Jun 30, 2023
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Krawalle in Frankreich: Macron-Staatsbesuch in Deutschland steht auf der Kippe

Written by Gregor Waschinski

Paris Offiziell rechnet die Bundesregierung weiter damit, dass Emmanuel Macron von Sonntag bis Dienstag als erster französischer Präsident seit mehr als 20 Jahren zum Staatsbesuch nach Deutschland kommt. Von der Reise nach Baden-Württemberg, Berlin und Sachsen sollte nicht zuletzt das Zeichen ausgehen, wie eng die Verbindungen zwischen den beiden Nachbarländern trotz der jüngsten Meinungsverschiedenheiten sind. Macron war zwar schon mehrfach in Deutschland, allerdings bislang ohne alle protokollarischen Ehren eines Staatsbesuchs.

Die innenpolitische Lage in Frankreich könnte den Präsidenten jedoch zu einer kurzfristigen Absage zwingen. Nach dem Tod eines Jugendlichen bei einem Polizeieinsatz in einem Pariser Vorort wurden mehrere Städte in den vergangenen Nächten von schweren Krawallen erschüttert. Französische Regierungskreise schlossen eine Verschiebung am Freitag nicht aus. Die Entscheidung dürfte spätestens am Samstag fallen.

Derzeit ist jedenfalls schwer vorstellbar, dass Macron bei einem Staatsbankett in Schloss Bellevue speist, während im eigenen Land die Vororte brennen. Als im März die Proteste gegen Macrons Rentenreform eskalierten, verschob der Élysée-Palast auch kurzfristig einen Staatsbesuch des britischen Königs Charles III. in Frankreich – aus Sorge, welches Signal ein pompöser Auftritt in eine explosive Lage hineinsenden könnte.

Auslöser der Unruhen war der Tod eines Jugendlichen nordafrikanischer Abstammung bei einem Polizeieinsatz: Der 17-jährige Nahel war Dienstag am Steuer eines Autos bei einer Kontrolle gestoppt worden. Ein Video zeigt, wie ein Polizist mit seiner Waffe auf den Fahrer zielt und abdrückt, als das Fahrzeug plötzlich beschleunigt. Der Beamte befindet sich in Untersuchungshaft, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts auf Totschlag.

In den darauffolgenden Nächten geriet die Situation im Großraum Paris und in anderen Städten des Landes zunehmend außer Kontrolle: Randalierer steckten Autos und Mülltonnen in Brand, auch an Polizeirevieren und Rathäusern legten sie Feuer. Die Ordnungskräfte lieferten sich Straßenschlachten mit meist jungen Demonstranten, von denen einige auch Geschäfte verwüsteten und plünderten.

Macron bei Krisensitzung

Der französische Präsident nimmt die Eltern der meist jugendlichen Randalierer in die Pflicht.


(Foto: dpa)

Landesweit waren 40.000 Polizisten im Einsatz. Hunderte Menschen wurden allein in der Nacht von Donnerstag auf Freitag festgenommen. Die Sorge der Behörden ist groß, dass die Ausschreitungen am Wochenende weiter eskalieren.

Für den Freitagabend wurde der öffentliche Nahverkehr in mehreren Städten eingeschränkt. Im Großraum Paris wurden die traditionellen Feste zum Ende des Schuljahres abgesagt.

Macrons Regierung berät sich bei Krisensitzung

Die französische Premierministerin Élisabeth Borne schloss nicht aus, den Notstand zu verhängen, um „die republikanische Ordnung im gesamten Gebiet“ wiederherzustellen. Am Freitagnachmittag kam die französische Regierung zu einer Krisensitzung zusammen.

Macron hatte dafür den EU-Gipfel in Brüssel vorzeitig verlassen. Der Präsident hatte den Tod von Nahel als „nicht zu erklären und nicht zu entschuldigen“ bezeichnet, zeigte sich aber auch entschlossen, gegen die Gewalt auf den Straßen vorzugehen.

Feuerwehreinsatz bei Krawallen in Nanterre

In dem Pariser Vorort Nanterre wurde ein 17 Jahre alter Autofahrer bei einer Polizeikontrolle erschossen.


(Foto: dpa)

Nach dem Treffen wandte sich Macron an die Eltern der jungen Demonstranten. Ein Drittel der Festgenommenen in der vergangenen Nacht seien Jugendliche, sagte der Präsident. „Ich appelliere an das Verantwortungsbewusstsein der Mütter und Väter. Die Republik ist nicht dazu berufen, an ihre Stelle zu treten.“

In Berlin sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit: „Wir sehen natürlich da im Augenblick mit einer gewissen Sorge, was sich da in Frankreich zuträgt.“ Zu einer möglichen Absage von Macrons Staatsbesuch lagen der Bundesregierung demnach keine Informationen vor.

Laut dem offiziellen Programm werden Macron und seine Frau Brigitte am Sonntagabend in Ludwigsburg bei Stuttgart erwartet. Vor dem Residenzschloss der Stadt wollte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Staatsgäste am Montagmorgen mit militärischen Ehren empfangen.

Nach tödlicher Polizeikontrolle: Unruhen in Frankreich weiten sich aus

Im Ehrenhof des Schlosses hatte der damalige Präsident Charles de Gaulle 1962 seine historische „Rede an die Jugend“ gehalten, die den Weg zum Élysée-Vertrag über die deutsch-französische Freundschaft im darauffolgenden Jahr ebnete. Geplant war in Ludwigsburg auch eine Veranstaltung, die den Grundstein für eine deutsch-französische Zusammenarbeit bei Förderung und Regulierung von Künstlicher Intelligenz legen sollte.

Entscheidung über Staatsbesuch wohl am Samstag

Anschließend wollten Steinmeier und Macron sich in Berlin mit Jugendlichen aus Deutschland, Frankreich und der Ukraine treffen. Am Montagabend war dann ein Staatsbankett im Schloss Bellevue geplant. Am Dienstagmorgen wollten der Bundespräsident und sein Staatsgast mit dem Zug nach Dresden weiterfahren.

In der sächsischen Landeshauptstadt stand ein Besuch des Fraunhofer-Instituts für Photonische Mikrosysteme auf dem Programm. Als Höhepunkt des Staatsbesuchs war schließlich eine Rede Macrons über die deutsch-französische Zusammenarbeit und deren Bedeutung für Europa geplant.

Doch ob der Ablauf tatsächlich so stattfinden wird, war am Freitagnachmittag unklar. Offenbar will sich der Élysée-Palast mit einer Entscheidung über eine mögliche Verschiebung noch bis Samstag Zeit geben, um den Verlauf der Nacht in den französischen Städten abzuwarten.

Mehr: So versuchen Paris und Berlin, sich einander wieder anzunähern



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