Washington Ein Telefonat zwischen Washington und Kiew am Donnerstagabend soll Klarheit in einer lang diskutierten Frage gebracht haben: US-Verteidigungsminister Lloyd J. Austin habe dem ukrainischen Verteidigungsminister Oleksii Reznikov „ein Update der amerikanischen Sicherheitsunterstützung“ gegeben, hieß es in einer Mitteilung des Pentagon.
Worum es sich dabei genau handelte, ließ das Ministerium offen. Doch wie die Nachrichtenagentur AP berichtet, wollen die USA der Ukraine erstmals Streubomben zur Verfügung stellen. Die US-Regierung von Präsident Joe Biden habe beschlossen, die Ukraine mit Streumunition zu beliefern, schrieb AP unter Berufung auf Regierungskreise.
Voraussichtlich am Freitag werde es eine offizielle Ankündigung geben. Tausende Streubomben seien demnach Teil eines neuen Militärhilfepakets. Die „New York Times“ schrieb ebenfalls von einer „anstehenden Ankündigung“ zu Streubomben-Lieferungen.
Kiew fordert schon länger die Entsendung sogenannter Dual-Purpose Conventional Improved Munitions (DPICM). Diese Streumunition, die in mehr als 120 Ländern verboten ist, setzt eine große Anzahl kleinerer „Bomblets“ frei, die wahllos über einem breiten Gebiet landen. Wegen der hohen Zahl ziviler Todesopfer sind Streubomben international geächtet, auch die Europäische Union (EU) lehnt den Einsatz ab.
Nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz hinterlassen manche Streumunitionsträger bis zu 40 Prozent Blindgänger, die zunächst nicht explodieren und später Menschen töten können. Pentagon-Sprecher Pat Ryder erklärte am Donnerstag, es gäbe noch keine endgültige Entscheidung über die Lieferungen.
Biden würde damit Exportbeschränkungen umgehen
Das Verteidigungsministerium verfüge über „mehrere Varianten“ der Munition, so Ryder. Die in Erwägung gezogene Variante würde eine deutlich geringere Blindgängerquote aufweisen, die „nicht höher als 2,35 Prozent“ betrage. Moderne Streubomben könnten damit unbeabsichtigte Todesfälle unter der Zivilbevölkerung vermeiden.
Laut der „Washington Post“ legt der US-Kongress zwar seit dem Jahr 2017 fest, dass die USA keine Streubomben mit einer Blindgängerrate über einem Prozent produzieren oder verbreiten dürften. Biden würde diese Vorgabe mittels des sogenannten Foreign Assistance Act umgehen, schreibt die Zeitung. Der US-Präsident sei befugt, Beschränkungen bei Waffenexporten auszuhebeln, wenn das „für die Sicherheit der Interessen der Vereinigten Staaten von entscheidender Bedeutung ist“.
In die Debatte um amerikanische Streubomben war nach der Revolte des russischen Söldnerchefs Jewgeni Prigoschin und seiner Wagner-Armee Bewegung gekommen. Der Putschversuch wurde im Weißen Haus als zusätzliches Eskalationspotenzial in einem ohnehin unberechenbaren Krieg gewertet. Nach den Ereignissen in Moskau rückte verstärkt in den Fokus, welche Mittel die USA bereitstellen könnten, um den Krieg womöglich schneller beenden zu können. Den Einsatz taktischer Raketen oder amerikanischer Kampfjets lehnt die Biden-Regierung bislang ab.
„Unsere Militäranalysten haben bestätigt, dass DPICMs vor allem gegen hartnäckige russische Stellungen auf dem Schlachtfeld nützlich wären“, erklärte Laura Cooper, Staatssekretärin im Pentagon, bei einer Anhörung im US-Kongress.
Streubomben wären eine effiziente Option und würden vor allem die bestehenden Waffenvorräte der USA nicht weiter belasten, sagte sie weiter. Biden musste schon mehr als 40 Mal die US-Waffendepots anzapfen, um den Verschleiß in der Ukraine abfedern zu können. Die Belastung der Rüstungsindustrie im Zuge des Ukraine-Kriegs dürfte auch Thema sein beim Nato-Gipfel in Vilnius, der in der kommenden Woche stattfindet.
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