Jul 5, 2023
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Politpoker mit der Türkei: Letzte Hoffnung USA – Wie Schwedens Premier um die Nato-Mitgliedschaft kämpft

Written by Helmut Steuer


Ulf Kristersson

Der schwedische Regierungschef unternimmt vor dem Nato-Gipfel einen letzten Anlauf, um die Türkei umzustimmen.

(Foto: IMAGO/Le Pictorium)

Stockholm Es ist ein letzter Versuch des schwedischen Regierungschefs Ulf Kristersson, die Türkei doch noch umzustimmen. Es ist sein letzter Anlauf, den schwedischen Nato-Beitritt vor dem Gipfeltreffen des nordatlantischen Verteidigungsbündnisses kommende Woche in Litauens Hauptstadt Vilnius auf den Weg zu bringen.

Kristersson reist am Mittwoch zu einem Kurzbesuch nach Washington, um sich von US-Präsident Joe Biden Unterstützung für die Verhandlungen mit der Türkei zusichern zu lassen. Bei seinem Amtsantritt im vergangenen Oktober hatte der 59-Jährige den Nato-Beitritt seines Landes zur Chefsache erklärt.
Doch schnell musste der konservative Politiker die Erfahrung machen, dass Recep Tayyip Erdogan ein schwieriger Gegner ist, einer, der sich nicht so schnell durch gutes Zureden überzeugen lässt. Schweden erfülle nicht seine Forderungen, argumentierte der türkische Regierungschef.

Das Land lasse Koranverbrennungen zu und unterstütze „Terrororganisationen“ wie die kurdische Arbeiterpartei PKK. Neben der Türkei verweigert sich allein noch Ungarn dem schwedischen Beitrittsgesuch, allerdings wartet Budapest offensichtlich auf die türkische Entscheidung.
Der schwedische Regierungschef weiß, dass der Schlüssel für den Nato-Beitritt seines Landes in Washington liegt. Denn die Türkei möchte seit Langem US-Kampfjets vom Typ F-16 kaufen. Bislang haben die USA einem solchen Geschäft aber nicht zugestimmt.

Beobachter in den USA und Schweden glauben, dass Erdogans Verweigerungshaltung ein politischer Poker ist: Sollte Washington dem türkischen Regierungschef die Flugzeuge verkaufen, könnte er im Gegenzug seine Blockade des schwedischen Nato-Beitritts aufgeben.

>> Lesen Sie dazu auch: Die Türkei nähert sich der Ratifizierung des schwedischen Nato-Antrags
Kristerssons USA-Reise ist laut Jan Hallenberg, Professor am Institut für Außenpolitik in Stockholm, ein deutliches Zeichen an die Türkei. „Das absolut wichtigste Signal vor dem Gipfel in Vilnius ist es, zu zeigen, dass alle anderen 28 Nato-Mitglieder inklusive der USA dafür sind, dass Schweden ein vollwertiges Nato-Mitglied wird“, erklärte er der schwedischen Nachrichtenagentur TT.
Tatsächlich wäre ein schwedischer Beitritt für das Verteidigungsbündnis von enormer Bedeutung. Schon durch die im April vollzogene Aufnahme Finnlands war die Sicherheit im Ostseeraum verstärkt worden, Schwedens Beitritt zur Nato würde diesen Effekt noch einmal verstärken. Finnland und Schweden hatten kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine ihre jahrzehntelange Neutralitätspolitik aufgegeben und die Nato-Mitgliedschaft beantragt.

US-Kampfjet F-16

Experten gehen davon aus, dass Erdogan um dieses US-Flugzeug pokert.

(Foto: AP)

Schon früh jedoch hatte die Türkei Bedenken vor allem gegen den schwedischen Beitritt geäußert. Ankara stellte für seine Zustimmung Bedingungen, etwa die Wiederaufnahme von Waffenlieferungen und die Auslieferung türkischer Staatsbürger, die in der Türkei als Terroristen gesucht werden.

Finnland und Schweden einigten sich nach längeren Verhandlungen mit der Türkei auf ein Abkommen, um die Einwände Ankaras auszuräumen. Doch schon kurz darauf erneuerte Erdogan seine Kritik an Schweden.
Das Land gewähre „PKK-Terroristen“ Unterschlupf, behauptete er. Dazu veröffentlichte er eine Liste mit über 100 Namen von PKK-Mitgliedern, die Schweden an die Türkei ausliefern sollte. In Schweden stieß diese Forderung auf Unverständnis. „Wir haben alles getan, was wir können und wollen“, erklärte Regierungschef Kristersson unter Verweis auf schwedisches Recht.

Dennoch kam Schweden der Türkei entgegen. So verabschiedete das Land ein neues Terrorgesetz, das seit Anfang dieses Monats in Kraft ist und die Anwerbung, Finanzierung und Ausbildung von Rebellen unter Strafe stellt. Außerdem liefert Schweden wieder Waffen an die Türkei.
Für Ulf Kristersson war damit die Forderung der Türkei erfüllt. Doch nach einer neuen und von der Polizei unter Hinweis auf die Meinungsfreiheit genehmigten Demonstration inklusive Koranverbrennung vor gut einer Woche in Stockholm folgte erneut scharfe Kritik aus Ankara.

„Die Tatsache, dass die Schändung des Korans unter Polizeischutz in Schweden stattfand, ist eine Katastrophe“, sagte Erdogan am Montag nach einer Kabinettssitzung.

Recep Tayyip Erdogan

Der türkische Regierungschef blockiert bislang einen schwedischen Nato-Beitritt.


(Foto: dpa)

Bei dem Thema sind sich weite Teile der türkischen Gesellschaft einig. Außerdem kommt in türkischen Medien immer wieder die Enttäuschung über mutmaßlich mangelnde Bündnishilfe für den Nato-Partner Türkei hoch. Die konservative türkische Regierung erhält für ihre kritische Haltung gegenüber der Koranverbrennung in Stockholm zudem Unterstützung aus anderen Ländern der Weltregion.
Dagegen kann sich Kristersson der Unterstützung von US-Präsident Biden sicher sein. Schweden müsse „so bald wie möglich“ der Nato beitreten, teilte das Weiße Haus mit. Im Hintergrund versucht die US-Regierung zu schlichten – und die Türkei davon zu überzeugen, ihre Blockade aufzugeben.

Vergangene Woche telefonierte US-Außenminister Antony Blinken mit dem türkischen Außenminister Hakan Fidan, um in der Sache zu vermitteln. Die Spannungen zwischen der Türkei und Schweden werden in Washington zunehmend als Problem betrachtet.

„Ich möchte darüber jetzt nicht reden“, antwortete Biden vergangene Woche kurz angebunden, als er auf den Konflikt angesprochen wurde. Auch Ulf Kristersson wirkt mittlerweile fast schon genervt, wenn es um das leidige Thema geht. „Die Entscheidung liegt in der Türkei, wir haben unsere Aufgaben erledigt“, sagte er.
Mitarbeit: Annett Meiritz und Ozan Demircan.

Mehr: Der Nato-Gipfel in Vilnius könnte eine Zäsur werden



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