Jul 16, 2023
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Gipfeltreffen: Warum Europa in Lateinamerika immer schlechtere Chancen hat

Written by Alexander Busch

Salvador, Mexiko-Stadt Viele Jahre waren gute Beziehungen zwischen Europa und Lateinamerika ein Selbstläufer. Man teilte gemeinsame politische Werte und wirtschaftliche Interessen. Während die USA als einmischender und egoistischer Nachbar auftraten, galt Europa den Südamerikanern als Partner, der Augenhöhe suchte.

Aber dieses Panorama hat schon lange Risse bekommen – und diese werden jetzt auf dem EU-Lateinamerika-Gipfel am Montag und Dienstag in Brüssel unter spanischer Regie womöglich aufbrechen.

„Lateinamerika hat weiterhin Interesse an einer Zusammenarbeit mit der EU“, sagt Orlando Baquero, Geschäftsführer des Lateinamerika Vereins in Hamburg, „doch die Staaten sind sich zunehmend bewusst, dass es auch noch andere Angebote gibt.“

Entsprechend kühl reagieren die Staatschefs mittlerweile auf Forderungen aus Europa. Brüssel habe eine „einseitige Vision nachhaltiger Entwicklung“, mäkelte Argentiniens Präsident Alberto Fernández beim jüngsten Gipfeltreffen der Mercosur-Staaten.

Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva beschuldigte die Europäische Union, in Südamerika „nur Lieferanten von Rohstoffen“ zu sehen. Insgesamt seien Brüssels Forderungen an die Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay „inakzeptabel“.

Baquero vom Lateinamerika Verein bestätigt: „Europa wird für Lateinamerika zunehmend monothematisch.“ In den Beziehungen gehe es vorwiegend um Rohstoffe, weil die EU nicht länger auf Lieferungen aus China angewiesen sein will.

Die EU blockiert zunehmend den Handel mit Lateinamerika. Orlando Baquero, Chef des Lateinamerika Vereins in Hamburg

Seit 2019 liegen die Verhandlungen über eine Freihandelszone, die den Mercosur-Bund und die EU umfassen soll, auf Eis. Nach der Wahl Lulas in Brasilien hatte es Hoffnungen auf eine Wiederbelebung der Verhandlungen gegeben.

Reparationen für Kolonialzeit?

Gleichzeitig verkompliziere die EU den Handel immer mehr, etwa durch CO2-Abgaben auf Importe oder Vorgaben für entwaldungsfreie Lieferketten. „Die EU blockiert zunehmend den Handel mit Lateinamerika“, sagt Baquero.

Die Lateinamerikaner nervt, dass Europa ihnen vorgeben will, wie sie ihre Umweltpolitik oder ihre Demokratien gestalten sollen. Bei den Vorverhandlungen für das anstehende Gipfeltreffen sollen Diplomaten aus Lateinamerika dafür plädiert haben, auch Forderungen an die EU zu beschließen.

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So sollte die EU für Schäden, die durch die koloniale Ausbeutung und die Sklaverei entstanden seien, Kompensationszahlungen leisten. Der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador hatte vor drei Jahren erstmals eine Entschuldigung von Spanien und dem Vatikan gefordert für die spanische Eroberung und Unterwerfung indigener Völker.

Auch in Brasilien nehmen die Forderungen zu, dass sich Portugal für seine führende Rolle im transatlantischen Sklavenhandel entschuldigen soll. Andere südamerikanische Staaten würden gerne auf die europäischen Vorgaben zum Regenwaldschutz gegenrechnen, wie viel europäische Waldfläche für die Industrialisierung und Verstädterung abgeholzt wurde.

Dabei möchte Europa seine Allianzen in der Region stärken, die 33 Länder und mehr als 700 Millionen Einwohner umfasst. Das Ziel ist dabei strategisch: Europa sucht nach verlässlichen Verbindungen zu stabilen Staaten, die Energie und Nahrungsmittel liefern können.

