Berlin/Hamburg CDU und CSU wollen die maritime Wirtschaft schützen und dazu ähnliche Instrumente nutzen, wie sie die amerikanische Regierung einsetzt, um die Produktion im Bereich Energie und Klimaschutz zu stärken. In einem Antrag fordert die größte Oppositionsfraktion im Bundestag die Regierung auf, europäische Förderprogramme zum Bau neuer Schiffe an „verbindliche Wertschöpfungsklauseln oder Klauseln zur Produktion in der EU“ zu koppeln.
Ebenso plädieren CDU und CSU für ein europäisches Flottenerneuerungsprogramm, „das durch die europäische Schiffbauindustrie umgesetzt wird und in der EU eine deutliche Antwort Europas auf die staatlichen Wettbewerbsverzerrungen durch Asien darstellt“.
Die Union greift mit ihrem Vorstoß die Sorgen der Branche auf. Nach Angaben des Verbands Schiffbau und Meerestechnik (VSM) gingen im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte aller Aufträge für zivile Schiffe nach China. Fast 40 Prozent der Aufträge erhielten Werften in Südkorea.
Die Forderung der Union ist Teil eines 95 Punkte umfassenden Maßnahmenkatalogs von CDU und CSU, den der Bundestag an diesem Donnerstag gleich zu Beginn seiner Sitzung beraten wird. Der Antrag liegt dem Handelsblatt vor. Er beinhaltet die Forderung, Fahrrinnen zu den Seehäfen, sei es nun an der Außen- oder der Unterweser und der Ems, „anzupassen“. Eine Vertiefung der Elbe fordert die Union nicht, stattdessen aber zumindest „die Solltiefen in der Fahrrinne der Elbe sicherzustellen“.
Grundsätzlich sollen wichtige Maßnahmen zum überragenden öffentlichen Interesse erklärt werden. Ein entsprechendes Beschleunigungsgesetz berät der Bundestag. Es sieht bisher auf Drängen der Grünen keine herausragende Stellung von Schifffahrtsprojekten vor. Die FDP versucht noch, Änderungen zu erreichen.
CDU und CSU begründen ihren Vorstoß mit der Krise, in der sich die Branche mit ihren rund 200.000 Beschäftigten befindet. Die deutschen Seehäfen – allen voran Hamburg – verlieren zunehmend Marktanteile an die Konkurrenz in Rotterdam und Antwerpen.
Auch die polnischen Häfen und im Mittelmeer machen den heimischen Seehäfen zu schaffen. 2022 sank hierzulande der Güterumschlag mit insgesamt 279,1 Millionen Tonnen um 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr, der Containerumschlag nahm um 6,3 Prozent ab. Gemessen am Vorkrisenniveau des Jahres 2019 war die Tonnage um 4,9 Prozent rückläufig. Insbesondere der Ausfall der russischen Schiffstransporte über die Ostsee trifft Deutschlands Seehäfen.
Überbordende Abfertigungskosten in den Seehäfen, die Coronapandemie wie auch der Ukrainekrieg haben die Krise noch verschärft. „Aus allen Branchen der maritimen Wirtschaft hören wir Alarmsignale“, sagte Michael Grosse-Brömer, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses, dem Handelsblatt. Der CDU-Politiker forderte die Ampelkoalition auf, „endlich gegenzusteuern“ und die maritime Wirtschaft mit einer „Maßnahmenoffensive zu unterstützen“. Dazu sollen auch Bundesbürgschaften gehören.
Infrastruktur für autonom fahrende Schiffe
CDU/CSU fordern ebenso, ein flächendeckendes 5G-Netz entlang der Wasserwege, an Häfen und im Küstenbereich zu schaffen, „weil dies eine zentrale Grundlage für die Entwicklung einer autonomen Schifffahrt ist“. Auch schlagen sie vor, „die deutschen Häfen zu ertüchtigen“ und diese zur „Drehscheibe der Energiewende“ auszubauen.
Dazu gehören Flüssiggas- wie Wasserstoffterminals und auch die Möglichkeit, Dienstleistungen für Windanlagen auf dem Meer (Offshore) auszubauen. In vielen Fällen sollen Bundesbürgschaften möglich sein, um etwa Projekte wie riesige Umspannwerke auf dem Meer abzusichern.
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Bisher fehlt die öffentliche Unterstützung in diesem Bereich. Weil deutsche Gerichte entsprechende Planungen in Bremerhaven stoppten und der notwenige Ausbau in Cuxhaven nur schleppend vorankommt, machen Deutschlands Nachbarländer inzwischen das Rennen bei Offshore-Dienstleistungen. Insbesondere im dänischen Esbjerg und im niederländischen Eemshaven hat sich eine übermächtige Konkurrenz versammelt.
Öffentliche Gelder fließen in Deutschland dagegen vorzugsweise in die heimische Werftenindustrie – insbesondere, um in den meist strukturschwachen Gebieten Arbeitsplätze zu sichern. Deutschlands Werftenindustrie, die sich im Schwerpunkt auf den Bau von Kreuzfahrtschiffen spezialisiert hat, geriet durch Abbestellungen während der Coronapandemie ins Trudeln. Der Staat sprang mit umfangreichen Finanzhilfen ein.
Standortnachteil durch deutsche Steuergesetze
Aus der maritimen Wirtschaft kommt dagegen eine Forderung, die den deutschen Fiskus deutlich weniger kosten würde: So verlangt der Zentralverband der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) gemeinsam mit zahlreichen Kammern und Logistikanbietern, die Regeln bei der deutschen Einfuhrumsatzsteuer zu ändern.
Für die Seehäfen und ihre Kunden gilt als Ärgernis, dass deutsche Importeure die Umsatzsteuer bereits unmittelbar bei der Gütereinfuhr zu entrichten haben. Erst beim Weiterverkauf der Waren können sie die Beträge bei den Landesfinanzverwaltungen als Vorsteuer anmelden, um sie gegebenenfalls erstattet zu bekommen. In Deutschland ansässigen Importeuren entzieht dies regelmäßig wertvolle Liquidität.
Weil Nachbarländer wie die Niederlande, Belgien oder Polen die Einfuhrumsatzsteuer erst beim Weiterverkauf der Importwaren erheben, was Experten als „Verrechnungsmodell“ bezeichnen, besitzen deutsche Häfen seit Jahren einen veritablen Standortnachteil. „Viele Unternehmen überlegen sich zweimal, ob sie Produkte über Deutschland in die EU einführen, wenn das in den Nachbarstaaten einfacher und attraktiver ist“, beobachtet ZDS-Hauptgeschäftsführer Daniel Hosseus.
Die Unionsfraktion hat die Forderung aufgegriffen und fordert auch, „die Einfuhrumsatzsteuer hin zum sogenannten Verrechnungsmodell zu reformieren, um Wettbewerbsnachteile für die deutschen Seehäfen zu vermeiden“.
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