Jun 29, 2023
36 Views
Comments Off on Expertenkommission: Enteignungsdebatte: Vonovia rechnet mit gerichtlicher Klärung
0 0

Expertenkommission: Enteignungsdebatte: Vonovia rechnet mit gerichtlicher Klärung

Written by Carsten Herz


Wohnhäuser in Berlin

Laut Vonovia gebe es einen „substanziellen Mangel an bezahlbarem und energetisch effizientem Wohnraum“.

(Foto: IMAGO/Schöning)

Frankfurt, Berlin Deutschlands größter Immobilienkonzern, das Dax-Unternehmen Vonovia, hat skeptisch auf den Abschlussbericht der Expertenkommission zu möglichen Enteignungen reagiert und rechnet mit einer gerichtlichen Klärung. Der Bericht werde nun durch Vonovia intensiv geprüft und bewertet, sagte am Mittwoch eine Sprecherin des Unternehmens.

An der grundsätzlichen Haltung, dass Vonovia eine Enteignung für den falschen Weg halte, habe sich aber nichts geändert. „Sollte der Senat nun – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – ein Vergesellschaftungsrahmengesetz erarbeiten, wird dies über die nächsten zwei Jahre durch das Bundesverfassungsgericht geprüft werden“, sagte die Sprecherin. „Auch die Befassung durch den Europäischen Gerichtshof ist denkbar.“

Die Expertenkommission hatte am Mittwoch ihren Abschlussbericht an den Berliner Senat übergeben. Laut dem Bericht lässt das Grundgesetz eine Vergesellschaftung zu, und das Land Berlin hat demnach auch die Kompetenz, ein entsprechendes Gesetz zu beschließen.

Im September 2021 hatten sich bei einem Volksentscheid gut 59 Prozent der Wähler in Berlin für die Enteignung von Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin ausgesprochen. Der rot-grün-rote Senat hatte daraufhin die Kommission eingesetzt, die im April 2022 ihre Arbeit aufnahm.

Vorsitzende der Kommission ist die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD). Inzwischen regiert in Berlin eine schwarz-rote Koalition. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) erklärte am Mittwoch, es sei kein Geheimnis, dass er möglichen Enteignungen skeptisch gegenübersteht. Der Neubaumotor dürfe nicht abgewürgt werden, erklärte er.

Wohnungswirtschaft: Pläne schaden dem Standort

Vonovia besitzt rund 550.000 Wohnungen, die meisten davon in Deutschland. In Berlin verfügt der Immobilienkonzern, inklusive der Vonovia-Tochter Deutsche Wohnen, über insgesamt rund 144.000 Wohnungen.

>> Lesen Sie hier: Willkommen im Berliner Sozialismus – ein Kommentar

Laut einer Studie gehörten Ende 2019 von rund 1,66 Millionen Mietwohnungen in Berlin 322.000 kommunalen Immobilienunternehmen, knapp 190.000 Wohnungen waren in genossenschaftlicher Hand. Rund 1,15 Millionen Mietwohnungen gehörten privaten Wohnungsunternehmen und Einzeleigentümern. Der gemeinsame Marktanteil von Vonovia und Deutscher Wohnen an Mietwohnungen in Berlin beträgt damit insgesamt weniger als zehn Prozent. Die Höhe der Durchschnittsmiete in Berlin liegt nach Angaben von Vonovia bei 7,24 Euro pro Quadratmeter.

In Berlin gebe es zwar einen substanziellen Mangel an bezahlbarem und energetisch effizientem Wohnraum, sagte eine Sprecherin des Unternehmens. Jedoch werde durch eine Vergesellschaftung beziehungsweise Enteignung von Wohnungsunternehmen massiv öffentliches Kapital gebunden, und die öffentlichen Haushalte würden belastet. „Privates Kapital wird für lange Zeit daran gehindert, einen Lösungsbeitrag zu den drängenden Fragen Wohnungsnot und Klimaschutz zu leisten“, warnte sie.

>> Lesen Sie dazu auch: Wie wird sich der Immobilienmarkt wandeln?

Die soziale Spaltung der Berliner Stadtgesellschaft werde zudem vorangetrieben, und dem Klimaschutz werde ein Bärendienst erwiesen. „Eine Vergesellschaftung beziehungsweise Enteignung hilft also nicht.“

Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft (GdW) warnte vor einer massiven Verunsicherung aller Investoren. Die Vorhaben der Enteignungsinitiative „schaden ganz Deutschland als Wirtschaftsstandort“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko, der eine Vergesellschaftung für unverhältnismäßig und verfassungswidrig hält. „Zudem wären die Pläne der Initiative vor allem eines: teuer für alle Berlinerinnen und Berliner.“ Die finanziellen Möglichkeiten für den Bau bezahlbarer Wohnungen und die notwendige energetische Sanierung bestehender Wohnungen würden sich schlagartig in Luft auflösen. Die offizielle Kostenschätzung des Landes 2019 hatte Entschädigungen zwischen 29 und 36 Milliarden Euro ergeben.

Warnung vor falschen Erwartungen

Statt auf ideologische Utopien, die letztlich das gesellschaftliche Vertrauen in unsere demokratischen Grundpfeiler untergraben, sollte sich der Berliner Senat künftig auf die wirkliche Herausforderung unserer Zeit konzentrieren, mahnte der GdW: die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) erklärte, Berlin als stark wachsende Stadt brauche ein entsprechend wachsendes Wohnungsangebot. „Das entsteht aber nur durch Neubau, nicht durch Enteignungen“, sagte BBU-Vorständin Maren Kern.

Auch sie warnte vor falschen Erwartungen: Eine Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen sei weder mit dem Grundgesetz noch der Berliner Landesverfassung vereinbar, noch wäre sie finanzierbar. „Sie würde mit der willkürlich gegriffenen Grenze von 3000 Wohnungen gegen das Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes ebenso verstoßen wie gegen das verfassungsmäßige Verhältnismäßigkeitsgebot, weil außer einer Vergesellschaftung in Form beispielsweise von Neubauförderung mildere Mittel zum Erreichen des Ziels eines entspannten Wohnungsmarkts zur Verfügung stünden.“

Mehr: Womit Käufer und Mieter in Berlin rechnen müssen



<< Den vollständigen Artikel: Expertenkommission: Enteignungsdebatte: Vonovia rechnet mit gerichtlicher Klärung >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.

Article Categories:
Politik

Comments are closed.