Washington Sollte sie auf ihrem Posten bestätigt werden, wäre Lisa Franchetti die erste Frau an der Spitze der amerikanischen Navy. Doch wenn die Viersterneoffizierin im August ihr neues Büro bezieht, wird ihr Titel nur „Interims-Admiralstabschefin der US-Marine“ lauten, denn bislang wartet sie vergeblich auf eine offizielle Ernennung durch den US-Kongress.
Formal muss Franchettis Posten, wie alle leitenden Funktionen im Pentagon und in anderen US-Ministerien, vom Senat abgesegnet werden. Normalerweise ist das ein Routineprozess in der Kongresskammer. Doch der republikanische Senator Tommy Tuberville hat ihn in ein Politikum verwandelt.
Aus Protest gegen die neuen Abtreibungsrichtlinien der amerikanischen Streitkräfte blockiert er inzwischen 270 Posten des Verteidigungsministeriums. Bis Jahresende, schätzen Experten in Washington, könnte die Zahl auf 650 anwachsen, sollte Tuberville sich nicht bewegen.
Vergangenes Jahr hatte das Oberste Gericht der USA das bundesweite Recht auf Abtreibung gekippt, mittlerweile haben mehr als 20 US-Bundesstaaten entweder Verbote erlassen oder erwägen sie. Das Verteidigungsministerium bietet deshalb seit Kurzem weiblichen Militärangehörigen die Übernahme der Reisekosten an, sollten sie für einen Schwangerschaftsabbruch den Bundesstaat verlassen müssen, in dem sie stationiert sind.
Tuberville, der auch in seiner Fraktion weit rechts steht, ist Mitglied des Militärausschusses. Als solches kann er bei der Ernennung von Pentagon-Personal sein Veto einlegen – auch wenn die Republikaner im Senat derzeit in der Minderheit sind.
Die Blockade läuft schon seit Februar, doch erst seit Franchettis auf Eis gelegter Ernennung berichten US-Medien verstärkt über den Personalstau im Pentagon. US-Präsident Joe Biden hatte Franchetti in der vergangenen Woche nominiert. Sie soll mit der Navy einen von sechs Zweigen der amerikanischen Streitkräfte leiten, neben dem Heer, dem Marinekorps, der Luftwaffe, der Raumfahrtabteilung und der Küstenwache.
Biden: Erzwungener Stillstand „brandgefährlich“
Als Navy-Befehlshaberin rückt Franchetti auch als erste und bislang einzige Frau in das wichtigste militärische Beratungsgremium des US-Präsidenten auf: den Generalstab, den sogenannten Joint Chiefs of Staff.
Franchetti startete ihre Karriere im US-Militär 1985, nach einem Journalismusstudium. In ihrer Laufbahn befehligte sie unter anderem die amerikanische Mittelmeer-Flotte, war Kommandantin eines Zerstörers und einer Flugzeugträgerkampfgruppe.
Erst seit 1996 sind auf US-Kampfschiffen auch weibliche Militärmitglieder erlaubt. In einem Interview erzählte Franchetti, ein früher männlicher Vorgesetzter habe ihr einmal zu verstehen gegeben, Frauen seien „nicht willkommen“. Sie habe daraufhin „noch härter gearbeitet“.
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Dass sie nicht einfach ihren Posten antreten kann, ist ein Symbol für die fortschreitende Polarisierung zwischen US-Republikanern und Demokraten. Tuberville vertritt im Senat den konservativen Bundesstaat Alabama. Wirtschaftlich sind Teile der Region erfolgreich, unter anderem hat der deutsche Autobauer Mercedes-Benz in Tuscaloosa seinen Produktionsstandort.
Doch politisch ist Alabama umstritten, auch wegen seines strikten Abtreibungsverbots, das keine Ausnahmen für Vergewaltigung und Inzest zulässt. Tuberville wirft dem Verteidigungsministerium illegale Finanzierung von Abtreibung vor und beruft sich auf Veteranen und konservative Interessengruppen, die ihn in seinem Protest bestärken würden.
Biden verurteilte den erzwungenen Stillstand als „brandgefährlich“. Angesichts des Ukrainekriegs und der Spannungen mit China sei jede personelle Verzögerung im Pentagon riskant, warnen führende Demokraten. Der republikanische Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, kritisierte die Blockade des Senators ebenfalls – wies aber auch darauf hin, dass er Tuberville nicht dazu zwingen könne, seinen Widerstand aufzugeben.
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