Jul 18, 2023
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Hubertus Heil: Der stille Arbeiter der Bundesregierung

Written by Frank Specht


Hubertus Heil auf Sommerreise

In Gummistiefeln an der Emscher gibt sich der SPD-Arbeitsminister volksnah.

Berlin Kurz vor dem Sommerurlaub in Brandenburg zieht es Hubertus Heil (SPD) noch einmal in die Ferne. Beim Treffen mit seinen G20-Amtskollegen in Indien will der Arbeitsminister diese Woche auch um Fachkräfte werben.

Gemeinsam mit Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat Heil die Migrationsreform – im Gegensatz zu vielen anderen Vorhaben der Ampel – relativ reibungslos durch den Bundestag gebracht. Heil ist, wenn man so will, der stille Arbeiter der Regierung, der Stück für Stück den Koalitionsvertrag abarbeitet.

Auf der Liste, die sein Ressort kürzlich als Arbeitsnachweis verschickte, prangt bei 23 zentralen Vorhaben ein grüner Haken für „erledigt“ – vom Mindestlohn über das erste Rentenpaket, die Fachkräftestrategie oder die Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes bis hin zum Bürgergeld oder dem Weiterbildungsgesetz.

Dabei macht das Regieren aktuell nicht immer Freude. Öffentlich ist von Heil kein böses Wort über die Koalitionspartner zu hören, aber intern lässt er durchblicken, dass er das letzte halbe Jahr der Ampel kommunikativ für ein Desaster hält, etwa beim Streit um das Heizungsgesetz.

Der Minister geht Konflikten lieber aus dem Weg. Galt in der letzten Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel noch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) als wandelnder Vermittlungsausschuss, so übernimmt im Kabinett Scholz Heil die Moderatorenrolle.

Mit Altmaier verbanden Heil lange auch ein paar Kilos zu viel auf den Hüften, beide kokettierten in der alten Regierung gern mit ihrem Gewicht. Doch hat der Arbeitsminister inzwischen mit Disziplin kräftig abgespeckt.

Heil duzt bei Evonik und steht in Gummistiefeln in der Emscher

Trotz aller Routine, die ein Vierteljahrhundert in der aktiven Politik bringt, ist der 50-Jährige nah bei den Menschen geblieben. Das lässt sich auch auf seiner Sommerreise beobachten, die er in diesem Jahr in den Ruhrpott unternommen hat.

Im Chemiepark Marl duzt Evonik-Arbeitsdirektor Thomas Wessel den prominenten Gast. An der Emscher, der einstigen Kloake des Ruhrgebiets, pflanzt der Minister in Gummistiefeln ein paar Wasserpflanzen. In Dortmund unterhält er sich mit ehemaligen Langzeitarbeitslosen, als hätte er selbst jahrelang im Jobcenter gearbeitet.

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Was in seinen Gesprächen nie fehlen darf, sind Geschichten aus Heils Heimat und Wahlkreis Gifhorn-Peine. „Mir ging heute als Arbeitsminister ein bisschen das Herz auf“, sagt er etwa beim Besuch des Autozulieferers Bleistahl in Wetter an der Ruhr. Die Firma ist mit Ventilsitzringen groß geworden und bereitet sich mit neuen Produkten wie Bremsscheiben für Elektrofahrräder auf die Ära nach dem Verbrennungsmotor vor. Der Autozulieferer Conti sei leider weniger kreativ gewesen, klagt der Arbeitsminister, und schließe sein Werk in Gifhorn.

Heil auf Sommerreise

Politische Debatten drehten sich aktuell zu wenig um materielle Dinge, die die Menschen bewegen, findet Heil.

Bei den Bürgern kommt der Arbeitsminister an, nur Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock erzielen bei Umfragen noch bessere Zufriedenheitswerte.

Doch der Kanzlerpartei hilft Heils Popularität wenig, die SPD liegt in den Umfragen bei unter 20 Prozent, obwohl sozialdemokratische Kernvorhaben wie das Bürgergeld und der höhere Mindestlohn längst umgesetzt sind. Und die AfD sammelt ohne eigenes Tun immer mehr Zustimmung.

Nur einmal erlaubt Heil sich während der Sommerreise einen Seitenhieb auf die Grünen und die FDP. Als er bei Bleistahl ein Fahrrad ausprobieren will, das aber angekettet ist, sagt er: „Das ist wie in der Koalition – die einen wollen loslegen, die anderen wollen bremsen.“

Heil zwischen Robert Habeck (Grüne) und Nancy Faeser (SPD)

Intern lässt der Minister durchblicken, was er vom Chaos um das Heizungsgesetz hält.

(Foto: IMAGO/Political-Moments)

Doch wirklich zum Lachen ist dem Minister angesichts des in Teilen vergifteten politischen Klimas nicht zumute. Für seinen Geschmack wird viel zu sehr und oft unversöhnlich über Lebensstile oder das Gendern gestritten und viel zu wenig über materielle Fragen, die die Menschen bewegen.

Heil ist beim Thema Rente näher an der FDP als an den Grünen

Dazu gehört beispielsweise die Rente, in Kürze will Heil das zweite Rentenpaket vorlegen, das neben der Stabilisierung des Rentenniveaus auch die Aktienrente enthält. Bei diesem Thema ist der Arbeitsminister inzwischen näher bei den Liberalen und Finanzminister Christian Lindner als beim grünen Koalitionspartner.

>> Lesen Sie hier: Grüne: Aktienrente könnte gegen das Grundgesetz verstoßen

Allerdings weiß er auch, dass in der Sozialpolitik nach den freigiebigen Coronajahren und den Inflationsausgleichspaketen das Geld nicht mehr so frei ausgegeben werden kann. Von den neun Milliarden Euro nicht fest gebundenen Mitteln in seinem 172-Milliarden-Euro-Etat für das kommende Jahr musste Heil 1,5 Milliarden Euro einsparen.

Nach seiner Rückkehr aus Indien und vor den nächsten Projekten wie dem Beschäftigtendatenschutzgesetz oder dem Bundestariftreuegesetz wird Heil nun erst mal mit der Familie in Brandenburg ausspannen. Dabei werden erstmals auch die beiden neuen Familienmitglieder dabei sein, zwei junge Katzen.

Vielleicht sollte der Minister Fotos davon in den sozialen Netzwerken teilen. Denn Katzenfotos haben der Popularität bekanntlich noch nie geschadet.

Mehr: Digitale Rentenübersicht – das geht noch besser



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