Bis Sonntagabend galt eine glasklare Ansage von Merz: Keine Zusammenarbeit nirgends. Jedem CDU-Politiker, der mit der AfD kooperiert, dem droht ein umgehendes Parteiausschlussverfahren.
Allerdings stellt sich die Frage – und über die ist Merz im Interview gestolpert –, wie sich diese Maßgabe mit den jüngsten Wahlergebnissen in ostdeutschen Kommunen verträgt. Darf ein Bürgermeister nicht mehr ans Telefon gehen, wenn der AfD-Landrat anruft? Wie gehen Kommunalpolitiker im Gemeinderat mit einem AfD-Bürgermeister um?
Die Antwort der demokratischen Parteien kann kaum lauten, auf Jahre eine Gemeinde oder einen Landkreis lahmzulegen. Die Vermutung, dass dies nur den Frust der Bürger und damit das Wahlergebnis der AfD erhöhen würde, ist plausibel.
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Merz hätte darauf hinweisen können, dass sich solche Probleme für Kommunalpolitiker stellen können, nicht nur für die von der CDU, sondern auch von SPD, Grünen und FDP. Doch seine Ausführungen klangen grundsätzlicher, so als wolle er das Kooperationsverbot auf den Bundestag und die Landtage begrenzen und für die Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene die Tür öffnen. Das wäre dann eine grundlegende Neupositionierung.
Entsprechend fielen die Reaktionen aus. Nicht nur bei SPD und Grünen, die Merz schon aus parteitaktischen Erwägungen kritisieren und ihm unterstellen, die CDU nach rechts zu verschieben. Auch in der Union beäugen viele den Kurs des Parteichefs kritisch. Anders ist der parteiinterne Aufstand, der auf Merz‘ Äußerungen folgte, nicht zu erklären.
Viele CDU-Obere sahen sich genötigt, den eigenen Parteichef an den Unvereinbarkeitsbeschluss in Sachen AfD zu erinnern – und haben damit den Eindruck noch verstärkt, der CDU-Chef führe anderes im Schilde. Auch der wahlkämpfende CSU-Chef Markus Söder übte deutliche Kritik.
Merz blieb am Montag nur das Zurechtrücken seiner eigenen Aussagen. Es gelte weiterhin: Auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit mit der AfD. Was das nun vor Ort etwa für den Umgang mit einem AfD-Landrat bedeutet, ist offen. Klarheit herrscht nach dieser Klarstellung nicht.
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Man mag als CDU-Politiker die Empörung vor allem der Sozialdemokraten als geheuchelt kritisiert. Schließlich stehen auch sie zumindest in ostdeutschen Kommunen vor ähnlichen Problemen. Und Berichte über eine Zusammenarbeit mit der AfD bei einzelnen Vorgängen in Kommunen finden sich auch bei anderen Parteien.
Die CDU aber steht nicht ohne Grund unter besonderer Beobachtung. Sie selbst sorgt seit Monaten für den Eindruck, mal wieder (oder immer noch) in einem Richtungsstreit zu stecken. Trotz der durch das Mitgliedervotum verliehenen Autorität ist es Merz nicht gelungen, die Partei zu einen und hinter sich zu bringen.
Äußerungen von liberaleren Parteivorderen wie Daniel Günther und Hendrik Wüst auf der einen Seite sowie Konservativen um Parteichef Merz auf der anderen wirken nicht wie ein abgestimmtes breites Angebot einer Volkspartei, sondern ein Gegeneinander von Flügelkämpfern. Und über allem scheint bereits die Frage zu schweben: Wer wird Kanzlerkandidat?
Die Zweifel an Merz werden immer offener geäußert. Warum gelingt es ihm nicht, von der Ampel-Schwäche zu profitieren und den Höhenflug der AfD zu bremsen? Die Nervosität in der CDU steigt mit jedem weiteren Tag, an dem sich diese Tendenz in den Umfragen nicht ändert.
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