Tokio Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) stärkt Japan in einem schwierigen außenpolitischen Konflikt den Rücken. Trotz Protesten vieler anderer Pazifikanrainer, japanischer Fischer und Demonstrationen in Südkorea segnete die Behörde am Dienstag den diplomatisch umstrittensten Teil des japanischen Rettungsplans für das 2011 havarierte Atomkraftwerk Fukushima 1 ab.
Die IAEA bewertet die Einleitung von mehr als einer Million Tonnen des auf dem Kraftwerksgelände gelagerten Kühlwassers als unproblematisch. Das Wasser ist zwar dekontaminiert, aber immer noch mit radioaktivem Tritium belastet.
Tritium, ein bestimmtes Wasserstoffisotop, ist ein Betastrahler, der in den Körper gelangen muss, um gefährlich zu werden. Das Molekül fällt weltweit in Atomkraftwerken an und muss daher regelmäßig entsorgt werden.
Japans Plan entspreche den „einschlägigen internationalen Sicherheitsstandards“, erklärte IAEA-Chef Rafael Grossi im Abschlussbericht einer mehrjährigen Untersuchung, den er am Dienstag dem japanischen Regierungschef Fumio Kishida übergab. Zudem stellte die IAEA fest, dass die vom Betreiber Tepco geplante kontrollierte und langsame Abgabe des Wassers „vernachlässigbare radiologische Auswirkungen auf Mensch und Umwelt“ haben werde.
Für die japanische Regierung und Tepco ist der Bericht ein wichtiger Schritt bei der Bewältigung einer der größten Atomkatastrophen weltweit. Nach einem schweren Erdbeben zerstörte 2011 ein gewaltiger Tsunami vier der sechs Reaktoren des Atomkraftwerks Fukushima. In drei Meilern kam es zu Kernschmelzen. Mehr als 100.000 Menschen mussten evakuiert werden.
Kontaminiertes Kühlwasser ist weiter Risiko
Inzwischen hat sich die Situation verbessert. Arbeiter können sich seit Jahren ohne Schutzanzüge auf einem Großteil des Geländes bewegen. Eines der größten Risiken ist nach wie vor das kontaminierte Kühlwasser aus den Reaktoren. Zwar filtert Tepco mit Anlagen 62 von 64 radioaktiven Isotopen aus dem Wasser. Nur gelingt dies mit dem Kohlenstoffisotop C-14 und eben Tritium nicht.
Nachdem Tepco bereits über 1000 Tanks auf dem AKW-Gelände errichtet hat, wird der Lagerplatz knapp. Deshalb will Tepco das Wasser nun kontrolliert ins Meer ablassen, was in der Atomindustrie weithin Usus ist. Dem japanischen Wirtschaftsministerium zufolge liegt das Radioaktivitätsniveau des Wassers weit unter den Niveaus anderer Atomanlagen.
Entsorgung von verstrahltem Kühlwasser löst Diskussionen aus
Um den Menschen die Angst zu nehmen, wird das Tritiumwasser verdünnt und über Jahrzehnte durch einen Tunnel einen Kilometer vor der Küste ins Meer geleitet. Tepco verspricht, dass das eingeleitete Wasser nach der Verdünnung sogar unter den Grenzwerten für Radioaktivität im Trinkwasser liegen wird.
Tepco-Plan wird in Asien zum Politikum
Eine Expertenmeinung ist, dass Tritium und C-14 im Pazifik tatsächlich so stark verdünnt würden, dass keine Gefahr für andere, Tausende Kilometer entfernte Küsten bestünde. Doch Tepcos Plan lässt die Kritiker nicht verstummen.
Die lokalen Fischer befürchten, dass sie ihren Fang wieder nicht verkaufen können, weil viele Kunden doch Angst vor verstrahlten Fischen haben könnten. Wissenschaftler, die eine Koalition von 18 Pazifikanrainerstaaten beraten, halten die Folgen einer langfristigen Einleitung geringer Dosen, etwa eine Anreicherung in der Nahrungskette, für nicht ausreichend geklärt.
Auch China ist noch nicht zufrieden. Der chinesische Botschafter in Japan, Wu Jianghao, wiederholte am Dienstag den Standpunkt Pekings. „Die japanische Seite sagt, dass alle Atomkraftwerke der Welt Abwasser einleiten, aber dieses Wasser ist nicht mit einem geschmolzenen Reaktorkern in Kontakt gekommen“, sagte Wu auf einer Pressekonferenz.
Darüber hinaus erklärte die chinesische Botschaft, dass die IAEA nicht das optimale Gremium sei, um die langfristigen Auswirkungen von Abwassereinleitungen auf Umwelt und Gesundheit zu beurteilen. China warf Japan vor, andere Formen der Entsorgung nicht ausreichend untersucht zu haben.
In Südkorea haben sich unterdessen viele Bürger aus Angst vor einer Verstrahlung des koreanischen Meersalzes sogar mit Salz eingedeckt. Ende Juni gab die Regierung deshalb sogar Meersalz aus Reserven frei, um den Salzpreis zu drücken. So hochpolitisch ist die Angelegenheit bei Japans Nachbarn.
Koreanische Linke nutzt Japans Plan für Innenpolitik
Tatsächlich ist Japans Plan zu einem weiteren Spielball im Kampf zwischen dem konservativen südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol und der linken Opposition geworden. Die Linke, die Yoons Annäherungskurs an Japan scharf angreift, wirft dem Nachbarn teilweise sogar „nuklearen Terrorismus“ vor. Yoon versucht dagegen, den Südkoreanern die Angst vor dem Tritiumwasser zu nehmen.
Eine Simulation des Korean Institute of Ocean Science and Technology kam im Februar zu dem Ergebnis, dass die Auswirkungen der Ferneinleitung zu gering wären, um in koreanischen Gewässern gemessen zu werden. Zudem überzeugte Yoon die japanische Regierung, eine koreanische Expertenkommission die Situation untersuchen zu lassen. Der Bericht wird in Kürze erwartet.
Auch IAEO-Chef Grossi wird Überzeugungsarbeit leisten. Er reist am Freitag zu einem dreitägigen Besuch nach Südkorea. Er habe Verständnis für die Sorgen der Nachbarn, sagte er, sehe es aber nicht als seine Aufgabe an, die Länder von der Entscheidung Japans zu überzeugen. Das müsse Regierungschef Kishida selbst tun. Der IAEO-Bericht wird dabei ein wichtiges Instrument der japanischen Diplomatie werden.
Mehr: Gemeinsame Gegner schweißen Südkorea und Japan zusammen
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