London Politisch spielt Nigel Farage in Großbritannien zwar keine Rolle mehr. Dennoch ist es dem einstigen Brexit-Vorkämpfer gelungen, Parlament, Regierung und das Bankenviertel in der City of London in seinen Bann zu ziehen. Im Zentrum steht dabei die Streitfrage, ob und wann Banken aus Reputationsgründen die Konten unliebsamer Kunden auflösen können und wann sie dabei die Meinungsfreiheit einschränken.
Die Privatbank Coutts, die nur Millionäre und Mitglieder der Königsfamilie betreut, hat dem 59-jährigen Ex-Politiker vor Kurzem das Bankkonto gekündigt. Farage war sauer und vermutete, dass die Banker ihn aus politischen Gründen loswerden wollten. Zunächst berichteten britische Medien jedoch, das Vermögen des politischen Rechtsaußen sei unter die Millionengrenze gefallen – es handele sich um eine rein geschäftliche Entscheidung.
Jetzt hat Farage jedoch interne Bankdokumente vorgelegt, die sein Misstrauen stützen: Demnach wurde er in einer Vorlage für den Reputationsausschuss der Natwest-Tochter als „unaufrichtiger Betrüger“ mit „fremdenfeindlichen, chauvinistischen und rassistischen Ansichten“ klassifiziert.
Als Belege werden seine Haltung zum Brexit, angebliche Verbindungen nach Russland sowie seine Freundschaft mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump zitiert. „Der Ausschuss war der Ansicht, dass die Fortsetzung der Bankgeschäfte (von Nigel Farage) mit Coutts angesichts seiner öffentlich geäußerten Ansichten, die im Widerspruch zu unserer Position als integrative Organisation stehen, nicht vereinbar ist“, heißt es in dem Bericht.
Coutts wollte zu den Gründen für die Kontoauflösung aus Gründen des Datenschutzes nicht Stellung nehmen, weist aber darauf hin, dass dafür „eine Reihe von Faktoren“ berücksichtigt würden, „darunter wirtschaftliche Rentabilität, Reputationserwägungen sowie rechtliche und regulatorische Anforderungen“.
Kritik an Entscheidung der Banker
Die konservative Presse und viele Tory-Parlamentarier sehen nun die Meinungsfreiheit im Königreich in Gefahr. Auch Premierminister Rishi Sunak äußerte sich kritisch zu der Entscheidung der Banker: „Das ist falsch. Niemand sollte wegen seiner politischen Ansichten von der Nutzung grundlegender Dienste ausgeschlossen werden. Die Meinungsfreiheit ist der Eckpfeiler unserer Demokratie.“
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Seine rechte Parteifreundin Suella Braverman sieht sogar den sogenannten „Woke-Kapitalismus“ am Werk: „Der Coutts-Skandal entlarvt die finstere Natur eines Großteils der Diversitäts-, Gleichheits- und Inklusionsbranche“, twitterte die Innenministerin. Die Tageszeitung „The Telegraph“ will erfahren haben, dass die Regierung künftig jenen Banken die Lizenz entziehen will, die Kunden mit nicht genehmen Meinungen benachteiligen.
Dass sogenannte „politisch exponierte Personen“ von Banken stärker unter die Lupe genommen werden als andere Kunden, ist seit Langem eine gängige Praxis, auch um die strikten Anforderungen der Finanzaufsicht gegen Geldwäsche zu erfüllen. Zudem haben Banken das Recht, sich von Kunden zu trennen, wenn sie ihre Reputation durch die Geschäftsbeziehung gefährdet sehen.
Allerdings hat Nikhil Rathi, Chef der britischen Finanzaufsicht FCA, gerade darauf hingewiesen, dass Kunden aufgrund ihrer politischen Ansichten nicht diskriminiert werden dürften und „fair“ behandelt werden müssten. Man sei im Gespräch mit Natwest, sagte Rathi vor einem Parlamentsausschuss.
Farage fordert hingegen, dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss die Affäre aufklärt. Für den Populisten ist es in jedem Fall eine Steilvorlage, um seinen Feldzug gegen das politische und wirtschaftliche Establishment wieder aufzunehmen.
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