Berlin Der Nationale Normenkontrollrat drängt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), spätestens bis zum Jahresende mit den Bundesländern einen Pakt zu schließen, um Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. „Aus meiner Sicht müssen sich Bund und Länder bis Jahresende einigen, wenn wir das viel beschworene Deutschlandtempo in dieser Legislatur noch erreichen wollen“, sagte der Vorsitzende Lutz Goebel dem Handelsblatt.
Die Beschleunigung der Verfahren sei „überfällig“, erklärte er. „Ob Instandhaltung oder Neubau, ob Energiewende oder Digitalisierung, die Modernisierung unserer Infrastruktur und die Investitionstätigkeit unserer Wirtschaft darf nicht länger durch bürokratische Auflagen gebremst werden.“
Kanzler Scholz persönlich hat es zu einer zentralen Aufgabe der selbst ernannten „Fortschrittskoalition“ von SPD, Grünen und FDP erklärt, die Regeln so zu ändern, dass die Verfahren nur noch halb so lange wie bisher dauern.
Um das „Deutschlandtempo“ zu erreichen, will der Bund mit den Ländern einen „Pakt“ schließen, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Dazu sollen sogenannte Beschleunigungsagenturen des Bundes, die Länder und Kommunen nutzen dürfen, mehr Personal, digitalisierte Prozesse und mehr Kapazitäten an den Gerichten gehören.
Erste Gespräche mit den Bundesländern gab es bereits im Frühjahr 2022. Allerdings gibt es bis heute keine Verständigung, was die Ministerpräsidenten bei mehreren Konferenzen mit dem Bund beklagt haben. Die Verzögerung sei „bedenklich“, sagte Goebel. Sie zeige aber auch, „wie komplex die Problemstellung ist“.
Kontrollrat schlägt konkrete Maßnahmen für schnellere Verfahren vor
Die Hauptkritik der Länder besteht darin, dass der Bund vor allem Prüfaufträge formuliert hat, aber kaum konkret wirksame Maßnahmen. Dies kritisiert auch der Normenkontrollrat. „Konkrete Maßnahmen“ ließen sich „bislang kaum erkennen“, heißt es in einem 16 Seiten umfassenden Positionspapier, das der Kontrollrat vergangene Woche dem Kanzleramt übermittelte. Es liegt dem Handelsblatt vor.
Darin fordert das unabhängige Beratungsgremium der Bundesregierung, europäische Regeln nicht weiter zu verschärfen. So solle der Bund zum Beispiel prüfen, bei welchen Industrieanlagen wirklich umfangreiche Genehmigungsverfahren notwendig sind und wo ein vereinfachtes Verfahren für den Bau ausreicht.
Ebenfalls empfiehlt der Rat wie auch viele Experten, eine Stichtagsregelung einzuführen. „Heute müssen Antragsunterlagen bis zur Genehmigung aktuell gehalten werden, was immer wieder aufwendige naturschutz- und umweltrechtliche Prüfungen erfordert. Dies könnte mit der Einführung von Stichtagsregelungen vermieden werden“, folgert der Rat.
Darüber hinaus plädiert der Rat dafür, dass sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für Erleichterungen einsetzt, die nach EU-Recht derzeit nicht möglich sind. Dazu gehört die Regelung, dass bis zu einem bestimmten Stichtag Bedenken vorgetragen werden müssen. Zu einem späteren Zeitpunkt können diese nicht mehr eingebracht werden.
Einsparpotenzial liegt auch bei Groß- und Schwertransporten
Neben Vorschlägen, das Verbandsklagerecht einzuschränken, Gerichtsverfahren zu verkürzen, auf Mediationsverfahren zu setzen sowie die Standardisierung von Verfahren voranzubringen wie auch digitalisierte Prozesse, legt der Rat ein Augenmerk auf „indirekte Beschleunigungseffekte“ bei Infrastrukturprojekten.
Als Beispiel nennt der Rat die Genehmigung von Großraum- und Schwerlasttransporten. Die Transporteure klagen seit Langem, dass die Genehmigung eines Transports viel zu lange dauert und vor allem bei der Autobahngesellschaft in Norddeutschland Zigtausende Anträge unbearbeitet liegen. Im Mai gab es bereits ein Krisentreffen im Bundesverkehrsministerium angesichts der Probleme.
Die Lage im Norden ist besonders problematisch, da etliche Transporte die Seehäfen ansteuern müssen, um Exportgüter zu verschiffen. Andere Transporte betreffen die steigende Zahl an Windanlagen, mit denen der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt werden soll. Der Windanlagenhersteller Enercon etwa klagt über Genehmigungszeiten von bis zu 14 Wochen und etliche Anlagen, deren Aufbau sich wegen der langen Genehmigungsverfahren verzögert.
Der Rat verweist in dem Zusammenhang auf eine Absurdität in den Verfahren: So gelten Transporte, die bis zu 15 Zentimeter kleiner oder bis zu fünf Prozent leichter sind als angemeldet noch als genehmigt.
>> Lesen Sie hier: Zehntausende Schwertransporte warten auf Autobahn-Genehmigungen
Fällt der Transport noch kleiner und noch leichter aus als geplant, dann muss der Transporteur eine neue Genehmigung einholen und verliert unter Umständen erneut viele Wochen, bevor er die Güter zur Baustelle schaffen kann. „Die Anzahl der Genehmigungen könnte verringert werden, wenn die Unterschreitung der in der Genehmigung angegebenen Abmessung generell zugelassen werden würde“, empfiehlt der Rat.
Mehr: Gestörte Lieferketten wegen fünf Zentimetern – Wie die Autobahn GmbH für Chaos sorgte
<< Den vollständigen Artikel: Bürokratieabbau: Normenkontrollrat hält schnellere Verfahren für „überfällig“ >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.