Jul 20, 2023
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Haushalt: EU muss Milliarden an Zinsen zusätzlich zahlen

Written by Carsten Volkery

Brüssel Die EU-Kommission muss eine deutlich höhere Zinslast hinnehmen, sieht aber ihr AAA-Rating an den Finanzmärkten nicht in Gefahr. Das geht aus einem Schreiben von Haushaltskommissar Johannes Hahn an den Europaabgeordneten Markus Ferber (CSU) hervor, das dem Handelsblatt vorliegt.

Die Bonitätsnote der EU beruhe auf den Kapazitäten aller Mitgliedstaaten, inklusive der fünf AAA-Länder Deutschland, Niederlande, Schweden, Dänemark und Luxemburg, schrieb Hahn. Die Entwicklung bei schlechter bewerteten AA-Staaten wie Frankreich wirke sich nicht unmittelbar auf die EU-Bonität aus.

Anlass für Ferbers Anfrage war die Herabstufung Frankreichs von der Note AA auf AA- durch die Ratingagentur Fitch im Mai. Der Finanzpolitiker hatte die Sorge geäußert, dass nun auch die EU-Bonität herabgestuft werden könnte und die Zinslast für die Gemeinschaftsschulden dann noch ansteige.

Die Finanzierung der EU-Schulden ist seit der Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) deutlich teurer geworden. Der Kommission zufolge sind die Zinsen für zehnjährige EU-Anleihen seit der ersten Emission im Juni 2021 von 0,09 Prozent auf 3,2 Prozent im Mai 2023 gestiegen. Zum Vergleich: Die Zinsen auf die zehnjährige deutsche Bundesanleihe stiegen im gleichen Zeitraum von minus 0,2 Prozent auf 2,45 Prozent.

Ferber wies Hahn auch darauf hin, dass der erste Euro-Schutzschirm EFSF bereits herabgestuft worden sei – und fragte, ob Ähnliches nun auch beim Corona-Wiederaufbaufonds „NextGenEU“ drohe. Dieser verteilt 800 Milliarden Euro an die Mitgliedstaaten, um den grünen Umbau der Wirtschaft voranzutreiben. Der Fonds wird durch EU-Anleihen finanziert.

Hahn: EU-Finanzierung schon jetzt deutlich teurer

Hahn erklärte, es gebe einen Unterschied zwischen dem EFSF und dem Coronafonds. Der EFSF sei nur durch Garantien der Euro-Staaten abgesichert, weshalb die Herabstufung Frankreichs unmittelbare Folgen auf dessen Rating habe. Der Schutzschirm sei „weniger robust“ – der Coronafonds dagegen durch den EU-Haushalt garantiert.

Ferber kommentierte Hahns Antwortschreiben mit den Worten, die Kommission sei „sehr naiv unterwegs“. Wenn ein großer Staat wie Frankreich herabgestuft werde, habe das langfristig fast zwangsläufig auch Folgen für die Bonität von EU-Anleihen, so der CSU-Politiker. Die Zinslasten für den Coronafonds seien gegenüber den Kommissionsprognosen „förmlich explodiert“. Das werde schon jetzt zum Problem für die Handlungsfähigkeit der EU.

Markus Ferber (CSU)

Der deutsche Europaabgeordnete ist mit der Antwort der EU-Kommission nicht zufrieden.

(Foto: imago images/Sven Simon)

Tatsächlich hat die Zinsentwicklung neue Milliardenlöcher in den EU-Haushalt gerissen. In den laufenden Haushaltsverhandlungen fordert die Kommission von den Mitgliedstaaten zusätzliche 19 Milliarden Euro allein zur Deckung des Zinsanstiegs bis 2027.

Kommission fordert 99 Milliarden Euro

Insgesamt fordert die Behörde zusätzliche 99 Milliarden Euro für den mittelfristigen Finanzrahmen. 50 Milliarden Euro sind für die Ukraine vorgesehen, darunter Kredite in Höhe von 33 Milliarden, die zurückgezahlt werden sollen. Deshalb beziffert die Kommission ihren Finanzbedarf offiziell auf 66 Milliarden Euro.

Mit Ausnahme der Ukrainehilfen lehnen mehrere Mitgliedstaaten die EU-Forderungen nach mehr Geld rundheraus ab. Man müsse schließlich auch in den nationalen Haushalten sparen, argumentiert etwa Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

Christian Lindner (FDP)

Der deutsche Finanzminister hat EU-Forderungen nach mehr Geld bereits zurückgewiesen.

(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

Deshalb ist auch fraglich, ob die gesamte Summe für die Ukraine aus den nationalen Haushalten kommen wird. In Brüssel wird bereits überlegt, einen Teil über neue EU-Schulden zu decken.

Hahn: Fiskalregeln in diesem Jahr beschließen

Obendrein fordert die Kommission auch noch 15 Milliarden Euro für die Migrationspolitik, zehn Milliarden Euro für grüne Infrastruktur – sowie einige Milliarden für die gestiegenen Zinslasten und den Inflationsausgleich. In ihrer Prognose, die der ursprünglichen Haushaltsplanung zugrunde lag, war die Kommission von einem allmählichen Zinsanstieg auf 1,15 Prozent ausgegangen. Inzwischen liegt der Satz dreimal so hoch.

Die finanzielle Lage untermauere, „dass wir sowohl in Europa als auch in den Mitgliedstaaten zu haushaltspolitischer Vernunft zurückkehren müssen“, sagte Ferber. „Neue Schulden können nicht die Antwort auf jede Herausforderung sein.“

>> Lesen Sie hier: Wer von der Währungsunion profitiert – und wem sie schadet

Hahn erklärte, die vorgeschlagene Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts habe das Ziel, die Tragfähigkeit der Staatsschulden in der EU zu stärken. Deshalb sei es wichtig, dass die Mitgliedstaaten noch in diesem Jahr eine Einigung erzielten. Das sei auch „ein wichtiges Signal an die Kapitalmarktteilnehmer“.

Die Finanzminister sind jedoch in zwei Lager gespalten. Die einen, angeführt von Lindner, fordern möglichst einheitliche Schuldenregeln für alle Mitgliedstaaten. Die anderen, angeführt vom französischen Finanzminister Bruno Le Maire, wollen mehr Spielraum für die nationalen Regierungen durchsetzen.

Bei ihrem jüngsten Treffen war keine Annäherung zu erkennen. Eine Einigung in diesem Jahr gilt deshalb als fraglich.

Mehr: Deutschland stehen magere Jahre bevor – ein Kommentar



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