Berlin Die Trockenheit in Deutschland wird zu einer Belastung für die Binnenschifffahrt. Der Grund: Die Wasserstände vieler Flüsse sind so niedrig, dass Schiffe sie nur langsamer und mit weniger Ladung befahren können. Das führt zu höheren Transportkosten.
Als Gradmesser für die Bewertung der Lage am Rhein, der wichtigsten deutschen Wasserstraße, gilt der Pegelstand in Kaub. Der Ort bei Koblenz nahe dem Loreley-Felsen im Unesco-Welterbe Oberes Mittelrheintal ist ein wichtiges Nadelöhr der gesamten Rheinschifffahrt. Dort sank zuletzt der Pegelstand auf 103 Zentimeter, wie aus Daten der Schifffahrtsgenossenschaft DTG hervorgeht. Wasserstände von unter 135 Zentimetern bedeuten hier, dass große Containerschiffe ihre Ladung spürbar reduzieren müssen – teils um die Hälfte.
Nordrhein-Westfalens Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) sagte dem Handelsblatt: „Der Rhein ist die Lebensader der deutschen Wirtschaft.“ Seine Schiffbarkeit sei Wohlstandserhalt und Klimaschutz zugleich. „Ohne Wasser kein Schiff, ohne Schiff keine Wirtschaft, ohne Wirtschaft keine Verkehrswende.“ Hier eine Übersicht über die Lage:
Welche Bedeutung hat der Rhein für die Wirtschaft?
Nach Angaben des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) ist der Rhein die mit Abstand wichtigste und verkehrsreichste Binnenwasserstraße in Europa. Rund 80 Prozent des Güterverkehrs in der Binnenschifffahrt finden auf dieser internationalen Magistrale statt, die die westlichen Seehäfen mit dem Hinterland verbindet.
Für deutsche Unternehmen spielt der Rhein eine wichtige Rolle bei der Versorgung vor allem mit Kohle, Öl, Chemikalien, Steine, Metalle und Agrargüter. Die Güter stehen am Anfang vieler Produktionsketten, sodass Ausfälle bei deren Transport zu Produktionsbehinderungen in nachgelagerten Produktionsstufen führen können.
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2022 wurden nach Daten des Statistischen Bundesamts auf den deutschen Binnenwasserstraßen insgesamt 182 Millionen Tonnen Güter transportiert. Das war das niedrigste Transportaufkommen seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990.
„Mit ursächlich für diesen Tiefststand dürften Rückgänge in der Produktion wichtiger Transportgüter sowie das Niedrigwasser im August 2022 sein“, heißt es. Seit 2018 verzeichnet der Rhein regelmäßig Niedrigwasser.
Was sind die Gründe für das Niedrigwasser?
Niedrigwasser sei ein in Mitteleuropa nahezu jährlich – allerdings in unterschiedlichem Ausmaß – wiederkehrendes Phänomen, heißt es bei der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG). Es sei grundsätzlich witterungs- oder jahreszeitlich bedingt, abhängig unter anderem von Niederschlägen im Frühjahr und Sommer sowie Schneefall im Winter. Diese wiederum werden von der Klimakrise beeinflusst. Derzeit sieht die BfG die Wasserstände der Bundeswasserstraßen „unter den saisonalen Durchschnittswerten der vergangenen Jahre“.
Umweltpolitiker Krischer ist überzeugt davon, dass die Klimakrise auch in den nächsten Jahren immer häufiger für Dürreperioden sorgen werde. Er mahnt deswegen eine „Entwicklungsperspektive bis 2030“ an. Drei Punkte sind für ihn wesentlich: eine an Niedrigwasser angepasste Schiffsflotte, einen Plan gegen den Wassermangel am Rhein und bessere Ablademöglichkeiten.
Sind wegen des Niedrigwassers negative Auswirkungen auf die Wirtschaft zu erwarten?
Bei Niedrigwasser kommt es an den Bundeswasserstraßen zur Verengung der Fahrrinne, sagte die BfG. Infolgedessen sinken Fahrtgeschwindigkeit und Ladekapazitäten der Schiffe. „Damit muss für die gleiche Ladungsmenge mehr Schiffsraum in vorhandenen oder auch zusätzlich gecharterten Schiffen zur Verfügung gestellt werden.“
Gerade bei länger andauernden Niedrigwasserperioden komme es zu einer Verknappung der verfügbaren freien Kapazitäten an Schiffsraum, was zu einer überproportionalen Steigerung von Transportkosten führt.
