Brüssel So viel Wirbel gab es lange nicht um eine Brüsseler Personalie. Die Ernennung der amerikanischen Wirtschaftsprofessorin Fiona Scott Morton zur Chefvolkswirtin der EU-Wettbewerbsbehörde ist zum Politikum geworden, bevor sie ihren Job überhaupt angetreten hat.
Der Aufstand begann vergangene Woche mit offenbar koordinierten Tweets mehrerer französischer Minister. Unter anderem forderte Außenministerin Catherine Colonna die Kommission auf, die Personalie zu überdenken.
Es folgte ein Brief aus dem Europaparlament, unterzeichnet von den Chefs der vier wichtigsten Fraktionen. Man verstehe nicht, wieso Nicht-EU-Bürger für solch eine „hochrangige und strategische Position“ in Erwägung gezogen würden, schrieben die Abgeordneten an EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Am Dienstag muss Vestager ihre Entscheidung nun im Wirtschaftsausschuss rechtfertigen.
Neben Scott Mortons Staatsbürgerschaft führen die Kritiker mögliche Interessenkonflikte wegen ihrer jahrelangen Nebentätigkeit als Beraterin an.
Die Professorin hat in der Vergangenheit große Tech-Konzerne beraten, darunter Amazon, Apple und Microsoft, die besonders im Fokus der EU-Regulierer stehen. Als Chefvolkswirtin in Brüssel wäre es ihre Aufgabe, die ökonomischen Folgen von Wettbewerbsentscheidungen zu analysieren.
Fiona Scott Morton tritt ihren Job zum 1. September an
Die Behörde verteidigt ihre Wahl und erwartet, dass Scott Morton ihren Job zum September antritt. Formal kann die Kommission die Personalie allein entscheiden. Die Amerikanerin sei die Beste der elf Bewerber gewesen, heißt es.
Tatsächlich steht Scott Mortons Kompetenz außer Zweifel. Sie forscht und lehrt seit mehr als 20 Jahren an der Eliteuni Yale und hat sich einen Namen als Regulierungsexpertin gemacht. 2011 war sie für anderthalb Jahre in die Kartellabteilung des US-Justizministeriums gewechselt. Ihre Unterstützer argumentieren, dass sie eine besondere Erfahrung mitbringe, weil sie beide Seiten der Tech-Regulierung kenne.
Beobachter in Brüssel weisen darauf hin, dass die Kritik vor allem von französischen Politikern kommt – und dass der französische Binnenmarktkommissar Thierry Breton eine lang anhaltende Fehde mit Wettbewerbskommissarin Vestager pflegt.
Der grüne Europaabgeordnete Rasmus Andresen sagte, die Kritik an Scott Morton sei durch „plumpen Antiamerikanismus“ geprägt. Sie solle eine faire Chance bekommen, ihre Arbeit für die Tech-Konzerne zu erklären. Öffentlich habe sie sich stets für eine strengere Regulierung ausgesprochen. Das klinge „vielversprechend“.
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Auch der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber zeigt sich offen: „Es ist unbestritten, dass Scott Morton weltweit zu den Besten im Wettbewerbsrecht zählt. Die EU braucht Toppersonal, um gegen die Tech-Konzerne bestehen zu können“, sagte er. Man müsse aber einen Weg finden, die Interessenkonflikte zu managen.
Die Kommission sieht vor, dass Scott Morton in den ersten beiden Jahren keine Fälle bearbeiten kann, die ihre einstigen Beratungskunden betreffen. Diese Regelung betrifft einen großen Teil ihrer Zeit auf dem Posten: Die US-Amerikanerin hat nur einen Dreijahresvertrag.
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