Washington Gigantische Schilder mit dem Aufdruck „Bidenomics“ rahmten die Bühne, auf der US-Präsident Joe Biden am Mittwoch seine bislang größte Wahlkampfrede zur amerikanischen Wirtschaft hielt.
Der Begriff ist zum Schlagwort für Bidens milliardenschwere Standortpolitik geworden. Im Präsidentschaftswahlkampf stellt das Weiße Haus „Bidenomics“ prominent nach vorne, denn die Umfragewerte des 80-jährigen Bidens schwächeln.
„Ich habe das Amt übernommen, als unsere Wirtschaft in Scherben lag“, sagte Biden in der US-Metropole Chicago. „Heute haben die USA die höchste Wirtschaftswachstumsrate seit der Pandemie, die die höchste in der ganzen Welt.“ Die US-Wirtschaft habe sich „schneller erholt als die anderen großen Industrieländer“, so der US-Präsident.
Seit dem Ausbruch der Pandemie ist die US-Wirtschaft um 5,4 Prozent gewachsen, während das Wachstum in den übrigen G7-Staaten durchschnittlich nur 1,3 Prozent betrage, heißt es in einer Analyse des Weißen Hauses.
Vor allem im verarbeitenden Gewerbe verzeichnen die USA einen Boom: Die Ausgaben für Fertigungsindustrie haben sich fast verdoppelt. „Bidenomics“, die Wirtschaftspolitik des US-Präsidenten, erfüllt anscheinend, was sein Vorgänger Donald Trump nur ankündigte.
Die USA gegen den Rest der Welt: Der Tonfall ändert sich
So blieben die Investitionen ins produzierende Gewerbe in der Trump-Präsidentschaft unter 100 Milliarden US-Dollar jährlich. Doch seit Bidens Subventionsprogrammen schießt die Kurve steil nach oben, inzwischen fließen fast 190 Milliarden US-Dollar in die Fertigung.
Heute haben die USA die höchste Wirtschaftswachstumsrate seit der Pandemie, die die höchste in der ganzen Welt. US-Präsident Joe Biden
Parallel vollzieht sich auf der anderen Seite des Atlantiks eine schleichende Investitionsflucht, vor allem aus aus Deutschland. 2022 flossen 132 Milliarden US-Dollar mehr Direktinvestitionen ab, als in Deutschland investiert wurden. Unter 46 Staaten war das der stärkste Abfluss, berichtete das Handelsblatt in dieser Woche.
Bislang hatte die US-Regierung stets auf die eigenen guten Zahlen verwiesen, aber den direkten Vergleich mit anderen Volkswirtschaften vermieden. Das ändert sich jetzt offenbar: Das US-Finanzministerium legte am Dienstag nahe, man hänge mit dem amerikanischen Investionsboom andere Nationen ab, darunter auch Deutschland.
Man wolle den Aufschwung der USA „in einen internationalen Kontext stellen“, heißt es in einem Blogpost des Ministeriums. Ein derartiger Anstieg im verarbeitenden Gewerbe „scheint nur in den USA zu beobachten zu sein und nicht in anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften“.
Konkret verglich das Finanzministerium die US-Zahlen mit jenen in Japan, wo die Produktion unter Pandemie-Vorniveau liege – und mit Deutschland wo, die „realen Neubauausgaben für Fabrik- und Werkstattgebäude im letzten Jahrzehnt relativ stabil geblieben“ seien. „Der Boom im Fabrikbau, der die USA erfasst hat, findet in anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften nicht statt“, so das Finanzministerium.
Unter Biden haben die USA die größten industriepolitischen Investitionen aller Zeiten beschlossen. Im Sommer 2021 brachte der US-Kongress ein knapp eine Billion Dollar schweres Infrastrukturpaket auf den Weg. Im August 2022 unterzeichnete der US-Präsident das gigantische Halbleiter-Förderprogramm „CHIPS Act“, das 280 Milliarden US-Dollar in die Chip-Industrie spült.
Wenige Tage später folgte der „Inflation Reduction Act“, kurz IRA, Bidens industriepolitisches Prestige-Projekt. Der IRA pumpt knapp 370 Milliarden US-Dollar in die Fertigungsindustrie, mit einem Schwerpunkt auf grüne Zukunftstechnologien.
Biden wurde in Chicago von einer schwer verräucherten Luft empfangen, die Schwaden der kanadischen Waldbrände schweben seit Wochen über Teilen der USA. Biden erklärte, er mache den Klimawandel für Extremwetter und Feuer verantwortlich. „In den USA werden Sie nicht erleben, dass ein neues Kohlekraftwerk gebaut wird“, kündigte er an.
Irak statt Ukraine: Versprecher prägen Bidens Wahlkampf
In vielen Regionen der USA sorgen die Subventionen für einen Aufschwung. „Wenn man sich die Energiepreise und höhere Inflation in Europa ansieht, dann ist der US-Markt mehr denn je die beste Wahl“, sagte Pat Wilson, Chef der Chef der Wirtschaftsentwicklung des US-Bundesstaats Georgia, dem Handelsblatt.
Booster
650
Milliarden Dollar
pumpt die Biden-Regierung mit den Förderprogrammen „CHIPS Act“ und „Inflation Reduction Act“ in die US-Industrie.
Der Südosten der USA profitiert besonders vom Investitionsboom. „74 Prozent unserer Investitionen in der ersten Hälfte dieses Haushaltsjahres kommen aus dem Ausland. Normalerweise sind es in einem vergleichbaren Zeitraum 25 bis 30 Prozent“.
Wenn er nach Deutschland reist, „ist jeder Unternehmer, mit dem ich spreche, auf der Suche nach einer Expansion in den USA“, erzählt Wilson. Zwar seien die USA schon vor Bidens Reformen der größte, stabilste Verbrauchermarkt der Welt gewesen. „Doch jetzt brennt das Feuer schneller und heißer denn je“.
Zwar sind die Inflationsraten in den USA noch immer hoch, doch der Jobmarkt boomt und die Löhne steigen: Während Bidens Präsidentschaft haben die USA 13 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen. „Made in America ist kein Slogan, es passiert tatsächlich“, sagte Biden weiter. „Wir sehen Bidenomics in Aktion“.
In den USA werden Sie nicht erleben, dass ein neues Kohlekraftwerk gebaut wird. US-Präsident Joe Biden
Doch die Erfolge spiegeln sich bislang nicht in Bidens Beliebtheit wieder. Über 54 Prozent der US-Amerikaner sind unzufrieden mit Biden, wie der aktuelle Umfragedurchschnitt der Analyse-Website FiveThirtyEight zeigt. Der Negativ-Trend hat sich in den vergangenen Wochen verstärkt.
Biden hat vor einigen Wochen die Kampagne für seine Wiederwahl im November 2024 eingeläutet. Doch öffentliche Auftritte des Präsidenten sind nicht ohne Risiko: Der 80-jährige Demokrat, der sich als junger Mann das Stottern abtrainierte, verwechselt gelegentlich Namen und Orte.
Vergangene Woche setzte er Chinas Staatschef Xi Jinping mit einem Diktator gleich. Zuvor sagte er bei einem Auftritt ohne ersichtlichen Zusammenhang: „Gott schütze die Queen“. Am Mittwoch, wenige Stunden vor seiner Rede in Chicago, sagte er vor Reportern, dass der russische Präsident Wladimir Putin „den Krieg im Irak eindeutig verliert“.
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