Jul 19, 2023
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Energie: EU-Parlament beschließt weitreichende Reform des Strommarkts

Written by Christoph Herwartz


Brüssel Das Europaparlament will die Strompreise für Haushalte und Unternehmen langfristig senken und stabil halten. Der Industrieausschuss einigte sich dafür am Mittwoch auf ein neues Strommarktdesign in der EU.

Demnach sollen Wind- und Solarparkbetreiber langfristige Abnahmegarantien zu vorher festgelegten Preisen vom Staat bekommen können. Im Gegenzug sollen sie ihren Strom auch bei hohen Marktpreisen zu günstigen Konditionen abgeben.

Das soll die Strompreise der Endkunden dämpfen und eine Situation wie während der Energiekrise im vergangenen Jahr vermeiden, als die Preise in unerwartete Höhen stiegen.

Die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken soll nach dem Willen des Parlaments nicht auf diese Weise gefördert werden. Möglicherweise wird Frankreich in den nun kommenden Verhandlungen aber genau darauf drängen.

Deutsche Europaabgeordnete zeigten sich zufrieden mit dem Beschluss. „Es ist uns gelungen, alle unsere Positionen durchzusetzen und einen Kompromiss mit den anderen Fraktionen zu erzielen, der den Interessen aller Beteiligten, von den Verbrauchern bis zur Industrie, am besten dient“, sagte Christian Ehler (CDU).

Keine Abgaben auf Balkon-Solaranlagen

Der Grünen-Abgeordnete Michael Bloss betonte die sozialen Aspekte der Reform. So soll es den Stromanbietern verboten werden, säumigen Haushalten den Strom abzustellen. Auch soll Energie, die ein Haushalt oder ein Unternehmen mit der Solaranlage auf dem Dach selbst produziert hat, an andere Nutzer weitergegeben werden können.

Ebenso sollen Solaranlagen auf dem Balkon künftig eine bestimmte Menge Strom produzieren können, ohne dass Netzentgelte oder Steuern anfallen.

In Verhandlungen mit dem Rat der 27 Mitgliedstaaten und der Kommission muss das Parlament nun einen Kompromiss finden. Während die Europaabgeordneten ein Schnellverfahren wählten und jetzt verhandlungsbereit sind, sind die Mitgliedstaaten noch uneins. Sie diskutieren darüber, ob auch die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken oder neue Gaskraftwerke vorangetrieben werden sollten.

>>Lesen Sie hier: Frankreich übt scharfe Kritik an deutscher Energiepolitik

Vor den Verhandlungen über das Strommarktdesign hatten Experten und Unternehmen befürchtet, dass durch eine Reform der Ausbau der erneuerbaren Energien leidet. Das wäre nun durch die Abnahmegarantien nicht der Fall, sollte sich das Parlament mit seiner Position durchsetzen.

Wirtschaftsverbände begrüßten, dass Unternehmen mehr Planungssicherheit erhalten. Der Energieexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Sebastian Bolay, zeigte sich erleichtert, „dass das Parlament keine dauerhafte Erlösabschöpfung einführen will“. Eine solche Abschöpfung von besonders hohen Gewinnen war während der Energiekrise zeitweilig eingeführt worden.

Kerstin Andreae, Geschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), betonte, die Finanzierung des Ausbaus erneuerbarer Energien müsse im Mittelpunkt der Strommarktreform stehen. „Die Strommärkte müssen auch weiterhin so gestaltet sein, dass sie den Wettbewerb und den Energiebinnenmarkt unterstützen.“

Der europäische Stahlverband stellte heraus, dass Regierungen die Möglichkeit bekommen sollen, subventionierte Industriestrompreise einzuführen. Allerdings sei die Reform nur begrenzt geeignet, den Strompreis kurzfristig auf ein nachhaltiges Niveau zu senken. Man brauche „strukturelle Lösungen“ jenseits von komplexen Subventionsprogrammen.

Ökonomen warnen vor pauschaler Stromförderung

Auch Ökonomen sehen noch Schwächen. „Es ist unklar, ob durch diese Reform der Ausbau der erneuerbaren Energien wirklich beschleunigt wird“, sagt Georg Zachmann vom Brüsseler Institut Bruegel. Zwar seien Förderinstrumente vorgesehen, die den Bau von Solar- und Windparks noch attraktiver machen können. Die Reform führe aber auch zu vielen Ineffizienzen.

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„Wir brauchen Anreize, dass der Strom zu Tageszeiten und an Orten erzeugt wird, wo er knapp ist“, sagte Zachmann. Das könne bedeuten, Solaranlagen nach Osten und Westen auszurichten, um in den frühen und späten Stunden des Tages Strom zu erzeugen oder Kraftwerke an jenen Orten zu bauen, die besonders stromarm sind. Frei schwankende Großhandelspreise für Strom seien hier das beste Signal für sinnvolle Investitionen, sagt Zachmann.

Außerdem biete die Reform am Ende wahrscheinlich den Mitgliedstaaten viel Spielraum, welche Kraftwerke sie subventionieren. „Jedes Land wird die Leitplanken der EU anders nutzen und unterschiedliche Fördersysteme aufbauen“, sagte Zachmann.

Deutschland werde Möglichkeiten finden, Gaskraftwerke zu fördern, Frankreich werde weiter auf Atomkraft setzen können. „Ein effizientes europäisches Stromsystem entsteht so nicht.“

Mehr: Brüssel lehnt Pläne der Bundesregierung für neue Gaskraftwerke ab



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