Berlin In der Ampelkoalition werden Forderungen laut, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Speisen in der Gastronomie dauerhaft fortzuführen. „Auch wenn die Gastronomie wieder bei etwa 90 Prozent ihres Umsatzes vor Corona ist, bin ich für eine Beibehaltung des ermäßigten Steuersatzes“, sagte der Co-Chef der SPD-Linken, Sebastian Roloff, dem Handelsblatt. Die Umsatzsteuermindereinnahmen in Höhe von jährlich gut 3,3 Milliarden Euro ab dem Jahr 2024 müssten dann an anderer Stelle erwirtschaftet werden.
Aus Rücksicht auf die Branche hält auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr eine Verlängerung der Mehrwertsteuersenkung für geboten. „Die Rückkehr zum vollen Satz würde auch kleine mittelständische Restaurants sehr treffen“, sagte er am Dienstag im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Es gilt eben, die Schwerpunkte richtig zu setzen.“ Die Union hatte sich unter dem Hinweis auf die Unsicherheit vieler Betriebe ähnlich positioniert.
Die Große Koalition hatte in der Coronapandemie eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer im Gastrobereich beschlossen, um Betrieben durch die Krise zu helfen. Die Ampelfraktionen hatten kurz vor der Sommerpause im zuständigen Finanzausschuss des Bundestags eine Senkung der Mehrwertsteuer über dieses Jahr hinaus aber abgelehnt.
Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga nannte die Zahl von 12.000 Betriebsschließungen, sollte wieder eine Mehrwertsteuer von 19 statt derzeit sieben Prozent einbehalten werden müssen. Der Verband sprach von „existenziellen Ängsten“, die in der Gastronomie- und Hotelbranche zunähmen.
Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ab 2024 wäre „eine Katastrophe mit fatalen Folgen“ für Betriebe, Gäste und die Tourismuswirtschaft in Deutschland, sagte Dehoga-Präsident Guido Zöllick. Zum Beleg verwies er auf eine Umfrage unter rund 9600 Mitgliedsbetrieben. Danach erklärten fast 96 Prozent der Unternehmer, dass sie ihre Preise erhöhen würden, wenn die Senkung der Mehrwertsteuer nicht verlängert werde.
Ökonomen gegen Dauer-Entlastung der Gastronomie
Der SPD-Politiker Roloff fürchtet vor diesem Hintergrund, dass sich die Preisentwicklung weiter beschleunigen könnte. Die vielerorts deutlichen Preiserhöhungen mit Folgen für Verbraucher und Gäste „würden wir nur anheizen“, warnte er. „Eine Rückkehr zum höheren Steuersatz würde in gewissem Umfang also inflationstreibend wirken.“
Führende Ökonomen halten dennoch nichts davon, den bestehenden ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen dauerhaft zu entfristen. „Die Steuersenkung war eine Maßnahme, die in der Pandemie ergriffen wurde, um die von der Krise gebeutelte Gastronomie zu stützen“, sagte der Präsident des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, dem Handelsblatt. „Die Pandemie ist lange vorbei, also sollte die Hilfsmaßnahme enden.“
Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sieht keine Notwendigkeit, die temporäre Mehrwertsteuersenkung nun dauerhaft umzusetzen. „In der Coronapandemie war die Gastronomie durch die Schließungen besonders hart getroffen und die Mehrwertsteuersenkung daher gerechtfertigt“, sagte er.
„Aber in der heutigen Situation gibt es keinen guten Grund, weshalb die Gastronomie dauerhaft von einer Mehrwertsteuersenkung profitieren sollte, andere Branchen wie Hotels oder Geschäfte im Einzelhandel dagegen nicht.“ Die Wirtschafts- und Energiekrise mache eine Beendigung dieser „bevorzugten Behandlung der Gastronomie“ notwendig, da der Staat Einsparungen vornehmen müsse.
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Einen Anstieg der Preise infolge der höheren Mehrwertsteuer hält Fratzscher für verkraftbar. Die Gastronomie habe in den vergangenen Jahren „die Preise bereits sehr deutlich erhöht, sodass meine Vermutung ist, dass die Preise sich nur geringfügig erhöhen werden“, sagte der DIW-Chef. Zudem gehe er davon aus, dass die wirtschaftliche Erholung auch die Nachfrage für die Gastronomie wieder deutlich stärken werde, „was die Erhöhung der Mehrwertsteuer in etwa kompensieren sollte“.
Ifo-Chef Fuest erwartet ebenfalls einen inflationstreibenden Effekt. „Die Mehrwertsteuererhöhung würde voraussichtlich teilweise auf höhere Preise überwälzt, teilweise müsste sie von den Unternehmen getragen werden“, sagte er. „Das würde die Inflation leicht erhöhen.“ Wenn das die Sorge sei, könne man die allgemeine Mehrwertsteuer von derzeit 19 Prozentpunkten im Ausgleich um einen Punkt senken. Grundsätzlich seien jedoch einheitliche Umsatzsteuersätze richtig.
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