Marc Schattenberg, Analyst bei Deutsche Bank Research, hält die Entwicklung der Wasserstände am Rhein für „besorgniserregend“, da die Pegel deutlich unter dem zehnjährigen Durchschnitt liegen. „Sollten sich die Pegel den Tiefstständen von 2018 oder 2022 annähern oder diese erreichen, könnte dies durchaus die Erholung der deutschen Wirtschaft beeinträchtigen“, sagte Schattenberg dem Handelsblatt.
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Stefan Kooths, Konjunkturchef des Kieler Instituts IfW, erklärte, man sehe bislang „noch keinen gravierenden Effekt wie zu der Niedrigwasserperiode im Jahr 2018“, auch wenn es erste Einschränkungen für die Schifffahrt gebe. Momentan lägen die Wasserstände an der Messstelle Kaub „noch ein gutes Stück über der von uns als kritisch identifizierten Marke von 78 Zentimetern“.
Hinzu komme, dass insbesondere die Chemieproduktion, aber auch andere energieintensive Bereiche, die die Wasserwege nutzen, infolge der Energiekrise ihre Produktion ohnehin schon deutlich eingeschränkt hätten, „sodass weniger Wertschöpfung im Feuer steht“.
Zudem seien vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus dem Jahr 2018 schon Anpassungsmaßnahmen ergriffen worden. So würden etwa Spezialschiffe eingesetzt, die auch bei niedrigeren Wasserständen fahren könnten. „Insgesamt dürfte damit der produktionsbehindernde Effekt gesamtwirtschaftlich noch nicht sehr bedeutsam sein“, betonte Kooths.
Vor allem die Chemieindustrie ist auf die Binnenschiffe angewiesen. Wie wappnet sie sich?
Seit dem extremen Niedrigwasser im Rhein 2018 hat sich die Industrie auf weitere trockene Jahre vorbereitet. „Die Unternehmen haben die Lage im Griff“, sagte Ulrike Zimmer, Bereichsleiterin Technik und Umwelt im Verband der Chemischen Industrie (VCI), dem Handelsblatt. Als Beispiel nennt sie optimierte Transportkonzepte. „Auch die Wasserstands-Vorhersagen der Behörden sind zuverlässiger geworden, sodass sich die Firmen kurzfristiger auf niedrige Wasserpegel einstellen können“, erläuterte Zimmer.
„Dennoch ist nicht alles auf Kurs“, fügte die Expertin mit Blick auf den Aktionsplan „Niedrigwasser Rhein“ hinzu, den die Bundesregierung vor vier Jahren vorgestellt hatte. „Die Engstellen am Mittel- und Niederrhein müssen schnellstmöglich beseitigt werden – und nicht erst 2037.“ Ursprünglich sollte dies im Jahr 2033 umgesetzt sein.
Was macht die BASF?
Der Chemiekonzern BASF fertigt an seinem größten Werk am Stammsitz in Ludwigshafen rund 40 Prozent des ein- und ausgehenden Transportvolumens über den Fluss ab – täglich entspricht das der Ladung von 15 Binnenschiffen. „Der Rhein ist eine wichtige Verkehrsader für uns“, sagte eine Sprecherin dem Handelsblatt.
Nach Firmenangaben hat die BASF nach 2018 gemeinsam mit der Bundesanstalt für Gewässerkunde ein digitales Frühwarnsystem für Niedrigwasser mit einer Vorwarnzeit von bis zu sechs Wochen umgesetzt. Zusätzlich wurde die Anzahl der für die BASF exklusiv im Charter fahrenden für Niedrigwasser geeigneten Schiffe verdoppelt. Flaggschiff ist die „Stolt Ludwigshafen“, die seit Ende April in Betrieb ist. In der Vergangenheit hatte ein geringer Wasserstand zum zeitweisen Produktionsstopp in Ludwigshafen geführt, was hohe Kosten für BASF nach sich zog.
Leider verzögere sich die Umsetzung des „enorm wichtigen Projekts Abladeoptimierung Mittelrhein“. Mit dem Projekt sollen lokale Engpässe in der Tiefe des Rheins beseitigt werden. Das Projekt ist ein Vorhaben im Bundesverkehrswegeplan, kommt jedoch nach BASF-Meinung nur schleppend voran. „Wir appellieren an die Bundesregierung, dieses für alle vom Rhein abhängigen Industriebranchen äußerst wichtige Projekt so schnell wie möglich umzusetzen“, so die Sprecherin.
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