Berlin Monika Miszkiel kann bis heute kaum fassen, dass sie wieder Arbeit gefunden hat. „Ich habe meine zweite Chance bekommen, das ist für mich wie ein Sechser im Lotto“, erzählt die 58-Jährige dem prominenten Gast. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist im Rahmen seiner Sommerreise nach Dortmund gekommen, um sich mit ehemaligen Langzeitarbeitslosen zu treffen.
Miszkiel ist eine davon. In den 1980er-Jahren arbeitete sie bei der AOK, bis private Schicksalsschläge sie aus der Bahn warfen und in die Arbeitslosigkeit brachten. Dank eines intensiven Coachings im Jobcenter hat die lebhafte Frau wieder neuen Mut gefasst und arbeitet jetzt im Seniorenbegleitdienst.
Das sei ein Gewinn für beide Seiten, betont der sichtlich zufriedene Minister – die Senioren und Frau Miszkiel. Die Instrumente zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit seien zwar nicht preiswert, aber sinnvoll, sagt er. Und ergänzt, an die Runde der ehemals Langzeitarbeitslosen gerichtet: „Sie sind der lebende Beweis, dass das gut investiertes Geld ist.“
Doch auch Heil unterliegt dem Sparzwang der Regierung. Zwar wächst der Etat des Arbeitsministeriums im kommenden Jahr laut Haushaltsentwurf um rund fünf Milliarden Euro auf knapp 172 Milliarden Euro. Doch mit noch höheren Ausgabenwünschen konnte sich Heil nicht bei Finanzminister Christian Lindner (FDP) durchsetzen.
Deshalb wird auch in den Jobcentern gespart – obwohl die Zahl der Langzeitarbeitslosen im Zuge der Coronakrise wieder stark angestiegen ist und im Juni bei 908.000 lag. So viele Menschen bemühen sich seit mindestens einem Jahr erfolglos um einen Job. Von 2008 bis 2019 war die Zahl der Langzeitarbeitslosen zunächst von 1,3 Millionen auf rund 727.000 gesunken, bis mit der Pandemie die Trendumkehr einsetzte.
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Angesichts dieser Entwicklung warnt die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles, vor dem geplanten Sparkurs. Im aktuellen Haushaltsentwurf für 2024 seien nicht genügend aktive Arbeitsmarktmittel wie Fortbildungen oder Einstiegsqualifizierungen sowie nicht genügend Mittel für Verwaltungskosten der Jobcenter eingeplant worden, sagte sie der „Welt am Sonntag“.
Ampel wollte mit Bürgergeld Langzeitarbeitslose intensiver betreuen
In dem Bereich stünden 700 Millionen Euro oder 6,6 Prozent weniger zur Verfügung als im vorherigen Haushalt, so die frühere Bundesarbeitsministerin. „Wir sind schlichtweg nicht ausreichend finanziert.“ Dabei hat sich die Ampelkoalition eigentlich zum Ziel gesetzt, mit dem neuen Bürgergeld die Betreuung von Langzeitarbeitslosen zu intensivieren.
Anfang dieses Monats ist die zweite Stufe des Bürgergelds in Kraft getreten. So können beispielsweise auch längerfristige Qualifizierungsmaßnahmen bezahlt werden. Das Coaching soll ebenfalls noch ausgebaut werden. Auch hat die Bundesregierung ein Element des Teilhabechancengesetzes entfristet. Mit diesem erhalten Arbeitgeber, die Langzeitarbeitslose einstellen, bis zu fünf Jahre lang Lohnkostenzuschüsse von anfangs bis zu 100 Prozent. Das kostet – und erfordert Planungssicherheit bei den zur Verfügung stehenden Mitteln.
Bereits im Juni hatten sich die Kommunen, die die Jobcenter teils gemeinsam mit der BA und teils in Eigenregie betreiben, deshalb gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit an die Bundesregierung gewandt und für eine auskömmliche Finanzierung der Jobcenter geworben.
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Diese müssten mit der Integration der ukrainischen Geflüchteten und dem Bürgergeld zusätzliche Aufgaben stemmen, weshalb mehr Personal benötigt werde, heißt es in dem „Brandbrief“ des Deutschen Landkreistags, des Deutschen Städtetags und der BA. In einigen Jobcentern habe sich der Bestand an erwerbsfähigen Leistungsberechtigten um bis zu 30 Prozent erhöht – bei gleichzeitig zurückgehenden Haushaltsmitteln.
Bereits im laufenden Jahr hat die Bundesregierung die Verwaltungsmittel für die Jobcenter von gut sechs Milliarden Euro im Vorjahr auf knapp 5,3 Millionen Euro gesenkt. Im kommenden Jahr gibt es laut Haushaltsentwurf noch einmal 200 Millionen Euro weniger. Dabei erhöhe allein der Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst die Personalkosten in den Jobcentern nächstes Jahr um 300 Millionen Euro, sagte Nahles.
Viele Jobcenter reagierten bereits auf die Kürzungen und planten weniger Maßnahmen für die Integration von Langzeitarbeitslosen ein, betonte die Behördenchefin in der „Welt am Sonntag“. Schon heute müssten gerade kleinere Jobcenter aus dem Etat für die aktive Arbeitsmarktpolitik bis zu 80 Prozent in den Personalhaushalt umschichten, um überhaupt die Verwaltung aufrechterhalten zu können.
Auch aus den Ländern kommt Kritik: Wenn das Bürgergeld nicht nur eine leere Hülle bleiben solle, müsse das Prinzip des Förderns gelebt werden, sagte Bayerns Arbeitsministerin Ulrike Scharf (CSU): „Unser Sozialstaat ist stark, kann Arbeitslose aber nur passgenau bei Ausbildungen und Fortbildungen unterstützen, wenn ausreichend finanzielle Mittel bereitstehen.“
BA-Chefin Nahles kündigte an, bei den Abgeordneten des Bundestags dafür zu werben, eine Kürzung der Mittel im parlamentarischen Verfahren zum Haushaltsgesetz noch zu verhindern. Dabei dürfte sie auch ihren Nachfolger im Amt des Arbeitsministers auf ihrer Seite haben.
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