Berlin, Washington Die konjunkturellen Aussichten in Deutschland trüben sich weiter ein. Im neuen Wachstumsausblick des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist die deutsche Volkswirtschaft unter den 22 untersuchten Staaten und Regionen die einzige, in der das Bruttoinlandsprodukt 2023 sinken soll.
Der IWF rechnet mit einem Minus von 0,3 Prozent, wie die Washingtoner Organisation am Mittwoch bekannt gab. Auch 2024 kann Deutschland den Rückgang kaum kompensieren. Der IWF erwartet dann ein BIP-Wachstum von 1,3 Prozent.
Schon im Winterhalbjahr war die deutsche Wirtschaft in eine Rezession gerutscht. Zwei Quartale in Folge war die Wirtschaftsleistung geschrumpft. Im Anschluss hatten die meisten Ökonominnen und Ökonomen einen kleinen Aufschwung erwartet. Doch immer mehr spricht dafür, dass selbst der ausbleibt. Die Zeit der konjunkturellen Stagnation droht anzuhalten.
Am kommenden Montag gibt das Statistische Bundesamt eine erste Schätzung für das zweite Quartal ab. Immer mehr Experten rechnen mit einem erneuten Minus.
Auch für das angelaufene dritte Quartal könnte Besserung ausbleiben. „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte in einer Rezession befindet, ist gestiegen“, sagt Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank (HCOB).
Mehrere Frühindikatoren, darunter der Einkaufsmanagerindex, nähren die Sorgen vor einer dauerhaft schwachen Konjunktur.
Der IWF sieht die anhaltende Schwächephase vor allem durch die Industrie ausgelöst. Das zeigt sich unter anderem bei den Aufträgen. So ist das Auftragspolster der deutschen Industrie im Mai den dritten Monat in Folge geschmolzen. Der Auftragsbestand im verarbeitenden Gewerbe sank um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt vergangene Woche mitteilte.
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„Enttäuscht hat bislang vor allem die Industrie, denn trotz schwindender Lieferkettenprobleme tritt die Produktion weiter auf der Stelle“, sagt Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der staatlichen KfW-Bank.
Neben der schwachen Weltwirtschaft und steigenden Zinsen belasteten Deutschland Wettbewerbsnachteile durch Energiekosten. Die Preise für Strom, Öl und Gas gehen zwar zurück, sind in der Bundesrepublik aber immer noch höher als in den meisten anderen Ländern.
Frühindikatoren fallen erheblich ab
Der Ifo-Geschäftsklimaindex nährt die Sorgen. Dieser ist im Juli auf 87,3 Punkte gefallen, nach 88,6 Punkten im Juni. Es ist der dritte Rückgang in Folge. Das Ifo befragt für das Barometer regelmäßig 9000 deutsche Unternehmensmanager.
Die Unternehmen waren insbesondere mit den laufenden Geschäften merklich unzufriedener. Auch die Erwartungen gaben erneut nach. „Die Lage der deutschen Wirtschaft verdüstert sich“, erklärte Ifo-Präsident Clemens Fuest.
In allen Sektoren hat sich dem Ifo zufolge das Geschäftsklima verschlechtert. In der Industrie etwa sank die Auslastung von Fabriken und Maschinen um 1,4 Prozent, vor allem wegen der abnehmenden Aufträge. Im Bauhauptgewerbe ist der Geschäftsklimaindikator auf den niedrigsten Stand seit Februar 2010 gesunken.
Zuvor war bereits der Einkaufsmanagerindex schwach ausgefallen. Neben Firmenchefs befragt der Finanzdienstleister S&P Global dabei auch Einkaufsleiter von Unternehmen, sodass ein stärkerer Fokus auf Preisentwicklung und Lagerhaltung liegt.
Der Index für die gesamte deutsche Privatwirtschaft – Industrie und Dienstleister zusammen – sank im Juli um 2,3 auf 48,3 Punkte.
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Damit liegt das Barometer erstmals seit Januar unter der Schwelle von 50 Zählern, ab der es Wachstum signalisieren würde.
Es handelt sich nicht nur um den dritten Rückgang in Folge, sondern auch um den schlechtesten Wert seit acht Monaten. „Das ist ein schlechter Start in das dritte Quartal für die deutsche Volkswirtschaft“, sagte HCOB-Volkswirt de la Rubia.
Weltwirtschaft: Leicht verbessert
Deutschland bewegt sich mit seinen schwachen Aussichten damit gegen den Trend. Denn für die Weltwirtschaft sieht der IWF in seiner neuen Prognose positive Signale, auch wenn das globale Wachstum „im historischen Vergleich schwach“ bleibt. Die Lieferketten aber hätten sich „weitgehend erholt“, und der Dienstleistungssektor sei robust.
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Insgesamt schlägt der IWF einen leicht optimistischeren Ton an als noch im Frühjahr. „Bessere Ergebnisse für das globale Wachstum sind zunehmend plausibel geworden“, heißt es im aktualisierten Wirtschaftsausblick, vor allem wenn die Kerninflationsraten „schneller als erwartet sinken“ und die Energiepreise weiter fallen sollten.
Das globale Wachstum soll von 3,5 Prozent im vergangenen Jahr auf 3,0 Prozent in den Jahren 2023 und 2024 sinken. Im Vergleich zur April-Prognose ist das jedoch eine leichte Verbesserung von 0,2 Prozentpunkten für das laufende Jahr.
Allerdings kommt die globale Konjunktur weiterhin nicht an die Wachstumszahlen der Nullerjahre heran. Der IWF prognostiziert für 93 Prozent der Volkswirtschaften einen Rückgang des Wachstums im laufenden Jahr.
Euro-Zone: Neue Gewinner
Für die Euro-Zone prognostiziert der IWF ein Wachstum von 0,9 Prozent in diesem Jahr und 1,5 Prozent im nächsten Jahr. Die Prognose bleibt weitgehend unverändert
Allerdings verschieben sich die Verhältnisse der einzelnen Staaten. Während Deutschland weiter ins Minus rutscht, korrigiert der Fonds seine Wachstumsprognose für tourismusstarke Länder wie Italien (plus 0,4 Prozentpunkte) und Spanien (plus 1,0 Prozentpunkte) nach oben.
USA: Biden-Boom schwächt sich ab
Die USA müssen im Jahr 2024, wenn das Land Präsidentschaftswahlen abhält, mit einem verlangsamten Wachstum rechnen. Zwar korrigiert der IWF seine US-Prognose für 2023 um 0,2 Prozentpunkte nach oben, das Wachstum wird nun bei 1,8 Prozent veranschlagt.
Doch die relativ stabile Wirtschaft sei „nicht von Dauer“, betont der Fonds. Im kommenden Jahr soll sich das US-Wachstum abschwächen und nur noch ein Prozent erreichen.
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