Berlin Finanzminister Christian Lindner (FDP) richtet den Kampf gegen Geldwäsche grundlegend neu aus. Ab 1. Januar 2024 will Lindner ein neues Bundesfinanzkriminalamt aufbauen. Darin sollen bestehende Behörden ihre Kräfte bündeln, um auch große Fälle mit internationalen Verzweigungen bearbeiten zu können.
Das geht aus dem Entwurf des „Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetzes“ hervor, der dem Handelsblatt vorliegt und den Lindner am Montag in die Ressortabstimmung gegeben hat. Mit dem Gesetzentwurf nehme das Finanzministerium eine „tektonische Neuordnung der Bekämpfung von Finanzkriminalität in Deutschland in Angriff“, hieß es in Regierungskreisen.
Bislang ist es in Deutschland verhältnismäßig leicht, kriminell erlangtes Geld etwa aus dem Drogenhandel durch Investitionen in Autos, Immobilien oder teuren Schmuck zu waschen. Laut Studien werden hierzulande pro Jahr 100 Milliarden Euro gewaschen, doch nur ein Bruchteil davon wird verfolgt. Die Bundesrepublik gilt daher international als „Geldwäsche-Paradies“. Diesem zweifelhaften Ruf will Lindner nun mit der großangelegten Reform ein Ende bereiten.
„Zur Schaffung dezidierter Kapazitäten und Bündelung wichtiger Kompetenzen für die Geldwäschebekämpfung im Geschäftsbereich des Bundesfinanzministeriums wird zum 1. Januar 2024 mit dem Bundesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (BBF) eine spezialisierte Behörde errichtet“, heißt es in dem Gesetzentwurf. Innerhalb des Finanzkriminalamtes soll ein „Ermittlungszentrum Geldwäsche (EZG)“ eingerichtet werden, eine spezielle „Einheit für strafrechtliche Ermittlungen bei bedeutsamen Fällen der internationalen Geldwäsche mit Deutschlandbezug“.
Wie Lindner Finanzkriminalität bekämpfen will
Doch Lindner will mit seiner Mammutreform nicht nur alte Strukturen aufbrechen. Auch bei den Instrumenten gehe das Gesetz „neue Wege zur Erhöhung der Schlagkraft gegen Finanzkriminalität“, hieß es in Regierungskreisen. Mehr als 700 Millionen Euro lässt sich Lindner die Reform in den nächsten vier Jahren laut Gesetzentwurf kosten. Konkret plant er folgende Veränderungen:
- Zum 1. Januar 2024 soll das BBF mit Sitz in Köln an den Start gehen. Darin sollen bis Mitte 2025 die bisherige Geldwäsche-Bekämpfungseinheit „Financial Intelligence Unit (FIU)“ sowie die „Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung (ZfS)“ aufgehen. Damit werde „ein vernetztes Vorgehen bei der Bekämpfung der Geldwäsche in Deutschland etabliert und die bestehende Fragmentierung überwunden“, hieß es in Regierungskreisen.
- Herzstück der Behörde soll das neue „Ermittlungszentrum Geldwäsche (EZG)“ werden. „Die bestehende deutsche Sicherheitsarchitektur erhält mit dem EZG ein Gravitationszentrum für die strafrechtlichen Ermittlungen für die großen Fische der Geldwäsche“, hieß es in Regierungskreisen. Das Ermittlungszentrum soll den Fokus auf illegale Finanzströme legen, um kriminelle Strukturen, Netzwerke und professionelle Geldwäscher aufzuspüren.
- Die Zuständigkeiten des Bundeskriminalamtes, des Zollfahndungsdienstes sowie der Staatsanwaltschaften der Länder bleiben erhalten. Die neue Behörde soll aber die Geldwäscheaufsicht für alle Bereiche außerhalb des Finanzsektors mit den Bundesländern eng koordinieren.
- Damit die neue Ermittlungseinheit besser arbeiten kann, will Lindner eine „administrative Vermögensermittlung“ einführen, die auch unterhalb der Schwelle des strafrechtlichen Anfangsverdachts Vermögensermittlungen erlaubt.
