Berlin Das Bundeskabinett soll noch im Juli die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie beschließen. Das erfuhr das Handelsblatt aus Verhandlungskreisen. Mit dem Beschluss will die Bundesregierung den Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft in den kommenden Jahren vorantreiben.
Die aktualisierte Fassung, auf die sich die beteiligten Ministerien jetzt verständigt haben, wurde dem Nationalen Wasserstoffrat zur Stellungnahme zugeleitet. Die gemeinsame Fassung der Ministerien trägt das Datum 10. Juli. Sie liegt dem Handelsblatt vor.
Damit endet ein monatelanger Streit, denn die neue Version der Strategie sollte eigentlich schon längst beschlossene Sache sein. Doch lange gab es insbesondere zwischen den Ressorts Wirtschaft und Verkehr unterschiedliche Auffassungen.
Das grüne Wirtschaftsministerium wollte den Einsatz von klimaneutralem Wasserstoff ursprünglich im Wesentlichen auf den Einsatz in der Industrie, im Flug-, Schwerlast- und Schiffsverkehr sowie zum Betrieb von Back-up-Kraftwerken beschränken, die immer dann zum Einsatz kommen sollen, wenn Wind und Sonne nicht ausreichend Strom liefern.
Das FDP-geführte Verkehrsministerium dagegen hatte gefordert, Wasserstoff müsse auch im Verkehrssektor breite Anwendung finden und ebenso zur Wärmeerzeugung eingesetzt werden.
Wichtigere Rolle für E-Fuels
Nun heißt es im Update der Strategie, im Verkehrssektor seien „die Elektrifizierung mit Batterie und Brennstoffzelle sowie der Einsatz strombasierter erneuerbarer Kraftstoffe neben Verkehrsreduzierung und -verlagerung die zentralen Hebel für das Erreichen der Klimaschutzziele“. Strombasierte erneuerbare Kraftstoffe, die sogenannten E-Fuels, werden auf Basis von klimaneutral erzeugtem Wasserstoff hergestellt.
Weiter heißt es in der Fortschreibung, Wasserstoff und seine Derivate seien „ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige klimafreundliche Mobilität und ergänzen andere alternative Antriebsformen“. So könne der Verkehrssektor auch als Treiber zur Skalierung einer Wasserstoffwirtschaft beitragen.
Zur Beheizung von Gebäuden heißt es, für die perspektivische Nutzung von Wasserstoff bei der Wärmeversorgung würden die Rahmenbedingungen aktuell im Gebäudeenergiegesetz (GEG), in der Wärmeplanung und im europäischen Gasmarktpaket weiterentwickelt.
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Die Nationale Wasserstoffstrategie wurde im Juni 2020 noch von der Vorgängerregierung vorgestellt. Hintergrund ist das Ziel, Deutschland bis 2045 zu einer klimaneutralen Volkswirtschaft zu machen. Klimaneutraler Wasserstoff spielt dabei eine Schlüsselrolle. Er kann überall dort den Weg zur Klimaneutralität ebnen, wo Strom aus erneuerbaren Quellen keine Lösung darstellt. Das ist etwa in der Stahl-, Chemie- und Zementindustrie der Fall. Firmen müssen Prozesse, die aktuell noch mit Gas, Öl oder Kohle betrieben werden, auf wasserstoffbasierte Verfahren umstellen. Auch im Schwerlast-, Flug- und Schiffsverkehr gibt es auf dem Weg zur Klimaneutralität aus heutiger Sicht keine Alternative zum Wasserstoff.
In vielen Industriebereichen wird die klimaneutrale Produktion vorerst nur mit Wasserstoff möglich sein.
(Foto: imago images/Frank Ossenbrink)
Verschiedenen Prognosen zufolge wird die Nachfrage nach klimaneutralem Wasserstoff in den kommenden Jahren rasant steigen. In der Fortschreibung der Wasserstoffstrategie heißt es daher, die Bundesregierung wolle den Markthochlauf von Wasserstofftechnologien deutlich beschleunigen „und das Ambitionsniveau entlang der gesamten Wertschöpfungskette massiv“ steigern.
Wasserstoff-Startnetz soll spätestens 2028 fertig sein
Damit es genug Wasserstoff gibt, soll das Ziel für die heimische Elektrolysekapazität im Jahr 2030 von fünf Gigawatt (GW) auf „mindestens zehn GW“ erhöht werden. Damit greift die Fortschreibung der Strategie einen Passus aus dem Koalitionsvertrag auf.
Besonderes Augenmerk legen die beteiligten Ministerien auf den Aufbau einer leistungsfähigen Wasserstoffinfrastruktur. In der Strategie heißt es dazu, bis 2027/2028 werde ein „Wasserstoffstartnetz mit mehr als 1800 Kilometern umgestellten und neu gebauten Wasserstoffleitungen in Deutschland aufgebaut“. Europaweit kämen 4500 Kilometer hinzu. Bis 2030 seien „alle großen Erzeugungs-, Import- und Speicherzentren mit den relevanten Abnehmern verbunden“.
Von einer staatlichen Beteiligung an einem Wasserstoffnetz ist in der Fortschreibung nicht mehr die Rede. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte mit einer entsprechenden Forderung heftige Diskussionen ausgelöst, war aber zuletzt davon abgerückt. Die Betreiber der Erdgasfernleitungen erarbeiten aktuell Pläne für das Wasserstoffnetz. Sie gehen dabei sogar deutlich über die 1800 Kilometer des Startnetzes hinaus.
Zudem sollen einheitliche Rechtsvorschriften insbesondere bei Planung und Genehmigung das Marktwachstum voranbringen. Dazu gehöre auch eine „ausreichend ausgestattete und auf allen Ebenen koordinierte Verwaltung“, heißt es in dem Papier.
Bundesregierung kündigt Importstrategie für Wasserstoff an
Eine separate Importstrategie für Wasserstoff soll die Verfügbarkeit absichern, dazu ist eine eigene Strategie geplant. In den vergangenen Monaten hat die Bundesregierung bereits verschiedene Wasserstoffpartnerschaften mit anderen Staaten besiegelt. Ziel ist es, Lieferbeziehungen mit potenziellen Lieferanten von grünem Wasserstoff aufzubauen.
Entscheidendes Vehikel dafür ist die von der Bundesregierung mit 4,4 Milliarden Euro ausgestattete Stiftung „H2 Global“. Diese schließt einerseits langfristige Abnahmeverträge im Ausland, um Wasserstoffproduzenten Planungs- und Investitionssicherheit zu geben. Andererseits vereinbart sie Verkaufsverträge, um den Bedarf an grünem Wasserstoff zu bedienen. Dieser wird zu möglichst niedrigen Preisen angekauft und anschließend an den Abnehmer veräußert, der den höchsten Preis zahlt. Sofern dabei in den ersten Jahren ein Verlust entsteht, wie derzeit erwartet, soll die Stiftung ihn aus den Fördermitteln des Wirtschaftsministeriums ausgleichen.
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