Demokratie wird zurückgebaut

Europa und vor allem Deutschland haben darum eine veritable Charmeoffensive gestartet: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war kürzlich in Brasilien, Mexiko, Argentinien und Chile. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell versuchte, Europas Position in Kuba zu stärken.

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Der deutsche Kanzler Olaf Scholz war zu Jahresbeginn in Argentinien, Chile und Brasilien zu Gast – ein halbes Dutzend Ministerinnen und Minister haben vor allem Brasilien seit Jahresanfang besucht, darunter Robert Habeck, Cem Özdemir und Annalena Baerbock.

Die stabilsten Partnerschaften versprechen sich die Europäer mit Staaten, die demokratisch organisiert sind und die Menschenrechte achten. Beides gerät aber in immer mehr Staaten Lateinamerikas in Gefahr, insbesondere in Mittelamerika: Neben den üblichen Verdächtigen Kuba, Venezuela und Nicaragua demontieren auch in Staaten mit demokratischer Tradition autoritäre Präsidenten Gewaltenteilung und Opposition.

In Guatemala stellt ein Pakt aus Wirtschaftselite, Politik, Militär und organisierter Kriminalität gerade das Ergebnis der Wahlen infrage.

In Mexiko baut der linke Staatschef López Obrador die Demokratie zurück, schwächt Institutionen und hemmt die Pressefreiheit. Der Staatschef von El Salvador, Nayib Bukele, der sich selbst als „coolsten Diktator der Welt“ bezeichnet, will sich zum dritten Mal wählen lassen, was nach der Verfassung verboten ist. Obrador und Bukele sind in der Region die Präsidenten mit den höchsten Beliebtheitswerten. Sie würden vermutlich jede Wahl haushoch gewinnen.

China ist eine vielversprechende Alternative

Die Staaten von Mexiko bis Argentinien haben schon länger nicht nur die Wahl zwischen Europa oder den USA als Partner: China hat seine Investitionen in Lateinamerika zwischen 2000 und 2020 um das 26-Fache gesteigert und ist inzwischen der wichtigste Handelspartner der meisten Staaten Südamerikas. Außerdem hat China 21 Länder der Region in seine erweiterte Seidenstraßen-Initiative aufgenommen, mit der das Land weltweit Allianzen schmieden will.

An der Pazifikküste Südamerikas – vor allem in Peru und Chile – bauen chinesische Unternehmen riesige Häfen, um den Handel mit Rohstoffen zu sichern. In der Karibik investiert China in neue Freihäfen, um Panama Konkurrenz zu machen.

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Auch die Ölstaaten in Nahost treten zunehmend als Kapitalinvestoren in Südamerika auf.

Noch sind USA und EU weiter die Hauptinvestoren in der Region, wie die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika (Cepal) gerade mitgeteilt hat. Die Vereinigten Staaten steigerten ihre Investitionen 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 46 Prozent, während die EU-Zuflüsse um 20 Prozent zunahmen.

Doch das Verhältnis zu den Europäern hat sich aus lateinamerikanischer Sicht verändert. Die Staaten wollen nicht mehr nur Soja, Zuckerrohr und Fleisch liefern. Sie sehen sich als eigenständigen geopolitischen Akteur. Lula bot sich zwischenzeitig gar als Vermittler im Ukrainekrieg an.

Auch in der Sichtweise auf Russland folgen viele lateinamerikanische Staaten den Europäern nicht. Manche haben traditionell eine starke Verbindung zu Moskau. In den autoritären Regimen in Kuba, Venezuela, Nicaragua, aber auch im einst stabil demokratischen Bolivien wird das nicht hinterfragt.

Zum Problem wurde das, weil zum Gipfeltreffen auch der ukrainische Staatschef Wolodimir Selenski eingeladen war. Er wird aufgrund von Vetos mehrerer Latinos nun nicht teilnehmen.

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