Berlin Tarifverträge schaffen bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne, argumentieren die Gewerkschaften gerne. Das ist sicher in Branchen oder Unternehmen, in denen Tarifverträge gelten, zutreffend. Doch gesamtwirtschaftlich lässt sich dieser Zusammenhang für das vergangene Jahr so nicht herstellen. Denn obwohl die Tarifbindung weiter gesunken ist, sind die Löhne kräftig gestiegen.
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) lag das Medianentgelt aller sozialversicherungspflichtig in Vollzeit Beschäftigten im vergangenen Jahr bei 3646 Euro. Gegenüber dem Jahr 2021 sind die Löhne und Gehälter somit um 130 Euro oder 3,7 Prozent gestiegen.
Der Median teilt die Einkommensverteilung genau in der Mitte, das heißt, die eine Hälfte der Beschäftigten verdient weniger, die andere mehr. Dem Anstieg liegt laut BA allerdings neben den Tariferhöhungen zumindest teilweise noch ein Sondereffekt zugrunde. Denn 2021 wurden die Löhne dadurch gedrückt, dass viele Beschäftigte sich coronabedingt noch in Kurzarbeit befanden und deshalb weniger verdienten als gewöhnlich.
2019, im letzten Jahr vor der Pandemie, war das Medianentgelt um knapp drei Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Männer verdienten im vergangenen Jahr im Mittel rund 3779 Euro – gerundet 365 Euro mehr als Frauen, die auf 3413 Euro kamen. Am meisten verdienten Beschäftigte in Hamburg mit im Mittel 4127 Euro, am wenigsten in Mecklenburg-Vorpommern, wo der Median bei 2935 Euro lag.
Bei der Tarifbindung in Deutschland setzt sich der „schleichende Bedeutungsverlust“ fort, bilanziert das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), das die jüngsten Daten im Rahmen seines Betriebspanels erhoben hat.
Immer weniger Beschäftigte arbeiten in Betrieben mit Flächentarifvertrag
Demnach arbeiteten im vergangenen Jahr in Westdeutschland noch 43 Prozent der Beschäftigten in einem Betrieb, für den ein Flächentarifvertrag gilt. Im Osten waren es 33 Prozent, im bundesweiten Durchschnitt 41 Prozent. Für weitere neun Prozent der Beschäftigten im Westen und zwölf Prozent im Osten galt ein Haus- oder Firmentarifvertrag.
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Von den Betrieben waren in Deutschland noch 23 Prozent an einen Branchentarifvertrag gebunden, 24 Prozent der west- und 16 Prozent der ostdeutschen. Für weitere zwei Prozent der Unternehmen im Westen und drei Prozent im Osten galt ein Haus- oder Firmentarifvertrag.
In Summe waren also in Deutschland im vergangenen Jahr drei von vier Betrieben und 49 Prozent der Beschäftigten nicht an einen Tarif gebunden. Allerdings orientierten sich 41 Prozent der Betriebe, die keinen Tarifvertrag haben, an bestehenden Tarifwerken.
Nachdem die Tarifbindung in den Jahren 2020 und 2021 kurzzeitig stabil geblieben sei, habe sie im vergangenen Jahr wieder an Bedeutung verloren, schreibt das IAB. In der Gesamtwirtschaft sank der Anteil der Beschäftigten in branchentarifgebundenen Betrieben von 1996 bis 2022 in Westdeutschland um insgesamt 26 Prozentpunkte, in Ostdeutschland – ausgehend von einem deutlich niedrigeren Niveau – um 23 Prozentpunkte.
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