Berlin Die Bau- und Wohnungswirtschaft warnen davor, dass das Ziel der Regierung, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu schaffen, auf Jahre unerreichbar bleibt. Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW rechnet mit weiter abnehmenden Wohnungsbauzahlen bis zu einer Fertigstellungszahl von nur 200.000 neuen Wohnungen jährlich. „Unter den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen können die sozial orientierten Wohnungsunternehmen nicht mehr in bezahlbaren Wohnungsbau investieren“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko am Montag in Berlin.
Dabei ist die Zahl der fertiggestellten Wohnungen bereits heute weit entfernt vom Ziel der Bundesregierung. Die Wohnungswirtschaft rechnet für 2023 mit 242.000 fertiggestellten Wohnungen und lediglich 214.000 Wohnungen im Jahr 2024. Im vergangenen Jahr waren noch 295.300 Wohnungen fertiggestellt worden.
„Enorm gestiegene Baupreise, Verschlechterungen der Konditionen und Kürzungen in Förderprogrammen sowie die rapide gestiegenen Zinsen fordern ihren Tribut“, sagte Gedaschko. Die Investitionen der im GdW und seinen Regionalverbänden organisierten Unternehmen in den Wohnungsneubau seien 2022 um 8,5 Prozent auf neun Milliarden Euro zurückgegangen.
Bei den GdW-Unternehmen seien 2022 noch gut 32.000 Wohnungen fertiggestellt worden, ein Plus von zwölf Prozent – was der GdW gleichzeitig als Zeichen eines nahenden Absturzes wertet. „Wegen der abrupten Stopps verschiedener Fördermaßnahmen und der stark verschlechterten neuen Rahmenbedingungen haben die Unternehmen bei den in Bau und Planung befindlichen Vorhaben einen Schlussspurt hingelegt, um die Vorhaben noch über die Ziellinie zubringen“, erklärte Gedaschko. Die GdW-Prognose für 2023: sinkende Fertigstellungszahlen um fast ein Viertel.
Die Lage sei kritisch. „Unternehmen verschieben geplante Bauprojekte oder können diese angesichts des Marktumfeldes nicht mehr umsetzen und müssen diese stornieren – selbst, wenn sie bereits genehmigt sind“, sagte Gedaschko.
Nettokaltmiete von 18 Euro pro Quadratmeter wäre wirtschaftlich
Der GdW beruft sich auf Modellrechnungen auf Grundlage von Daten der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE). Diese zeigen: In angespannten Wohnungsmärkten werden sich die gesamten Herstellungskosten einer Wohnung von Mitte 2021 bis Ende 2023 um 38 Prozent verteuert haben. In entspannteren Wohnungsmärkten liegt die Kostensteigerung mit 29 Prozent nur wenig darunter, vor allem aufgrund der niedrigeren Grundstückskosten.
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Gedaschko sagt: „Mit den Investitionsmitteln des Jahres 2021 könnten also Ende 2023 statt 100 Wohnungen nur 73 Wohnungen in angespannten Wohnungsmärkten und 78 Wohnungen in entspannten Wohnungsmärkten errichtet werden.“
Laut GdW müsste bei einer neu gebauten Wohnung die notwendige Nettokaltmiete mittlerweile bei gut 18 Euro pro Quadratmeter liegen, um wirtschaftlich umsetzbar zu sein. „Solche Neubaumieten kann sich in Deutschland kaum einer leisten“, sagte Gedaschko. Deswegen unterbleibe der Mietwohnungsbau.
1973: Allein im früheren Bundesgebiet gut 714.000 Wohnungen gebaut
Dabei zeigt die Historie, dass in Deutschland phasenweise deutlich mehr Wohnungen gebaut wurden. Seit Beginn der Baustatistik im Jahr 1950 wurden durchschnittlich 405.000 neue Wohnungen pro Jahr gebaut. Das zeigt eine aktuelle Auswertung historischer Daten durch das Statistische Bundesamt anlässlich seines 75-jährigen Bestehens.
Demnach erreichte der Wohnungsbau 1973 mit gut 714.000 fertiggestellten Wohnungen im früheren Bundesgebiet seinen höchsten Stand. Nach der deutschen Wiedervereinigung war 1995 das Rekordjahr mit rund 602.800 neuen Wohnungen im gesamtdeutschen Bundesgebiet.
Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), warnte vergangene Woche vor einer zunehmenden Unterauslastung in den Betrieben. Nach Daten des Statistischen Bundesamts wurden von Januar bis April 2023 insgesamt 89.900 Baugenehmigungen für Wohnungen erteilt. Das waren 27,3 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
„Diese Talfahrt schlägt sich auch in den Auftragsbüchern der Bauunternehmer nieder“, sagte Pakleppa. Die Unternehmen hätten in den vergangenen Jahren erfolgreich Beschäftigung aufgebaut. „Jetzt macht es ihnen die zunehmende Unterauslastung immer schwerer, den Beschäftigungsstand zu halten.“ Wenn die Fachkräfte dauerhaft verloren gingen, bleibe das Wohnungsbauziel von jährlich 400.000 Wohnungen „auf Jahre unerreichbar“.
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Die Bauunternehmen sehen sich auch mit einer Vielzahl von Regulierungen und bürokratischen Hürden konfrontiert. Das beobachtet auch Thomas Reimann, Präsident des Baugewerbeverbands Hessen. „Diese führen zu Verzögerungen, höheren Kosten und am Ende wieder zu einer Verschärfung des Wohnraummangels“, sagt der Unternehmer. Es brauche dringend Deregulierung.
Ein wichtiger Aspekt dabei seien die Bauordnungen. „Jedes Bundesland hat eine eigene“, so Reimann. Das bedeute für Bauunternehmen, die in verschiedenen Bundesländern Aufträge ausführen, einen erheblichen Mehraufwand. „Doch warum muss der Brandschutz in Thüringen anders gestaltet sein als der in Hessen?“
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