St. Petersburg Putin will in ihrem Beisein zeigen, dass er trotz der blutigen Invasion in das Nachbarland international nicht isoliert ist. Da soll auch nicht ins Gewicht fallen, dass angesichts seines Kriegs einige afrikanische Staats- und Regierungschefs abgesagt haben und stattdessen nur Stellvertreter schicken.
Schon vorab war aus dem Kreml in Moskau zu hören, dass Putin in großen Reden einmal mehr für eine Multipolarität in der Welt und eine Abkehr vom monopolaren Modell unter der Vorherrschaft der USA sprechen wolle. Auch wegen der Sanktionen des Westens im Zuge seines Krieges gegen die Ukraine ist Putin dringend auf Partner in anderen Erdteilen angewiesen – in China und weiteren Ländern Asiens, in Indien und Südamerika. Nun aber steht der Ausbau der Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten auf dem Programm nach dem – wegen der Corona-Pandemie – erst zweiten Gipfel dieser Art nach 2019.
Für Russland sei es wichtig, die politische Unterstützung der afrikanischen Staaten im Konflikt mit dem Westen zu erhalten, sagt Andrej Maslow, Direktor des Zentrums für Afrika-Studien an der Wirtschaftshochschule in Moskau. Bei der Abstimmung der UN-Vollversammlung zur Verurteilung des russischen Angriffskriegs enthielten sich zur Freude Russlands rund 25 Staaten Afrikas.
Um diese „freundschaftliche Neutralität” zu erhalten, brauche es die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, aber auch soziale und humanitäre Kontakte, sagt Maslow. Russland sieht nach dem Wegfall des Westens nun auch Afrika als wichtigen Absatzmarkt für seine Erdölprodukte, sein Getreide, seinen Dünger und bietet etwa auch seine Nukleartechnologie für den Bau von Atomkraftwerken an. Schon lange ist Afrika ein wichtiger Absatzmarkt für russische Waffen.
Russland schätze, dass die meisten Länder Afrikas sich nicht in einen „antirussischen Sog” des Westens ziehen ließen, sagt der prominente außenpolitische Experte Fjodor Lukjanow. „Russland erfreut sich als Nachfolgestaat der Sowjetunion, die Afrika aktiv dabei geholfen hat, die Kolonialknute loszuwerden, bis heute in vielen Ländern des Kontinents wohlwollender Beziehungen.” Das helfe Russland auch, trotz des Konkurrenzkampfes früherer Kolonialmächte und des wichtigsten Investors China auf dem afrikanischen Kontinent Einfluss zu haben.
Getreide aus Russland als Instrument des Einflusses
Traditionell will Russland bei armen Ländern, die noch dazu regelmäßig unter Dürren und Hunger leiden, mit Zusagen punkten, die auf ihre Probleme zugeschnitten scheinen. Besonders deutlich wird das bei Getreidelieferungen. Nach Russlands Aufkündigung des Abkommens zur Verschiffung von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer steht Putin wegen der Seeblockade international in der Kritik als Mann, der mit dem Hunger politische Spiele treibe und Nahrungsmittel als Waffe einsetze. Beim Gipfel dürfte sich der Präsident einmal mehr als Helfer in der Not inszenieren, der nicht nur die ukrainischen Lieferungen ersetzen, sondern sie teils kostenlos bereitstellen will.
Zwar beklagt Russland immer wieder, die vom Westen verhängten Sanktionen behinderten den eigenen Export von Getreide, Nahrung und Düngemittel. Trotzdem laufen die Ausfuhren. Putin selbst sagte, 2022 habe Russland 11,5 Millionen Tonnen Getreide nach Afrika exportiert, in den ersten sechs Monaten dieses Jahres fast zehn Millionen Tonnen.
In der laufenden Saison – 1. Juli 2023 bis 30. Juni 2024 – erwartet Russland ein Exportpotenzial von bis zu 55 Millionen Tonnen Getreide, vor allem Weizen. Die vorherige Saison schloss Russland mit einem Exportrekord von 60 Millionen Tonnen ab – wichtige Milliardenbeträge, nachdem etwa Einnahmen aus dem Wegfall der Gaslieferungen nach Europa weggebrochen sind. Allein im vergangenen Jahr nahm Russland rund 42 Milliarden US-Dollar (etwa 38 Millionen Euro) mit seinen Agrarexporten ein, 12 Prozent mehr als 2021.
Was Russland unter Sicherheitszusammenarbeit versteht
Seinen Gipfel will Putin auch nutzen, um die Zusammenarbeit in militärischen Fragen auszubauen. Schon seit langem entsendet Moskau russische Militärausbilder. Nach Angaben des der Friedensforscher am Peace Research Institute Frankfurt (PRIF) bezieht sich Russlands Unterstützung für Afrika aber vor allem auf drei Bereiche: Rüstung, Nachrichtendienste und Propaganda.
Seit 2015 habe Russland rund 19 Militärabkommen mit afrikanischen Regierungen geschlossen. Als Gegenleistung erhält Russland laut PRIF häufig Bergbaukonzessionen oder geostrategische Vorteile wie beispielsweise den Zugang zu Häfen in Libyen oder dem Sudan. Die für ihre große Brutalität bekannte russische Söldnergruppe Wagner agiert zudem in mehreren afrikanischen Ländern wie Mali, Libyen, der Zentralafrikanischen Republik und Mosambik.
Auch andere Länder buhlen um Einfluss in Afrika
Der russische Außenminister Sergej Lawrow schien zuletzt systematisch ein afrikanisches Land nach dem nächsten abzuklappern. Russland sieht sich aber in zunehmender Konkurrenz mit einer Vielzahl an Staaten, die auf dem an Bodenschätzen und Wachstumspotenzial reichen Kontinent um Einfluss buhlen. Seit Jahresbeginn haben sich ranghohe, politische Vertreter aus aller Welt regelrecht die Klinke in die Hand gegeben – Chinas inzwischen abgesetzter Außenminister Qin Gang gleich mehrfach auf dem Kontinent zu Gast, auch US-Finanzministerin Janet Yellen kam zu Besuch. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat seit seinem Amtsantritt bereits zwei größere Afrika-Reisen unternommen, um zu zeigen, dass Deutschland den Nachbarkontinent nicht der Konkurrenz überlassen will.
Bei dem Wettstreit um Afrika geht es nicht nur um Investitionen, sondern auch um geopolitische Machtkämpfe – das wird nicht zuletzt im Zusammenhang mit Russlands Krieg in der Ukraine deutlich. „Afrika ist zu einer Arena für den Wettbewerb zwischen den Weltmächten geworden”, sagt Jakkie Cilliers, politischer Analyst des Instituts für Sicherheitsstudien (ISS) in Südafrika. „Es handelt sich um ein gewaltiges diplomatisches Spiel.”
Viele afrikanische Staaten sehen keinen Konflikt darin, gleichzeitig Partnerschaften mit Europa, China und Russland zu verfolgen. Besonders Südafrika, das zusammen mit Russland, China, Indien und Brasilien die Brics-Staatengruppe bildet, wird wegen seiner Russland-Nähe derzeit vom Westen mit Skepsis betrachtet. Allerdings hatte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa angekündigt, den Gipfel nutzen zu wollen, um einen Friedensplan zwischen Russland und der Ukraine voranzutreiben. Putin bestätigte, dass er zu solchen Gesprächen bereit sei.
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