Jul 12, 2023
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Nato-Gipfel: „Wir wanken nicht“ – Biden besänftigt den enttäuschten Selenski

Written by Annett Meiritz

Washington, Vilnius Schon am Nachmittag bildeten Tausende Menschen in der Altstadt der litauischen Hauptstadt Vilnius eine schier endlose Schlange. Wer den US-Präsidenten Joe Biden live erleben wollte, musste an diesem Mittwoch Ausdauer mitbringen. Als Biden gegen 20 Uhr Ortszeit vor die Menge trat, schwenkte sein Publikum neben litauischen und ukrainischen Flaggen auch die der USA.

Bei der Rede nach dem offiziellen Ende des Nato-Gipfels, für den Biden nach Litauen gereist war, gab sich der US-Präsident betont optimistisch – möglicherweise auch, um den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski zu besänftigen. Dieser hatte sich vom Gipfel eine konkrete Einladung seines Landes in das Militärbündnis erhofft – wohl wissend, dass der Beitritt erst nach Kriegsende erfolgen kann.

Letztendlich blieb eine solche aber aus, vor allem wegen des Widerstands der USA und Deutschlands. Diese Kontroverse, die den Gipfel inhaltlich dominierte, zeigt einmal mehr: Das Verteidigungsbündnis steht vor immer größeren Herausforderungen.

Entsprechend deutlich sicherte Biden der Ukraine aufs Neue die Unterstützung der USA für die Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg zu. „Wir werden nicht wanken“, sagte Biden. „Unser Engagement für die Ukraine wird nicht nachlassen, wir werden für Freiheit und Unabhängigkeit eintreten, heute, morgen und so lange es dauert“, sagte der US-Präsident weiter. Über Russlands Präsident Wladimir Putin sagte Biden, dieser hätte darauf gewettet, dass die Nato zerbreche und verstehe immer noch nicht, dass die Verbündeten niemals von ihren Werten abrücken würden.

Russland könne den Krieg „morgen beenden“, so Biden, indem es seine Truppen aus der Ukraine abziehen würde, doch Putin glaube noch immer, er könne die Ukraine überdauern. Die Nato aber sei stärker, energiegeladener und geschlossener denn je, so Biden, sie bleibe ein „Bollwerk der globalen Sicherheit und Stabilität“. Die Sicherheit Europas sei entscheidend für die USA, sagte Biden, die Beziehungen zwischen beiden Regionen ein „Anker für die globale Stabilität“.

Locker im Ton, klar in der Haltung

Damit gab sich Biden in der Öffentlichkeit lockerer im Ton, aber nicht minder firm in der Haltung als zuvor während des Treffens mit den Staats- und Regierungschefs der übrigen Nato-Staaten und Partnern. Das Ziel seiner Gipfel-Teilnahme war es, erneut ein Signal der Stärke und Geschlossenheit gegen Putin zu senden. Gleichzeitig wollte der US-Präsident, der um seine Wiederwahl ins Weiße Haus kämpft, den Führungswillen der USA innerhalb der westlichen Militärallianz demonstrieren.

Doch die offene Kontroverse um einen Nato-Beitritt der Ukraine zeigt, dass die internationale Verteidigungskoalition immer komplexere Probleme lösen muss. Die Nato-Mitglieder hatten sich am Dienstag darauf geeinigt, dass sie die Ukraine auf ihrem Weg zum Beitritt unterstützen werden.

Jedoch wurden im entsprechenden Kommuniqué kein Zeitplan und keine spezifischen Bedingungen genannt. Das Bündnis beschloss lediglich, die im Aktionsplan zur Mitgliedschaft (MAP) enthaltenen Bedingungen zu streichen und einen Nato-Ukraine-Rat einzurichten, der die bisherige Nato-Ukraine-Kommission aufwerten soll.

Ukraines Präsident Wolodimir Selenski und US-Präsident Joe Biden

Die USA sind der größte Helfer der Ukraine. Dennoch kommt Biden nicht allen Forderungen Selenskis nach – auch aus innenpolitischen Gründen.


(Foto: dpa)

Selenski äußerte sich zunächst enttäuscht und nannte den Plan „absurd“. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg dankte er aber der Nato für die militärische Unterstützung und die Aufhebung des MAP, außerdem äußerte er sich positiv über die Pläne der G7-Staaten, die Ukraine künftig besser zu schützen und militärisch zu unterstützen. Im Gegenzug soll Kiew Reformen in verschiedenen Bereichen voranbringen.

