Neu Delhi Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat zum Auftakt seiner Indienreise am Donnerstag Hoffnung auf einen raschen Abschluss eines Handelsabkommens der EU mit Indien genährt. „Wir haben jetzt die Chance, innerhalb des nächsten Halbjahres voranzukommen“, sagte er zur Eröffnung des indisch-deutschen Wirtschaftsforums in Neu Delhi. Von deutscher Seite gebe es ein „starkes Momentum“, die Beziehungen zu Indien zu intensivieren.
Bereits seit anderthalb Jahrzehnten ist das Abkommen ein Thema, zwischenzeitlich waren die Verhandlungen allerdings für mehrere Jahre auf Eis gelegt worden. Nun aber ist Bewegung in die Gespräche gekommen. „Jetzt werden Dokumente ausgetauscht“, heißt es in Verhandlungskreisen. Es gehe um Monate, nicht mehr um Jahre. Es habe zuletzt eine Reihe fruchtbarer Gespräche gegeben, insgesamt habe sich die Qualität der Zusammenarbeit wesentlich verbessert. Gleichwohl handele es sich um ein anspruchsvolles Projekt.
Habeck, der Indien unmittelbar vor seiner Abreise als ein „interessantes, aber auch ein schwieriges Land“ bezeichnet hatte, ist der erste deutsche Wirtschaftsminister seit 2012, der Indien besucht. Das bevölkerungsreichste Land der Erde ist wachstumsstark, kann mit vielen gut ausgebildeten Menschen punkten, hat hohen Investitionsbedarf in den Bereichen Energie, Umwelt, Klima sowie Infrastruktur – und ist damit ein vielversprechender Partner für die deutsche Wirtschaft.
Deutschland hat Indien lange nicht sonderlich beachtet
Auf deutscher Seite wird eingeräumt, den Subkontinent lange vernachlässigt zu haben. Zuletzt waren jedoch mehrere deutsche Minister und auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Indien zu Gast.
Die Gründe dafür, dass das Interesse an Indien gestiegen ist, liegen auf der Hand. Die starke Fokussierung der deutschen Wirtschaft auf China sieht die Bundesregierung mittlerweile als ein Risiko. Erst in der vergangenen Woche legte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die Chinastrategie der Bundesregierung vor.
Im Kern der Strategie steht die Idee vom Derisking: China soll wichtiger Handelspartner bleiben, aber zugleich soll der wirtschaftliche Austausch mit anderen Ländern verstärkt werden.
Indien steht vor China auf Habecks Besuchsliste
Indien spielt dabei eine Schlüsselrolle. Dass der deutsche Wirtschaftsminister Indien noch vor China besucht, ist schon für sich genommen eine politische Botschaft – wenngleich man im Wirtschaftsministerium betont, Habecks Besuch in Indien habe sich wegen des am Wochenende in Indien stattfindenden G20-Energieminister-Treffens angeboten. Habeck wird voraussichtlich erst im kommenden Jahr nach China reisen.
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Die indische Regierung ist sich der Bedeutung ihres Landes sehr bewusst. Aktuell verhandelt Indien auch mit Australien und Kanada über Freihandelsabkommen. Beobachter gehen davon aus, dass die beiden Länder noch vor den Europäern zu einem Abschluss kommen. Die Inder wollen insbesondere eine Öffnung im Dienstleistungssektor erreichen.
Zölle sind aus deutscher Sicht eine große Bürde
Aus deutscher Sicht ist entscheidend, im Industriebereich besseren Zugang zum indischen Markt zu bekommen. Für die Unternehmen in dem Sektor sind Zölle aus deutscher und europäischer Sicht eine Bürde. „Die Zölle, die Indien erhebt, betragen im Durchschnitt 13 Prozent, im Einzelfall erreichen sie sogar 150 Prozent“, sagt Volker Treier, Außenhandelschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK).
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Treier kritisiert, die indischen Zoll- und Fiskalbehörden bauten immer wieder Hürden auf. „Nachweisprozesse beispielsweise für Ursprungszeugnisse oder Lizenzen gestalten sich schwierig. Die Unternehmen verlieren viel Zeit, der Kostenaufwand ist beträchtlich“, sagte er.
Deutsche Unternehmen haben hohes Interesse, ihr Engagement in Indien zu intensivieren. Aktuell sind 2000 deutsche Unternehmen in Indien präsent, die 500.000 Menschen beschäftigen. Zu diesen Unternehmen zählt etwa Flender aus dem niederrheinischen Bocholt.
Das Unternehmen produziert Getriebe für Windturbinen. „Neben Europa und China entwickelt sich Indien immer mehr zu einem der zentralen Standorte für die Lieferketten der Windenergie“, sagte Flender-CEO Andreas Evertz dem Handelsblatt. Die weitere Expansion in Indien sei daher eine wichtige Säule in der Strategie des Unternehmens.
Die Erneuerbare-Energien-Branche insgesamt sieht große Chancen auf dem indischen Markt. Das Land plant einen starken Ausbau der Photovoltaik- und Windkraftkapazitäten.
Indische Fachkräfte für deutschen Photovoltaik-Ausbau
Indien könnte umgekehrt auch dabei helfen, die ambitionierten Ausbauziele in Deutschland zu erreichen. Darauf weist der Bundesverband der Solarwirtschaft (BSW) hin. „Deutschland wird seinen Photovoltaikausbau in den nächsten vier Jahren verdoppeln. Das wird eine riesige Kraftanstrengung, bei der wir jede Hilfe brauchen können“, sagte BSW-Präsident Jörg Ebel.
Potenzial sieht Ebel bei Rohstoffen wie Polysilizium, Solarkomponenten und Fachkräften. Indien habe gut ausgebildete Fachkräfte, von denen viele bereit wären, für deutsche Unternehmen zu arbeiten. Mit dem gerade verabschiedeten Fachkräfteeinwanderungsgesetz habe die Ampel die Zusammenarbeit in diesem Bereich vereinfacht.
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