Berlin Die Vorschläge der Regierungskommission zur Reform der privaten Altersvorsorge sind auf ein überwiegend positives Echo gestoßen. Aber: Auch wenn die Ampelkoalition das gesetzliche Rentenniveau bei 48 Prozent stabilisieren wolle, sei damit durchweg keine den Lebensstandard sichernde Altersvorsorge verbunden, sagt Handelsblatt-Chefökonom Bert Rürup.
„Wenn es darum geht, den in den letzten Jahren des Erwerbslebens gewohnten Lebensstandard im Alter zu gewährleisten, dann ist eine Zusatzvorsorge notwendig“, betont der frühere Chef der Wirtschaftsweisen und Präsident des Handelsblatt Research Institute (HRI).
Die mit Vertretern der Regierung, der Sozialpartner, der Versicherungsbranche, Verbraucherschützern und Wissenschaftlern besetzte Fokusgruppe Private Altersvorsorge hatte am Montag ihren Abschlussbericht mit Reformvorschlägen vorgelegt. Die Bundesregierung plant auf dieser Basis schon für das kommende Jahr eine gesetzliche Neuregelung der bisherigen Riester-Rente.
Die Experten empfehlen, die geförderte Riester-Rente unter neuem Namen im Prinzip weiterzuführen, aber kostengünstiger, transparenter und ertragreicher zu machen. So sollen Anbieter privater Vorsorgeprodukte das eingezahlte Kapital nicht mehr zu 100 Prozent garantieren müssen, was renditeträchtigere, aber auch risikoreichere Anlageformen erlaubt.
Versicherungsbranche gegen Verzicht auf garantierte Auszahlung
Die Fokusgruppe hat sich mehrheitlich dafür ausgesprochen, bei Fonds und fondsgebundenen Versicherungsprodukten den völligen Verzicht auf Garantien zu ermöglichen. Davon rät der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) allerdings ab, weil die Menschen Verlässlichkeit bei der geförderten Altersvorsorge erwarteten.
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Rürup ist ebenfalls skeptisch, auch wenn weiter Produkte mit Garantien zur Angebotspalette gehören sollen. Zwar könnten die Arbeitnehmer bei der privaten Vorsorge dann selbst über die Höhe des Kapitalmarktrisikos entscheiden, um gegebenenfalls eine höhere Rendite zu erzielen.
„Aber um in dieser Frage eine fundierte Entscheidung treffen zu können, bedarf es ausreichender finanzwirtschaftlicher Kenntnisse – und daran kann vielfach gezweifelt werden“, sagt Rürup, der SPD-Mitglied ist.
Die Grünen bedauern vor allem, dass ihre Idee eines öffentlich verwalteten Bürgerfonds, der ein effizientes, kostengünstiges und sicheres Standardprodukt auflegt, in der Expertengruppe keine Mehrheit fand.
Dies sei zwar bedauerlich, andererseits aber auch wenig überraschend, „da die Anbieterverbände stark in der Fokusgruppe vertreten waren“, sagte Grünen-Finanzpolitiker Stefan Schmidt. Die Versicherungs- und Fondsbranche hatte sich gegen einen solchen Fonds ausgesprochen, mit dem Konkurrenz für ihre eigenen Produkte aufgebaut worden wäre.
Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) begrüßte vor allem den Vorschlag eines neuen Altersvorsorgedepots. Halten Sparer ein solches zertifiziertes Depot bis zum Renteneintritt, sollen sie eine staatliche Förderung erhalten.
Es sei zu begrüßen, dass die Fokusgruppe insbesondere auf die Aktienanlage setze, um höhere Renditen in der Altersvorsorge zu erzielen, sagte die geschäftsführende DAI-Vorständin Christine Bortenlänger. Allerdings sollte die Regierung beim Altersvorsorgedepot nicht nur Investments in Fonds, sondern auch in Aktien einzelner Unternehmen erlauben, forderte sie.
Rürup: Private Altersvorsorge hängt vor allem von Förderung ab
HRI-Präsident Rürup sieht in der geplanten Reform durchaus die Chance, dass die unter Akzeptanzproblemen leidende private Zusatzvorsorge wieder beliebter wird. Wichtig sei aber, dass vor allem die profitieren, die es am nötigsten haben: „Ob sich in Zeiten hoher Inflation auch Geringverdiener eine private Vorsorge leisten können, hängt in erster Linie von der künftigen Förderung ab“, betont Rürup.
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Die Fokusgruppe empfiehlt, an dem bewährten System festzuhalten, in dem untere Einkommensgruppen, junge Menschen und Eltern besonders hohe Förderquoten erreichen.
Eine echte Renaissance erwartet der frühere Regierungsberater aber eher bei den Betriebsrenten: „Mit dem im Jahr 2018 etablierten Sozialpartnermodell gibt es eine moderne Form der Altersvorsorge, die effektiv und für die Arbeitgeber weitgehend risikolos ist“, sagt der HRI-Präsident.
Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften können per Tarifvertrag Betriebsrenten zulassen, bei denen die Arbeitgeber nur garantieren, dass Beiträge gezahlt werden, ohne in der Auszahlungsphase für eine bestimmte Rentenhöhe haften zu müssen. Als erste Branche hat die Chemie eine entsprechende Vereinbarung erzielt.
Rürup erwartet, dass dieses Beispiel Schule macht und sich auch in anderen Branchen durchsetzen wird. Sollte auf diese Weise die betriebliche Altersvorsorge gestärkt werden, sinkt der Druck, zusätzlich noch privat für den Ruhestand zu sparen.
Mehr: „Man muss schon recht gutgläubig sein“ – Warum die Rente schon längst nicht mehr sicher ist
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