Chinas Wirtschaft erholt sich langsamer von den Folgen der strikten Null-Covid-Politik als erwartet.
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Peking Chinas hohes Wachstum im zweiten Quartal täuscht über die wachsenden wirtschaftlichen Probleme hinweg. Nach offiziellen Angaben wuchs die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zwischen April und Juni um 6,3 Prozent, wie die Statistikbehörde NBS am Montag bekannt gab. Der hohe Zuwachs resultiert jedoch in erster Linie aus dem schwachen Vergleichswert im Vorjahr, als die Wirtschaft des Landes infolge des Lockdowns in Shanghai nur um 2,5 Prozent zulegte.
Im Vergleich zu den ersten drei Monaten des Jahres wuchs Chinas Wirtschaft nur um 0,8 Prozent. Das zeigt, dass sie sich deutlich langsamer von den Folgen der strikten Null-Covid-Politik erholt, als zu Jahresbeginn noch viele hofften. Zudem wachsen Zweifel an der Korrektheit der Daten, weil immer neue Gesetze und Beschränkungen den Zugang zu unabhängigen Informationen aus dem Land erschweren.
Neben den BIP-Zahlen wurden am Montag eine Reihe weiterer Konjunkturdaten für Juni veröffentlicht. Diese zeigen, dass die chinesische Wirtschaft zwar wächst, jedoch langsamer und ungleicher als erwartet.
Die Umsätze im Einzelhandel stiegen im Juni um drei Prozent gegenüber Mai, etwas weniger als prognostiziert. Die Industrieproduktion legte um 4,4 Prozent gegenüber dem Vormonat zu und damit stärker als erwartet.
Bereits vergangene Woche hatte die Zollbehörde bekannt gegeben, dass Chinas Exporte im Juni um mehr als zwölf Prozent eingebrochen waren. Die Jugendarbeitslosigkeit erreichte gleichzeitig ein neues Rekordhoch: 21,3 Prozent der 16- bis 24-Jährigen in Chinas Städten waren im Juni ohne Job.
Politik stützt nur punktuell
Die neuen Daten dürften Forderungen nach einem Konjunkturprogramm lauter werden lassen. Denn den bisherigen Ankündigungen zu Stützung der Wirtschaft sind bislang nur punktuelle Maßnahmen gefolgt.
Im Frühjahr hatte die Staatsführung ein Wachstumsziel von rund fünf Prozent für 2023 ausgegeben. Im vergangenen Jahr war die Wirtschaft des Landes infolge zahlreicher Lockdowns und anderer Coronabeschränkungen lediglich um drei Prozent gewachsen statt wie geplant um 5,5 Prozent. Es war nach 2020 das schwächste Wachstum seit der Reform- und Öffnungspolitik Ende der 1970er Jahre.
Vor allem die Abriegelung der Wirtschaftsmetropole und Logistikdrehscheibe Shanghai hatte 2022 im In- und Ausland für Entsetzen gesorgt. Die 25 Millionen Bewohner waren teilweise mehr als zwei Monate in ihren Wohnungen eingesperrt, Fabriken standen still, globale Lieferketten rissen.
Der Schock über das erbarmungslose Vorgehen der chinesischen Staatsführung sitzt nach wie vor tief und hat das Vertrauen vieler Unternehmen und Verbraucher erschüttert. Die Folge: Sie sparen statt zu investieren.
Chinas Haushalte horten ihre Corona-Ersparnisse
Die Hoffnung, die chinesischen Haushalte würden ihre Corona-Ersparnisse nach dem Ende der Restriktionen freudig ausgeben und so die Konjunktur anschieben, hat sich daher bislang nicht erfüllt. Im Gegenteil: Die Einlagen der Haushalte stiegen Daten der Zentralbank zufolge im ersten Halbjahr weiter auf umgerechnet 2,5 Billionen US-Dollar.
Ein weiterer wichtiger Grund für die Vorsicht ist die anhaltende Krise auf dem Immobilienmarkt. Der Versuch der chinesischen Staatsführung, die dortigen Kreditexzesse einzudämmen, hat zu massiven Verwerfungen in der Branche geführt. Viele Chinesen fürchten deshalb nun um ihr Erspartes, denn Schätzungen zufolge stecken rund drei Viertel des Privatvermögens in Immobilien.
Diese Investitionen in vermeintliches Betongold waren über Jahrzehnte hinweg ein wichtiger Wachstumstreiber der chinesischen Volkswirtschaft. Dieser fehlt nun.
Hinzu kommt die Abkühlung der Weltwirtschaft, die Chinas Exportwirtschaft zunehmend zu spüren bekommt. Bislang waren die Exporte eine wichtige Stütze für die chinesische Wirtschaft. Doch vergangene Woche wurde bekannt, dass sie im Juni um mehr als zwölf Prozent eingebrochen sind. Und bislang könne die fehlende Nachfrage aus dem Ausland nicht durch einen steigenden inländischen Verbrauch ersetzt werden, sagt Xu Bin, Wirtschaftsprofessor an der China Europe International Business School (CEIBS) in Shanghai dem Handelsblatt.
Auch für die Preisentwicklung hat dies Folgen. Denn während viele westliche Volkswirtschaften derzeit unter einer hohen Inflation leiden, stagnierten die Verbraucherpreise in China zuletzt. Die Erzeugerpreise sanken sogar. Dadurch wächst die Sorge vor einer Deflation.
Denn wenn Unternehmen und Verbraucher davon ausgehen, dass die Preise weiter sinken, schieben sie Anschaffungen und Investitionen noch weiter auf. Das kann zu einer negativen Preisspirale aus sinkenden Investitionen, sinkenden Umsätzen und sinkenden Löhnen führen, fürchten Experten.
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