>> Lesen Sie hier: „Der Wartesaal ist ein gefährlicher Ort“ Wie der Westen die Ukraine bis zum Nato-Beitritt schützen will
Bidens Europadirektorin im Nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses, Amanda Sloat, bezeichnete das Nato-Kommuniqué als „beispiellos“ und ein positives Signal. Sie betonte, dass alle Nato-Mitglieder anerkennen würden, „dass die Ukraine bereits erhebliche Fortschritte im Reformprozess gemacht hat“.

Nato-Beitritt in naher Zukunft unrealistisch

Werde es fünf Jahre, zehn Jahre dauern? Das wurde Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan in Vilnius gefragt. „Ich kann keinen Zeitplan nennen“, antwortete Sullivan. „Hier geht es darum, dass demokratische und sicherheitspolitische Reformen richtig angegangen werden.“

Ein Nato-Beitritt der Ukraine sei in absehbarer Zeit unrealistisch, sagte Douglas Lute, Nato-Botschafter der USA während der Amtszeit Barack Obamas, dem Handelsblatt. „Die Ukraine hat ihre militärischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt, aber sie ist eben eine aufstrebende Demokratie. Individuelle Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sind im Entstehen.“ Lute ging nicht davon aus, dass sich die Haltung der US-Regierung zeitnah ändern werde.

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Bidens Ukrainekurs ist in seiner eigenen Heimat zunehmend unter Druck. Bislang bringt die ukrainische Gegenoffensive nicht den erhofften Durchbruch, 17 Monate nach der russischen Invasion ist kein Ende des Kriegs in Sicht.

Der Putschversuch in Russland und die Gefechte rund um das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja haben Washington zusätzlich alarmiert. Die Ereignisse der vergangenen Wochen hätten das Eskalationspotenzial des Kriegs vor Augen geführt, erklärten hochrangige US-Regierungsbeamte – und damit die Notwendigkeit eines raschen Kriegsendes.

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Bislang verfolgt die US-Regierung eine sogenannte „Strategie der Eindämmung“: Einerseits wollen die USA verhindern, dass die Ukraine an Russland fällt. Andererseits wollen sie einen direkten militärischen Konflikt zwischen dem Westen und Russland vermeiden. Deshalb bremsen die USA bei bestimmten Waffensystemen wie bei Kampfjets.

Zustimmung in den USA zu Ukrainehilfen sinkt

Die USA erklärten sich allerdings vergangene Woche bereit, international geächtete Streubomben zu liefern, um die Gegenoffensive zu beschleunigen. Dieser Schritt zeigt, unter welchem Druck die US-Regierung steht, den Rückhalt für die Verteidigung der Ukraine zu sichern.

>> Lesen Sie hier: Was macht Streubomben so gefährlich?

Denn spätestens im Herbst muss der US-Kongress über ein neues Hilfspaket verhandeln. Bislang sind die USA die tragende Säule der ukrainischen Verteidigung, seit Ausbruch des Kriegs haben sie 113 Milliarden US-Dollar an Mitteln genehmigt. Die allermeisten Abgeordneten und Senatoren aus beiden Parteien unterstützen die Transfers zwar, doch eine Gruppe Republikaner hat angekündigt, die Ukrainehilfen blockieren zu wollen.

Wegen der knappen Mehrheiten im Kongress könnten sie die Gelder zumindest verzögern und einen Regierungs-Shutdown herbeiführen. Sollte die ukrainische Gegenoffensive scheitern, fürchten Teile der US-Regierung, könnte der bislang überparteiliche Rückhalt für die Hilfen ins Wanken geraten.

Biden könnte im Wahljahr 2024 unter Druck geraten, stärker auf einen Waffenstillstand und eine diplomatische Lösung zu drängen. Noch stützt eine Mehrheit der US-Bürger den Kurs ihres Präsidenten. Doch die Stimmung verändert sich: Zu Kriegsbeginn waren nur sieben Prozent der US-Bürger der Ansicht, die USA lassen der Ukraine „zu viel“ Hilfe zukommen, inzwischen sind es laut einer Pew-Research-Umfrage 28 Prozent.

Mehr: Kommentar: Den Preis für die Trägheit der Nato zahlt die Ukraine



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