Berlin Nach monatelangen Verhandlungen haben sich Bund und Länder auf gemeinsame Eckpunkte für eine Krankenhausreform geeinigt. „Es ist eine Art Revolution“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Montagnachmittag nach den Verhandlungen. „Wir lösen das System der Fallpauschale ab durch das System der Vorhaltepauschale.“ 14 Bundesländer stimmten demnach für das Vorhaben. Schleswig-Holstein wiederum enthielt sich, Bayern votierte dagegen.
Durch die Vorhaltepauschale sollen Kliniken künftig Geld dafür erhalten, dass sie Leistungen anbieten – selbst dann, wenn sie diese nicht durchführen. „Die Krankenhäuser sind nicht mehr gezwungen, so viele Leistungen wie möglich zu erbringen“, sagte Lauterbach. Der „ökonomische Druck“ falle weg.
Zudem würden nur Kliniken die Pauschale erhalten, die bestimmte Qualitätskriterien erfüllen – etwa bei Ausstattung und Personal. „Die Patienten können sich darauf verlassen, dass die Behandlungen auch nötig sind und aufwendige Leistungen in Spezialzentren erbracht werden.“ Dies soll verhindern, dass Kliniken Operationen anbieten, ohne die nötigen Kriterien dafür zu erfüllen. Die Eckpunkte sehen hier allerdings auch Ausnahmen vor, um „eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten“, wie es in dem Papier heißt.
Lauterbach plant darüber hinaus auch ein „Transparenzgesetz“, mit dem Daten zur Behandlungsqualität aller Kliniken im Jahr 2024 veröffentlicht werden sollen. Dies werde der Bund für sich machen. Ziel ist dabei auch, die Verteilung der Leistungsgruppen und die Einteilung in Versorgungsstufen („Level“) deutlich zu machen.
Lauterbach warnt vor Klinikpleiten
Über eine stärker steuernde Funktion der Levels gab es keine Einigkeit. Gemeint sind mit den Levels Einordnungen des Kliniknetzes in Stufen – von der wohnortnahen Grundversorgung über eine zweite Stufe mit weiteren Angeboten bis zu Maximalversorgern wie Universitätskliniken.
Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sprach von einem „weiten Weg“. Erstmals kamen Bund und Länder vor mehreren Wochen für Beratungen zusammen, eine Einigung musste zuletzt wegen Kritik der Länder verschoben werden. Er gehe davon aus, dass der Konsens im Bundestag und Bundesrat die nötige Mehrheit erhalte, sagte Laumann. Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) wiederum sagte, dass im Detail noch diskutiert werden müsse.
Ziel ist, dass die Reform zum 1. Januar 2024 in Kraft tritt. Danach erhalten die Länder Zeit, das Gesetz umzusetzen. Frühestens könnte dann im Jahr 2026 das neue Vergütungssystem gelten, sagte Lauterbach. „Bis die Reform wirklich wirkt, werden noch sehr viele Krankenhäuser in die Insolvenz gehen.“ Wegen der angespannten Haushaltslage des Bundes könne er keine Hoffnungen auf weitere Mittel machen, die dies verhindern könnten.
Dieser Punkt war den Ländern besonders wichtig. Sie drängten im Vorfeld auf zusätzliche Gelder, um angeschlagene Einrichtungen bis zur Reform finanziell zu stützen. Im Papier heißt es dazu, es würde geprüft, ob „weitere Maßnahmen zur Liquiditätssicherung auch in Bezug auf Tarif- und Inflationsentwicklung der Krankenhäuser außerhalb des Bundeshaushalts notwendig sind“. Grund für die teils schwierige finanzielle Lage ist auch, dass viele Bundesländer ihren Investitionszusagen in den vergangenen Jahren nicht nachgekommen sind.
Der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, mahnte, es dürfte kein „unkontrolliertes Kliniksterben“ geben. Dies führe zu Wartelisten und Versorgungsengpässen. „Dort, wo Krankenhausstandorte wegfallen oder umgestaltet werden sollen, muss die Politik die Bevölkerung von Anfang an mitnehmen und konkret und transparent erläutern, wie die Gesundheitsversorgung in Zukunft sichergestellt wird“, forderte Gaß.
Die gesetzlichen Krankenkassen wiederum äußerten die Sorge, dass die Qualitätsvorgaben für die Kliniken nicht umgesetzt werden könnten. „Am Ende muss eine Reform stehen, die die stationäre Versorgung tatsächlich voranbringen wird“, sagte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, dem Handelsblatt.
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„Es besteht die Gefahr, dass zu viele Abstriche in Sachen Qualität gemacht werden, die auf Kosten der Patientinnen und Patienten gehen.“ Die Leistungsgruppen seien aus Sicht der Kassen das zentrale Element der Reform. „Sie sollten allerdings auf der Bundesebene vorgegeben werden – ohne faule Kompromisse auf Kosten von Qualität und Patientensicherheit.“
Mehr: „Rufschädigend“ für Krankenhäuser: Länder stellen sich gegen Lauterbachs Reform
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