Berlin Die Gefahr einer Rezession der deutschen Wirtschaft bis in den Spätsommer hinein ist einer Studie zufolge sprunghaft gestiegen. Für den Zeitraum von Juli bis Ende September sei die Wahrscheinlichkeit dafür auf 78,5 Prozent nach oben geschnellt, teilte das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) am Mittwoch mit.
Im Juni lag sie noch bei 49,3 Prozent. Der nach dem Ampelsystem arbeitende IMK-Indikator steht damit auf „rot“. Das signalisiert eine akute Rezessionsgefahr. Der Indikator bündelt Daten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Kenngrößen.
„Die deutsche Wirtschaft erholt sich sehr viel zögerlicher von der Rezession zur Jahreswende 2022/2023, als es viele Prognostikerinnen und Prognostiker erwartet hatten“, sagte der wissenschaftlicher Direktor des IMK, Sebastian Dullien. „Im Gesamtjahr 2023 dürfte das deutsche Bruttoinlandsprodukt nun spürbar unter dem Vorjahreswert liegen.“ In seiner aktuellen Konjunkturprognose geht das IMK von einem Rückgang um 0,5 Prozent aus.
Um konjunkturelle Schadensbegrenzung zu betreiben, fordert das Institut die Europäische Zentralbank (EZB) zu einem Verzicht auf weitere Zinserhöhungen auf. „In dieser Gemengelage sind die Risiken einer zu restriktiven Geldpolitik, wie sie die EZB für ihre kommende Leitzinsentscheidung Ende Juli schon in Aussicht gestellt hat, für die deutsche Wirtschaft erheblich“, sagte IMK-Experte Thomas Theobald.
Die stark gestiegenen Zinsen hätten Konjunktur und Nachfrage bereits so deutlich gebremst, dass davon keine Inflationsimpulse ausgingen. Die Notenbank sollte deshalb von der für Juli angekündigten und von weiteren Zinserhöhungen vorerst absehen.
Das Bruttoinlandsprodukt ist im vierten Quartal 2022 um 0,5 Prozent geschrumpft, im folgenden ersten Quartal 2023 noch einmal um 0,3 Prozent. Damit steckt Europas größte Volkswirtschaft in einer sogenannten technischen Rezession. Die schwache Weltwirtschaft, die maue Baukonjunktur und die Kaufzurückhaltung der Verbraucher infolge der hohen Inflation gelten als Gründe dafür.
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