Outlook“ derzeit jedes dritte befragte Unternehmen. Ab 2028 will mehr als die Hälfte der Firmen in Indien für Indien produzieren. Exporte aus den Werken in Indien in den Rest der Welt werden der Studie zufolge aber weiterhin eine untergeordnete Rolle spielen – nur 29 Prozent wollen in fünf Jahren von Indien aus andere Märkte beliefern. Derzeit tun das 24 Prozent.
Indien profitiert vom Trend vor Ort für den lokalen Markt zu produzieren
Handelskammerchef Halusa sieht die Positionierung der deutschen Firmen als Teil eines globalen Trends, in einzelnen Ländern vor Ort hauptsächlich für den lokalen Markt zu produzieren. Indien als Exportzentrum zu nutzen ist aus seiner Sicht aber auch wegen eines erheblichen Nachholbedarfs in der Logistikinfrastruktur nicht leicht: Zwar habe die Regierung die Probleme erkannt. Derzeit sei es aber noch immer kostenintensiv, von Indien aus zu exportieren, sagt er. „Das fehlende Handelsabkommen mit der EU macht es zudem schwierig, indische Produktionsstandorte in globale Wertschöpfungsketten zu integrieren.“
Die EU und Indien verhandeln derzeit über ein Freihandelsabkommen. Vor einem Jahr hatten beide Seiten bekräftigt, bis Ende 2023 eine Einigung erzielen zu wollen. Die scheint aber immer noch in weiter Ferne. „Ich bin skeptisch, ob dieser Termin zu halten ist“, sagt Halusa.
Mehr: Alkoholverbot und Smog: Wie Expats in Indien leben
<< Den vollständigen Artikel: Asien: Deutsche Unternehmen wetten auf den Indien-Boom >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.