- Ebenso will Lindner ein „Immobilientransaktionsregister“ einrichten, um allen Geldwäsche- und Strafverfolgungsbehörden einen volldigitalen Zugriff auf Immobiliendaten zu ermöglichen. Zugleich will er die Datenqualität des bereits bestehenden Transparenzregisters steigern. Das Register gibt Einblick in die Liste der Personen, die hinter einem Unternehmen stehen oder wirtschaftlichen Einfluss auf eine Firma haben.
Durch die Umbauten strebt der Finanzminister eine Art Mentalitätswechsel an. Als Leitsatz bei der Bekämpfung von Finanzkriminalität soll gelten: „Follow the money.“ Bisher war Geldwäsche oft ein Beifang, während sich die Ermittlungen eigentlich gegen andere Taten wie Drogenhandel richteten. Mit dem Finanzkriminalamt will man nun eigenständig den „Fokus auf illegale Finanzströme“ legen.
Mit den Reformen will Lindner Lücken schließen, wegen derer Deutschland seit Jahren in der Kritik steht. Als im Vorjahr internationale Experten der „Financial Action Task Force“ die Effizienz der deutschen Geldwäschebekämpfung prüften, fiel ihr Urteil erneut wenig schmeichelhaft aus.
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In bestimmten Bereichen seien „erhebliche Verbesserungen erforderlich“, mahnten die Prüfer in ihrem Abschlussbericht. Besonders die Überwachung des Privatsektors müsse wirksamer werden. Die Anti-Geldwäsche-Einheit FIU bekomme zwar relativ viele Verdachtsmeldungen von Banken, allerdings kaum von Notaren, Kunst- und Autohändlern.
Allerdings war die FIU schon mit den bisherigen Meldungen überfordert. Immer wieder sorgte sie in den vergangenen Jahren für negative Schlagzeilen.
So war im vergangenen Jahr bekannt geworden, dass bei der FIU zwischen Januar 2020 und September 2022 rund 100.000 Geldwäsche-Verdachtsmeldungen nicht weiterbearbeitet wurden. Unternehmensberater von PwC fanden im Auftrag des Bundesfinanzministeriums heraus, dass die Bearbeitungsrückstände „aufgrund des mangelnden FIU-internen Controllings unerkannt geblieben“ seien.
FIU: Wieder drohen Zehntausende Fälle liegen zu bleiben
In diesem Juni hatte die FIU erst die Hälfte aller liegen gebliebenen Verdachtsfälle an die zuständigen Behörden weitergeleitet, wie das Handelsblatt berichtete. „Von den durch die Task Force bislang endbearbeiteten 58.288 Verdachtsmeldungen wurden 26.388 an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden abgegeben“, schrieb Finanz-Staatssekretärin Katja Hessel (FDP) in einer Antwort auf eine Frage von Linken-Politikerin Janine Wissler.
Und in diesem Jahr drohen abermals Zehn- oder gar Hunderttausende neue Geldwäsche-Verdachtsmeldungen liegen zu bleiben, weil die Mitarbeiter die Meldungen seit einigen Wochen nur noch händisch auswerten dürfen, wie die „Wirtschaftswoche“ Anfang des Monats berichtete.
Auch diese Probleme will Lindner durch die neue Behörde beheben. Doch das wird einige Zeit dauern. So soll das neue Bundesfinanzkriminalamt zwar 2024 an den Start gehen. Doch dann beginnt der Aufbau erst, wohl erst 2025 beginnt die Integration der anderen Behörden. Bis das neue Amt also voll funktionstüchtig ist, dürfte es einige Zeit dauern.
Und beim Aufbau wird der oder die Präsidentin von Lindners neuem Finanzkriminalamt vor einem Problem stehen, mit dem auch die FIU seit Jahren zu kämpfen hat: dem großen Fachkräftemangel. Top-IT-Kräfte oder Forensiker in den Staatsdienst zu locken ist ausgesprochen schwer – auch, weil die Bezahlung in der Privatwirtschaft oft besser ist.
Mehr: Ein Schweizer wird Deutschlands oberster Geldwäschebekämpfer.
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