Jul 14, 2023
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Klimaneutralität: Turbinen-Hersteller wollen Gaskraftwerke mit CO2-Speicherung kombinieren

Written by Klaus Stratmann


Baustelle für ein Gaskraftwerk

Die Industrie will nicht auf die Verfügbarkeit von Wasserstoff warten und schlägt andere Ansätze vor.


(Foto: dpa)

Berlin Die Hersteller von Gasturbinen haben Zweifel, dass der von der Politik gewünschte Betrieb ihrer Anlagen mit klimaneutralem Wasserstoff schon in den nächsten Jahren möglich ist.

Sie gehen davon aus, dass der Wasserstoff gar nicht zur Verfügung steht. Darum fordern sie, den Betrieb von Gaskraftwerken in Kombination mit der Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, kurz CCS) zu ermöglichen.

GE, einer der weltweit führenden Hersteller von Gasturbinen, propagiert diese Lösung: „Womöglich werden wasserstofffähige Back-up-Gaskraftwerke, deren Bau das Bundeswirtschaftsministerium anreizen will, nicht auf klimaneutralem Wasserstoff laufen, weil der Brennstoff zunächst knapp sein wird“, sagt Benjamin Winter von GE.

Dafür gebe es verschiedene Gründe: „Einerseits werden in Europa strenge Anforderungen an grünen Wasserstoff gestellt, andererseits muss die Wasserstoffinfrastruktur erst aufgebaut werden. Zugleich wird der Wasserstoffbedarf von Branchen wie Stahl, Chemie und Zement in den nächsten Jahren stark ansteigen“, so Winter.

Die einseitige Verpflichtung der Hersteller, wasserstofffähige Gasturbinen zu entwickeln, obwohl die Fertigstellung der Infrastruktur insbesondere in Süddeutschland noch Jahre dauern werde, sei „schwer nachvollziehbar“.

CCS als Alternative zum Wasserstoff

CCS oder aber auch die CO2-Abscheidung in Kombination mit der Nutzung von CO2 (Carbon Capture and Utilization, kurz CCU) stellten „eine schnelle und effiziente Lösung zur Reduzierung der CO2-Emissionen von Gaskraftwerken dar“, sagt Winter. Die Verfahren seien erprobt und sofort verfügbar. „Deshalb sollte die Politik die Möglichkeit eröffnen, die CCS- und die CCU-Technologie im Energiesektor einzusetzen“, fordert er.

Siemens Energy, neben GE einer der großen Gasturbinenhersteller auf der Welt, sieht das ähnlich, weist aber auf ein Problem hin: „Abscheidung und Speicherung von CO2 sind grundsätzlich möglich, allerdings mit hohen Investitionen verbunden. Das kann sich nur dann wirtschaftlich lohnen, wenn die Kraftwerke mit voller Auslastung fahren“, sagt ein Sprecher von Siemens Energy.

Neue Kraftwerke sind als Back-up-Lösung unverzichtbar

Dass neue Gaskraftwerke benötigt werden, steht außer Frage. Sie sollen künftig immer dann zum Einsatz kommen, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht. Allerdings werden die Back-up-Kraftwerke mit steigendem Erneuerbaren-Anteil von Jahr zu Jahr seltener zum Einsatz kommen. Damit sie dennoch rentabel betrieben werden können, bedarf es staatlicher Anreize. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat angekündigt, solche Anreize schaffen zu wollen.

Neue Gaskraftwerke sind essenziell für das Funktionieren des Stromversorgungssystems. Sie müssen 2030 am Netz sein, wenn in Deutschland das letzte Kohlekraftwerk vom Netz gehen soll. Ob sie dann später auch tatsächlich mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden können, ist im Moment nicht klar.

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Zwar verfolgt die Bundesregierung ehrgeizige Ziele beim Aufbau einer Wasserstoffwertschöpfungskette. Allerdings steht klimaneutraler Wasserstoff aktuell nur in homöopathischen Dosen zur Verfügung. Ob sich daran in den kommenden Jahren etwa ändert, muss sich erst noch erweisen.

SPD-Wasserstoffexperte Rimkus spricht von „falscher Herangehensweise“

Ist es also erforderlich, Gaskraftwerke hilfsweise weiter mit Erdgas zu betreiben und das entstehende CO2 abzuscheiden? In der Ampelkoalition betrachtet man solche Überlegungen skeptisch. „Es ist die falsche Herangehensweise, jetzt schon eine Wasserstoffmangellage herbeizureden“, warnt Andreas Rimkus, in der SPD-Bundestagsfraktion zuständig für das Thema Wasserstoff.

„Unser Ziel ist es, genau das Gegenteil zu erreichen. Wir wollen mit Pragmatismus und Entschlossenheit einen schnellen Wasserstoffhochlauf bewirken“, so Rimkus. Im Idealfall könnten Gaskraftwerke dann sogar früher als bisher geplant mit Wasserstoff betrieben werden.

Die Energiebranche hat sich in der Frage noch nicht festgelegt. Man befinde sich noch in der Abstimmung der Verbandsposition, heißt es beim Bundesverband der Energie- und Wasserswirtschaft (BDEW).

>> Lesen Sie auch: Energiewirtschaft beunruhigt – Fehlende Kraftwerke gefährden Versorgungssicherheit

Bei der Klimaschutzorganisation Bellona Deutschland, die sich intensiv mit dem Thema CCS befasst, heißt es, nach jetzigem Stand der Debatte sei die Frage der verfügbaren Menge an Wasserstoff langfristig unklar. Grundsätzlich dürfe es keinen weiteren Ausbau fossiler Infrastruktur geben, bei der ungehindert weiter CO2 emittiert werde.

Das Thema weckt Erinnerungen an die erste CCS-Debatte in Deutschland vor gut zehn Jahren. Damals ging es darum, Kohlekraftwerke mit CCS zu kombinieren. Kritiker äußerten seinerzeit, die Technologie diene allein dem Zweck, die Kohleverbrennung auf unbestimmte Zeit zu verlängern. Am Ende stand eine Regulierung, die CCS praktisch unmöglich machte.

Aktuell erarbeitet das Bundeswirtschaftsministerium eine Carbon-Management-Strategie (CMS). Im Mittelpunkt steht dabei aber die Frage, wie man mit unvermeidbaren CO2-Emissionen der Zement-, Kalk- und Abfallbranche und mit den schwer vermeidbaren CO2-Emissionen aus Branchen wie Stahl und Chemie umgeht.

Mehr: Wer steckt hinter der Deutschen Regas?



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