Berlin Am Mittwochmorgen um 5.12 Uhr ist es so weit: Ab dann arbeiten die Bürger – rein rechnerisch – für das eigene Portemonnaie. Bis dahin wurde das gesamte Einkommen für Steuern und Abgaben an den Staat abgeführt. Das ist zumindest die Kalkulation des Steuerzahlerbunds, der in diesem Jahr am 12. Juli seinen traditionellen „Steuerzahlergedenktag“ ausruft.
Mit der Aktion will die Steuerzahlerlobby auf die aus ihrer Sicht zu hohe Belastung der Bürger hinweisen. Der Steuerzahlergedenktag lege offen, dass trotz der Entlastungspakete immer noch mehr als die Hälfte des von Arbeitnehmern erwirtschafteten Einkommens staatlich umverteilt und verwaltet werde, sagte Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahlerbunds.
Der Verband berechnet die Belastung auf Basis von repräsentativen Haushaltsumfragen des Statistischen Bundesamts. Die mehr als 22 Millionen Arbeitnehmerhaushalte (Arbeiter, Angestellte und Beamte) bestehen demnach im Durchschnitt aus 2,3 Personen. Das Gesamteinkommen des repräsentativen Haushalts beträgt nach Kalkulation des Steuerzahlerbunds in diesem Jahr 7113 Euro pro Monat.
In einem zweiten Schritt berechnet der Verein die Überweisungen an den Staat. Der repräsentative Haushalt zahlt demnach 855 Euro Einkommensteuer sowie 2254 Euro als Sozialversicherungsbeiträge (Anteil Arbeitnehmer und Arbeitgeber). Hinzu kommen noch indirekte Steuern, etwa die Umsatz-, Grund- oder Kraftfahrzeugsteuer. Sie summieren sich auf 637 Euro monatlich.
Damit beträgt die Belastung für den Durchschnittshaushalt insgesamt 3746 Euro. So ergibt sich eine Steuerquote von 52,7 Prozent und rechnerisch ein Steuerzahlergedenktag am 12. Juli.
Belastung ist leicht gesunken
Der Steuerzahlerbund hat die Belastung auch nach Haushaltstypen unterschieden. Bei den allein lebenden Arbeitnehmern ist die Belastung höher: Im Durchschnitt werden sie mit 53,7 Prozent besteuert – ihr Steuerzahlergedenktag fällt erst auf den 15. Juli. Für Mehrpersonenhaushalte ist er bereits am 11. Juli – hier liegt die Belastungsquote bei 52,4 Prozent.
Die Belastung ist aber im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken. 2022 waren es für einen Durchschnittshaushalt noch 53 Prozent und der Gedenktag war erst am 13. Juli. So machen sich unter anderem die Steuererleichterungen durch den Abbau der kalten Progression bemerkbar oder etwa der Wegfall der EEG-Umlage. Sie haben andere neue Belastungen wie etwa höhere Zusatzbeiträge zur Krankenversicherung oder den steigenden Pflegebeitrag mehr als ausgeglichen.
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„Die Belastungen sind weiter sehr hoch“, sagt Holznagel. Politisches Ziel müsse sein, die Belastungsquote unter die 50-Prozent-Marke zu drücken. Holznagel fordert eine Reform der Einkommensteuer.
Zudem sieht er bei den Sozialversicherungsbeträgen Handlungsbedarf. Im Gesundheitswesen müsse man auch über Ausgaben sprechen. Als Beispiel nennt er die Krankenhausreform. Auch die Zahl der gesetzlichen Krankenkassen sei zu hoch.
DIW kritisiert Berechnung des Steuerzahlerbunds
An den Berechnungen und der Ausrufung eines Steuerzahlergedenktags gibt es auch immer wieder Kritik. So moniert Stefan Bach, Steuerexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), dass die Sozialbeiträge komplett einberechnet werden. Dabei stehen ihnen individuelle Leistungen gegenüber, etwa bei der Rente.
Wer mehr in die Rentenkasse einzahlt, bekommt im Alter eine höhere Rente. Und würde er nicht in die gesetzliche Versicherung einzahlen, müsste er privat vorsorgen.
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Auch der Steuerzahlerbund streitet nicht ab, dass den Zahlungen staatliche Leistungen gegenüberstehen. „Mit Steuern, Abgaben und Zwangsbeiträgen werden wichtige Leistungen für die Bürger finanziert“, sagt Holznagel. „Selbstverständlich haben sie in der ersten Jahreshälfte nicht umsonst gearbeitet – zum Großteil fließen die Steuer- und Beitragszahlungen in Form von staatlichen Leistungen direkt oder indirekt an die Bürger zurück.“
Man wolle aber offenlegen, wie hoch die Belastung sei. „Wenn also mehr als die Hälfte des persönlichen Einkommens mit Steuern und Abgaben belegt wird, belastet das den wirtschaftlichen Motor unseres Gemeinwesens und das Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen“, sagt Holznagel. „Somit fordern wir eine Diskussion darüber, ob diese hohe Belastung gerechtfertigt ist und ob die zahlreichen Leistungen sowie die Systeme selbst effizient sind.“
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In diesem Punkt ist sich Holznagel mit Bach einig. Auch der DIW-Experte hält es für sinnvoll, über das Niveau und die Qualität der staatlichen Leistungen zu diskutieren, die den Steuern und Abgaben gegenüberstehen. „Da müssen wir besser werden“, so Bach.
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