Jul 23, 2023
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Energiepolitik: „Drei bis fünf Jahre reichen“ – Habeck zu Zugeständnissen beim Industriestrompreis bereit

Written by Klaus Stratmann


Goa Seit Monaten streitet die Bundesregierung um die Einführung eines Industriestrompreises. Nun zeigt sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu Zugeständnissen bereit. „Wir brauchen für die nächsten drei bis fünf Jahre einen Industriestrompreis“, sagte er auf seiner Indienreise. Damit wäre die Laufzeit des Industriestrompreises wesentlich kürzer, als bislang von ihm gefordert wurde.

Habeck drängt auf eine möglichst baldige Entscheidung. Man habe nicht mehr viel Zeit: „Wenn wir noch lange reden, dann machen die Unternehmen ihre eigenen Entscheidungen und die werden dann nicht mehr für den Standort Deutschland sein“, sagte er. 

Unterstützung bekommt Habeck aus der SPD-Bundestagsfraktion. Deren Vizefraktionschef Achim Post sagte, ein zeitlich befristeter, zielgerichteter Industriestrompreis sei „eine wichtige Brücke, bis über den Hochlauf der erneuerbaren Energien wettbewerbsfähige Energiepreise dauerhaft erreicht sind“.

Habeck wirbt seit Wochen für seinen Plan. Bislang sieht das Konzept aus seinem Haus vor, Unternehmen mit einer bestimmten Energie- und Wettbewerbsintensität bis zum Jahr 2030 für 80 Prozent ihres historischen Stromverbrauchs einen Strompreis von nur sechs Cent je Kilowattstunde Strom zu garantieren.

Habecks Vorschlag könnte die Kosten erheblich senken

Die staatlichen Hilfen für einen Industriestrompreis hätten ein Volumen von bis zu 30 Milliarden Euro. Eine Laufzeit der Regelung von nur drei bis fünf Jahren statt bis 2030 könnte die Kosten reduzieren.
Damit würde Habeck seinem Kabinettskollegen Christian Lindner (FDP) entgegenkommen. Der Bundesfinanzminister lehnt einen Industriestrompreis unter anderem aus Kostengründen ab.
Nach Habecks Vorstellungen soll das Geld zur Finanzierung des Industriestrompreises aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) kommen.

Dieser in der Coronapandemie errichtete Sondertopf wurde in der Energiekrise reaktiviert, um deren Folgen abzufedern. Finanziert werden mit den bis zu 200 Milliarden Euro vor allem die Strom- und Gaspreisbremsen. Wegen sinkender Preise dürfte die Finanzierung der Bremsen aber deutlich günstiger werden – weshalb nun viel Geld im Topf übrig ist. Lindner will diese Mittel nicht nutzen, Habeck hält das für fahrlässig.
Der Wirtschaftsminister sagte in Indien, zwar sei die akute Phase der Energiekrise mit ihren Preisspitzen vorüber. Die Energiekrise insgesamt sei aber noch nicht abgewendet, die Energiepreise bewegten sich weiter auf hohem Niveau. Zugleich sei im WSF „noch jede Menge Geld vorhanden“, meinte der Minister.

Streichung der Stromsteuer würde der Industrie nicht nutzen

Die FDP lehnt nicht nur einen staatlich subventionierten Industriestrompreis grundsätzlich ab. Sie sperrt sich auch gegen eine Öffnung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds, weil sie dies rechtlich für nicht zulässig hält.

SPD-Politiker Post betonte, es sei richtig, dass es bei der Nutzung des WSF enge rechtliche Grenzen gebe. „Trotzdem würde ich mir wünschen, dass wir jetzt mögliche Finanzierungswege für einen Industriestrompreis lösungsorientiert prüfen, darunter auch den WSF, anstatt sie von vorneherein kategorisch auszuschließen.“

Unterstützung erhielten die Gegner eines Industriestrompreises vor wenigen Tagen vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesfinanzministerium. In einer Stellungnahme des Beirates, über die das Handelsblatt zuerst berichtet hatte, heißt es, ein Industriestrompreis berge die Gefahr, „dass notwendige strukturelle Anpassungsprozesse unterbleiben“. 

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Weiter heißt es darin, in Zeiten knapper Finanzen und angesichts des notwendigen Kraftakts bei der Ausweitung der erneuerbaren Energien „raten wir von der Einführung eines Industriestromtarifs ab“. Der Beirat schlägt der Regierung vor, über eine vollständige Abschaffung der Stromsteuer nachzudenken. Im Beirat sitzen namhafte Ökonomen wie ESMT-Präsident Jörg Rocholl und Ifo-Chef Clemens Fuest, das Gremium ist unabhängig.

Die vom Wissenschaftlichen Beirat geforderte Abschaffung der Stromsteuer hätte indes für die energieintensiven Branchen, die von Habecks Industriestrompreis profitieren sollen, keinen Entlastungseffekt. Sie sind ohnehin von der Stromsteuer befreit. Die Stromsteuer beträgt 2,05 Cent je Kilowattstunde.

Von einer Reduzierung oder einer vollständigen Abschaffung der Stromsteuer würden allerdings kleinere und mittlere Unternehmen, die den vollen Steuersatz zahlen, profitieren. So rechnet die Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade anhand konkreter Fallbeispiele vor, welche Effekte es hätte, wenn die Stromsteuer von 2,05 Cent auf den europäischen Mindestsatz von 0,05 Cent reduziert würde. 

Niedersachsen pocht auf Industriestrompreis

Demnach könnte eine mittlere Bäckerei mit 53 Beschäftigten und einem jährlichen Stromverbrauch von gut 200.000 Kilowattstunden durch die Absenkung der Stromsteuer um bis zu 4265 Euro entlastet werden. Auch eine Fleischerei mit ähnlich hohem Stromverbrauch müsste demnach künftig statt annähernd bis zu 4500 Euro nur noch rund 100 Euro Stromsteuer im Jahr zahlen. 

Aber auch für kleinere und nicht so stromintensive Handwerksbetriebe würde die Stromsteuer den Berechnungen der Handwerkskammer zufolge bei einer Besteuerung nach dem europäischen Mindestsatz spürbar sinken.

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Zugleich erhalten jedoch auch die Befürworter eines Industriestrompreises Zuspruch. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) sagte, er teile die Einschätzung des Wissenschaftlichen Beirates keineswegs. „Von einer starken und zukunftsfähigen Industrie profitiert auch der Rest der Wirtschaft. Die energieintensive Industrie steht vor massiven Herausforderungen“, erklärte er. 

An einem Industriestrompreis führe kein Weg vorbei, so Lies. Es gehe nicht darum, energieintensive Gewerbe mit staatlicher Unterstützung am Leben zu erhalten, damit unverändert wie bisher weiterproduziert werden könne. Vielmehr müsse die Dekarbonisierung von Produktionsprozessen aktiv vorangetrieben und unterstützt werden, um das Ziel der CO2-Neutralität erreichen zu können.

Mehr: Wie die EU-Regulierung den Import von grünem Wasserstoff bremst



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