Berlin Kurz vor der erwarteten Vorlage des zweiten Rentenpakets der Bundesregierung melden die Grünen erneut Zweifel an der geplanten kapitalgedeckten Säule an – dem Generationenkapital. Das bisher bekannte Konzept des Finanzministeriums werfe nach aktuellem Stand gravierende finanzielle, beihilferechtliche und verfassungsrechtliche Fragen auf, sagt der rentenpolitische Sprecher der Grünen, Markus Kurth.
„Insgesamt ist deshalb bis zu einer zufriedenstellenden Beantwortung dieser Fragen noch offen, ob das Vorhaben in der aktuell bekannten Form umgesetzt werden kann“, erklärt Kurth.
Mit dem zweiten Rentenpaket will die Ampelkoalition neben der Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent auch das Generationenkapital aufbauen, das die FDP anfangs unter dem Begriff Aktienrente ins Spiel gebracht hatte.
Laut Koalitionsvertrag soll eine öffentlich-rechtliche Stelle zehn Milliarden Euro am Kapitalmarkt anlegen, beispielsweise in Aktien. Mit den Erträgen will die Regierung ab Mitte des kommenden Jahrzehnts die Belastung der Rentenkassen durch den Renteneintritt der geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge abfedern.
Wie aus Regierungskreisen zu erfahren ist, sind sich der federführende Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) weitgehend einig – auch darüber, dass es nicht bei den zehn Milliarden Euro für den Kapitalstock bleiben soll. Doch das von Robert Habeck (Grüne) geführte Bundeswirtschaftsministerium meldet noch Bedenken.
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Auch der Rentenexperte der Partei ist noch nicht überzeugt. Kurth, Mitglied im Arbeits- und Sozialausschuss sowie im Haushaltsausschuss des Bundestags, hat ein Gutachten beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags in Auftrag gegeben. Und auch wenn die Gutachter vorsichtig formulieren, lassen sich aus ihrem Bericht verfassungsrechtliche Bedenken herauslesen.
Die Mittel für die geplante kapitalgedeckte Säule nimmt zunächst der Bund als Kredit auf, um sie anschließend an die Stiftung weiterzugeben, die das Generationenkapital als rechtlich selbstständiges Sondervermögen verwalten soll. Solche Sondervermögen außerhalb des Bundeshaushalts sind zwar zulässig, aber nur, wenn ihr Zweck nicht vor allem darin liegt, die in der Verfassung geregelte Schuldenbremse zu umgehen.
So wie sich die FDP das Generationenkapital vorstelle, erfülle das Sondervermögen aber keine eigenen Sachaufgaben wie zum Beispiel eine Sparkasse oder eine städtische Wohnungsbaugesellschaft, sondern diene ausschließlich der Finanzierung von Bundesaufgaben, nämlich der Stabilisierung der Rentenversicherung. Zudem übernehme der Bund eine Haftung für den Kapitalstock. „Damit wird wahrscheinlich das Umgehungsverbot der Schuldenbremse gebrochen“, sagt Kurth.
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Juristen wie Thomas Weck von der Frankfurt School of Finance & Management äußern darüber hinaus beihilferechtliche Bedenken. Denn der geplante Staatsfonds müsse als Wettbewerber beispielsweise von privaten Altersvorsorgeanbietern gesehen werden, die ebenfalls am Kapitalmarkt agieren.
Sollte aber die Stiftung Generationenkapital so angelegt werden, dass sie Vorteile gegenüber den privaten Akteuren hat, dann wären das verbotene staatliche Beihilfen. So hat Finanzminister Lindner bereits angekündigt, dass der Bund im Verlustfall oder bei schlechter Rendite für den Fonds einspringen soll.
Auch würde die Stiftung bevorzugt, wenn sie über den Bund Kredite zu Zinsen aufnehmen kann, die unter den marktüblichen Konditionen für andere Anbieter liegen. Hier drohen also Kollisionen mit dem EU-Beihilferecht.
Neben den verfassungs- und beihilferechtlichen Bedenken stellen sich für den Grünen-Politiker Kurth aber auch finanzielle Fragen. Wenn das Stiftungskapital vollständig kreditfinanziert sein solle, müssten durch Wertsteigerungen des Portfolios und Dividenden mindestens die Zinskosten erwirtschaftet werden, um nominal keinen Verlust zu machen, sagt er.
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Das Geld sei also nur dann sinnvoll investiert, wenn nach Abzug der Zinsen eine Rendite oberhalb der Inflationsrate erreicht werde. Um keinen Verlust zu machen, müsse die Rendite also aktuell oberhalb von vier Prozent liegen. Das Finanzministerium nennt sogar acht Prozent Rendite als Ziel, wenn das Generationenkapital einen nennenswerten Beitrag zur Stabilisierung der Rentenfinanzen leisten soll.
„Ein Element der Kapitaldeckung im Umlagesystem müsste ein gewaltiges Finanzvolumen im mittleren dreistelligen Milliardenbereich haben, um überhaupt spürbare dämpfende Effekte auf den Beitragssatz zu erzielen“, sagt Kurth. Ein Beitragssatzpunkt entspricht gut 17 Milliarden Euro jährlich.
Statt eine zusätzliche kapitalgedeckte Säule aufzubauen, sollte die Bundesregierung lieber alles dafür tun, um das Erwerbspersonenpotenzial bestmöglich auszuschöpfen und so die Beitragseinnahmen der Rentenversicherung zu erhöhen, sagt der Grünen-Rentenexperte. Das gelinge beispielsweise durch alters- und alternsgerechte Arbeitsbedingungen mit Weiterbildung oder mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit und beim Übergang in den Ruhestand.
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