Berlin Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) tourt gerade durch Indien – auch um dort um Arbeitskräfte zu werben. Wenn der Fachkräftemangel nicht zur dauerhaften Wachstumsbremse in Deutschland werden solle, dann müsse man jetzt dringend alle Hebel ziehen, sagte er der ARD.
Aber wie angespannt ist der Arbeitsmarkt wirklich? Und wie wirkt sich die knappe Ressource Personal auf die Rekrutierungskosten der Unternehmen und das Beschäftigungswachstum aus?
Antworten auf diese Fragen liefert eine neue Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Als Maß für die Anspannung des Arbeitsmarkts setzen die Nürnberger Forscher die Zahl der offenen Stellen in Relation zur Zahl der Personen, die als arbeitslos gemeldet sind oder als Beschäftigte über die Bundesagentur für Arbeit (BA) einen neuen Job suchen.
Der so berechnete Indikator hat sich im Zeitraum 2010 bis 2022 mehr als verdreifacht – von 0,17 auf einen Höchststand von 0,56. Kamen 2010 auf 100 offene Stellen noch 588 Arbeitsuchende, so waren es zuletzt rund 179. Die Anspannung am Arbeitsmarkt hat dabei fast kontinuierlich zugenommen – nur unterbrochen von Dämpfern infolge der Staatsschuldenkrise 2013 und der Coronapandemie 2020.
Wie das IAB weiter zeigt, zieht sich diese Entwicklung durch alle untersuchten Berufsbereiche. So ist beispielsweise in den Produktions- und Fertigungsberufen ein kräftiger Anstieg der offenen Stellen bei einem gleichzeitig starken Rückgang der Arbeitsuchenden zu beobachten.
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Insgesamt ist im Untersuchungszeitraum der Bestand an offenen Stellen um 139 Prozent auf rund zwei Millionen gestiegen, während die Zahl der Personen auf Jobsuche um 28 Prozent auf rund vier Millionen zurückging, wie die IAB-Forscher Mario Bossler und Martin Popp schreiben.
Regional ist ein angespannter Arbeitsmarkt vor allem im Süden Deutschlands und in ländlichen Regionen zu verzeichnen.
Rekrutierungskosten steigen erheblich
Die Entwicklung bleibt nicht ohne Folgen für die Unternehmen auf Mitarbeitersuche. Das IAB hat berechnet, dass eine Verdopplung der Arbeitsmarktanspannung – also des Verhältnisses von offenen Stellen zu Arbeitsuchenden – die betrieblichen Einstellungskosten um durchschnittlich 13,7 Prozent erhöht. Hintergrund ist etwa, dass Firmen sich länger als früher auf Personalsuche begeben oder zusätzliche Suchkanäle nutzen müssen.
Viele Unternehmen geben auch ihre Expansionspläne auf, wenn sie trotz teils kostspieliger Suche keine passenden Bewerber für offene Stellen finden. Das bremst das mögliche Beschäftigungswachstum.
In einer vereinfachenden Rechnung gehen die IAB-Forscher davon aus, dass es heute noch 1,8 Millionen zusätzliche Jobs geben könnte, wenn die Anspannung auf dem Arbeitsmarkt auf dem Niveau des Jahres 2010 geblieben wäre.
Dabei ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse und Minijobs im Untersuchungszeitraum schon um beachtliche 5,9 Millionen auf 37,5 Millionen gestiegen.
Einwanderung und höhere Löhne könnten Abhilfe schaffen
Um die Lage am Arbeitsmarkt zu entspannen, empfehlen die Forscher Maßnahmen, die auch Arbeitsminister Heil stets nennt. So müssten inländische Potenziale durch eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren ausgeschöpft werden. Zudem brauche es Umschulungen und Weiterbildungen von Beschäftigten und Arbeitslosen sowie mehr Zuwanderung.
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Auch das Arbeitszeitvolumen der bestehenden Belegschaft zu erhöhen könne einer Arbeitskräfteknappheit entgegenwirken, schreiben Bossler und Popp.
Darüber hinaus könnten die Unternehmen selbst mit Konzessionen auf die Personalknappheit reagieren, also beispielsweise höhere Löhne zahlen oder Geringqualifizierte einstellen, die sie dann nachschulen müssen. Die Empirie zeige aber, dass diese betriebliche Konzessionsbereitschaft im untersuchten Zeitraum eher gering ausfällt.
So schätzen die Forscher, dass die Löhne auch bei einem doppelt so angespannten Arbeitsmarkt nur um moderate 0,9 Prozent steigen.
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